ständigste Entsagung und Nbtötung de« Willen«, vi« er ban! Her- wegh erkannte, dah ja alle Tragik durch die Erkenntnis der Nichtig- keit der Erscheinungswelt bestimmt sei. Jetzt verstand er erst selbst seinm Wotan. Der Einfluß Schopenhauers wurde entscheidend für sein ganzes Leben. Diese ernste Stimmung verlangte nach einem exwtischen Ausbruch ihrer Grundzüge. Der Pessimismus, verstärkt durch seine glücklich« unglückliche, sinnlich- übersinnliche Liebe zu der Frau auf demgrünen Hügel", Mathilde Wesendonck , gab ihm die Konzeption deSTristan" ein, das Werk, das an Größe und Ernst de« dichterischen Wurfs wie an musikalischem Reichtum, an seelischer Ausdruckskraft der Tonsprache unerreicht steht. Sieht man die stattliche Reiheeuropäischer Geister', die in diesem Buche Revue passieren müssen, durch und Wagners schroffe Urteile über diese immerhin bedeutenden Staatsmänner, Politiker und Künstler, so muß man eigentlich über seine Naivität, seine primitive Menschenkenntnis lächeln. Er wertet alle Menschen einfach nach dem Nützlickkeitsprinzip. Wer ihn versteht, ihn fördert, ihm Geld leiht, ist gut; wer seiner Musik gegenüber kalt bleibt, keine Miene macht, seine Opern zu erwerben, nicht gesonnen ist, ohne weiteres alle seine neuen Kunstprobleme aufs Tipselchen gut zu heißen, ist dumm nnd schlecht. Mit erstaunlicher Leichtigkeit werden über Männer der Literatur und Kunst Meinungen zum Besten gegeben, die die Un- duldsanikeit und Einseitigkeit dieses egoistischen Charakters scharf be- leuchten. Von Gottfried Keller , dem Schweizer Klassiker, heißt es: Ich war erstaunt, in Keller einen auffallend unbehilflichen und spröd erscheinenden Menschen kennen zu lernen, deffen erste Bekanntschaft jedem sofort das Gefühl der Angst um sein Fortkommen erweckte... Alle seine Arbeiten, welche wirklich von sehr originellen Anlagen zeugten, gaben sich sogleich aber auch nur als Ansätze einer künstle- tischen Entwickelung zu erkennen und man frug sich nun unerläßlich nach dem Werke, welches jetzt folgen und seinen Beruf erst wahrhaft bezeugen sollte. Glücklicherweise wußte man ihn, wie es scheint, schon aus patriotischen Rücksichten, mit der Zeit endlich im Staats- dienste unterzubringen, wo er als redlicher Mensch und tüchtiger Kopf jedenfalls gute Dienste leistete, wenn auch seine schriftstellerische Tätigkeit von jetzt an, nach jenen ersten Ansätzen, für immer zu ruhen schien." Dies über den Dichter des Grünen Heinrichs" und derLeute von Seldwhla". Man muß sich fragen, hat hier Leichtfertigkeit im Urteilen, Unverständnis oder Arroganz die Feder geführt. Ueber seinen treuen Schweizer Ge- fährten und blinden Anhänger Herwegh akzeptiert er achselzuckend die Meinung eines Zynikers: ,H. fei genau betrachtet eigentlich nur ein guter schwäbischer Junge, der durch den jüdischen Nimbus, in welchen er durch seine Frau geraten sei, weit über sein Vennägen hinäus ge- schätzt und berühmt geworden wäre.' Fast gehässig"wird wiederholt Über denerfolgreichen Berliner Opernmeister' Meherbeer, deffen lärmende Operntiraden allerdings das Aufkommen Wagners in Werlin stark verzögerten, ebenso über Mendelssohn der Stab ge- brachen. Berlioz ist als Mozartdirigentein ordinärer Takt- fchläger', von seinen schönsten Kompositionen empfindet erim all­gemeinen nur ein der Größe des Eindrucks adäquates Unbehagen". Tiehatschek und Schnorr von Carolsfeld werden als dumme Tenöre, aufdringliche Menschen hingestellt. Der arme Wendelin Weisheimcr, der ja gewiß als Komponist kein großes Licht war, aber seine hin- gebende Treue gegen Wagner durch viele Opfer besiegelt hatte, »vird von W. und Eosima im Leipziger GewandbauSsaal unter den Lugen der die beiden beobachtenden Familien öffentlich ausgelacht: Unsere heitere Laune ward beständig unterhalten und angeregt durch die Ungeheuerlichkeit der Weisheimerschen Kompositionen. Für jetzt hatte er, zur großen Enttäuschung seines BaterS, nur die Unkosten zu tragen und dazu die sehr unnötige Beschämung, mir leinen Gewinn bringen zu können, zu verwinden. Freund Weis- heimer verfiel seit dieser Zeit in ein Mißbehagen mir gegenüber: er glaubte sich sagen zu müssen, daß, wenn er meine glänzenden Orchesterwerke nicht zur Seite gehabt, und nur seine eigenen Kom- Positionen zu einem billigen Preise dem Publikum geboten hätte, er viel besser daran gewesen sein würde." Wie egoistisch berechnend, wie kalt und herzlos klingen alle diese Urteile, selbst iiber Freunde I Vollends ehrenrührige Behauptungen über das Privatleben des schlesischen Schwarmgeistes Karl von Holtet, der WagnerS Direktor in denr Rigaer Theaterelend war, nachträglich öffentlich aufzustellen, hätten die Erben Wagners unterlassen sollen, die ja auch sonst dafür gesorgt haben, daß in Dingen, die für den NationalheroS deutscher Kunst verfänglich schienen, das Druck-Manuskript von dem Original- Diktat abwich. Von Zürich begann der von seelischen und materiellen Nöten gehetzte Künstler, dessen bisherige Opern:Rienzi ",Fliegender Holländer ",Lohengriu" undTonnhäuser' sich nur widerstrebend an den deutschen Bühnen befestigen konnten, währendRheingold " undTristan" überhaupt noch unaufgefiihrt waren, ei» unstetes Wanderleben, das ihn nach Genf . Brüssel, Venedig , Petersburg, Moskau Zürich . Wien und Paris führte. In Paris fand am 13. März 1861 die denkwürdige erste Aufführung desTann- Häuser" statt. Politische Intrigen und grobes Unverständnis halfen bei der schmählichen Niederlage mit. Der adelige Jockehklub, ergrimmt über diearroganze" des deutschen Musikers und über das Fehlen eine« Balletts in der Oper, pfiff: die Fürstin Metter- nich. die Wagner und..Tannhäuser " dringend Napoleon Hl. empfohlen hatte, war für den beleidigten Gast Frankreichs ehrlich mit beleidigt: Geht mir mit Eurem freien Frankreich I Zu Wien , wo doch am iöerantwortl. Redakteur: Albert Wachs, Berlin. Druck u. Verlag: Ende ein rechter Adel vorhanden ist, wäre der Fall, daß ein Fürst Schwarzenberg oder Liechtenstein aus seiner Loge pfeifend zu.Fidelio' ein Ballett verlangte, undenkbar.' Das Sedan für dieses Jena deutscher Kunst kam glorreich; heute herrschen Wagners Opern vom Holländer" bis zurGötterdämmerung " unumstritten auf Frankreichs musikalischer Rationalbühne. .Wach' auf, eS nahet gen den Tag l' diese Apotheose de« Nürnberger Volkes an seinen geliebten Meister Sachs aus den Meistersingern ", deren Gedicht Wagner , auf der Höhe seines dichterischen und musikalischen Schaffensvermögens stehend, in Paris in 3V Tagen, deren Komposition er am Rheinstrom in Biebrich 1866/67 vollendete, sollte sich nun auch an dem vielgeprüften, viel« verschlagenen Odysseus der neuen deutschen Kunst endlich erfüllen. Als die Not am höchsten, war der Potentat am nächsten.Das Wunderbare" erschien wieder einmal in Wagners Leben. In Stuttgart war's, da nahte sich dem von Schuldnern bis zur völligen Verzweiflung drangsalierten Dichterkomponisten der rettende Engel in Gestalt des Herrn Pfistcrmeister au? München . Als Kabinettssekretär Ludwigs IL überbrachte er Wagnern Brief und Ring deS Königs mit dem Austrage, ihn gleich selbst mit nach München zu nehmen. DerRomanttker auf dem Thron", dererhabene Freund" sah in dem Schöpfer deS.Tann­häuser' undLohengrin " den himmelblauen Schwanenritter, der ihn in silbernem Nachen hinausführt au» der Prosa verhaßter Regiernngsgeschäfte und hinein ins Wunderland der ritterlichen Romantik. Und sie redeten sich gegenseitig an:Mein Geliebter!' Beruhte im Grunde Ludwigs Sympathie für WagnerS Musik auch nur auf einem Mißverständnis sein Nichtmitkönnen im Fall Ring" undTristan" undMeistersinger ", den Dramen des eigent- lichen Wagners, beweisen das zur Genüge, so konnte doch auf- atmend der Biograph Wagner als letzten Satz schreiben:Nie je- doch hat unter dem Schutz meine? erhabenen Freundes die Last des gemeinsten Lebensdruckes mich wieder berühren sollen." Hier 5. Mai 1864 schließt dasLeben Wagners". Von den letzten 20 Jahren seines Lebens erfährt man nichts mehr. Oder darf man die Weltflucht eines vom Getriebe der Menschen an- geekelten Künstlers, sein Einspinnen in seidene Gewänder, in Fürsten « gunst, in aristokratische Gepflogenheiten, seinen schließlichen Rückfall zum christlichen ErlösungSwahn mitParsifal ", seine pretiöse Hof» Haltung in der Eremitage Boyreuth nicht mehr Leben nennen...? War es klug von der klugen Witwe Eosima, die Lebens- erinnerungen, die politische und menschliche Entthronung eines Kunstgenies dem Geheimfach in Wahnfried zu entreißen. Hat sie dem Andenken deS großen Künstlers genützt durch gehäufte Urkunden und Beweise, wie klein er als Mensch war? Wie ihn ahnend schon Nietzsche erkannt hatte? Wie er vielleicht sein mußte als ein Opfer des Zwiespalts zwischen freiem Künstlertum, genialischem Ausstieg zu neuen uncrschlosienen Bezirken der dramatischen Kunst und der jammervollen Indifferenz der besitzenden bürgerlichen Gesellschaft? W. Mauke. kleines Feuilleton. Physiologisches. Die Chemie deS Schlafes. Während eines tiefen Schlafes ist der Mensch ein anderer als im wachen Zustand. Den Unterschied bedingt nicht nur die fast gänzlich ausgeschaltete bewußte Tätigkeit deS Gehirns, sondern auch eine wesentlich andere Regelung der Vorgänge in anderen Organen. Insbesondere ist auch der Stoffwechsel während des Schlafes ein anderer, wie Dr. Hirschstein vor dem Aerztlichen Verein in Hamburg auf Grund umfangreicher chemischer Untersuchungen nachgewiesen hat. Während der Nacht scheidet nämlich die Niere wesentlich mehr Stoffe aus, die als Enderzeugniffe des Stoffwechsels zu betrachten sind, darunter hauptsächlich Phosphor- und Schwefelsäure nnd Sttckstoff. Hat nun jemand schlecht geschlafen und sind diese Stoffe somit zum größeren Teil in seinem Körper zurück- geblieben, so dauert eS gewöhnlich bis zur nächsten Nacht, bis der Körper sich ihrer entledigen kann. Außerdem wird durch eine Beeinträchtigung der Nachtruhe auch die wichtige Ausscheidung des Chlor gestört, die sonst während deS Tag? am stärksten ist. aber nach einer schlaflosen Nacht unterbunden wird. ES ist gewiß eine für die ärztliche Wissenschaft hochwichtige Erkenntnis, daß Schlaf- mangel dazu führt, gerade die stärksten Säuren um 24 oder 48 Stunden im Körper zurückzuhalten. Man braucht nur daran zu denken, wie viele KrankheitSzustände durch mangel- hafte Ausscheidung solcher Stoffe bedingt werden. Dr. Hirschstein hat durch längere Versuche noch genauer ermittelt, in welchen TageS- zciten die einzelnen Stoffe am stärksten ausgeschieden werden. Für die meisten ist dies in den Stunden von 7 11 Uhr abends und von 37 Uhr morgens der Fall, während die Tätigkeit der Nieren während der dazwischen gelegenen Stunden des tiefsten Schlafes etwas sintt. In welcher Weise da« Zustandekommen und der Ver- lauf deS Schlafes vielleicht mit diesen Tatsachen selbst zusammen- hängt, kann noch nicht gesagt Iverden. Da die Entstehung de« SchlaseS neuerding« mit der Bildung eines.Ermüdungsgiftes" in Beziehung gebracht wird, kann vielleicht gerade die Chemie zur Auf« hellung deS Schlaftätfels führen.______ vyrwärtzBuchdrpckereiu.VerlagsanjtaltPatzlSingeräCo.tBerltnLlV«