Kulturgeschichtliches. Aus der Urgeschichte des Büches  . Der Stoff, auf dem die ältesten Bücher, wenn man diese Bezeichnung darauf über« Haupt bereits anwenden könnte, geschrieben worden sind, war Stein. Nicht nur die Runensteine des Nordens, sondern auch zahlreiche Kelseninschriften in Südeuropa  , im Orient und in Nordafrila geben davon Zeugnis. Unter den Steinen war der Marmor bevorzugt. Später wurden Inschriften auch auf Bronze hergestellt, wo- mit aber ein Fortschritt für die Schaffung eigentlicher Bücher nicht gemacht wurde. Dazu waren leichtere Stoffe notwendig. Diese fand man im Holze. im Leder und schließlich in Pflanzenstoffen, wie dem berühmten Papyrus Aegyptens  , dessen Wichtigkeit schon dadurch bekundet wird, daß unser Papier noch heute davon den Namen trägt. Die alten Seghpter wie die Hebräer schrieben außerdem besonders auf gegerbten Fellen, und nur die weniger wichtigen Auf- Zeichnungen, wie Rechnungen, Abstimmungen bei Wahlen und dergleichen wurden auf Baumrinde, Banmblätter oder auch auf Muscheln, flachen Ziegelsteinen, Holzbrettern und Topf- scherben niedergelegt. Ferner gebrauchte man im ganzen Alter- tum bis ins achte Jahrhundert hinein Brettchen aus Blei, Elfenbein und Holz, die mit einer dünnen Wachsschicht überzogen und dann mit einem Griffel(StiluS, daher die Bezeichnung Stil) beschrieben murden. Der Papyrus oder das Papier wurde aus einer Binsenart hergestellt, die namentlich an den Ufern dcS Nil und auf Sizilien   wuchs. Dr. Moire, Bibliothekar an der Sarbonne, der jetzt vor der Französischen   Vereinigung zur Förderung der Wissenschaften einen fesselnden Vortrag über die EntWickelung des Buchs gehalten hat, ist vor etwa 30 Jahren in der Lage ge- Wesen, das Vorkommen von wildem Papyrus auch an den Ufern der Rhone   nachzuweisen. Auf den langen zarten Blättern dieser Pflanze schrieb man mit einem CalamuS, einem am Ende zugespitzten Rohr. Die Blätter wurden dann zusammengerollt. DaS Pergament kam erst weit später in Gebrauch. Völkerkunde. In der Stadt der zehntausend Priester. Die beiden amerikanischen Reisenden Richardson L. Wright und Baasett Digby, die sich auf einer Forschungsreise durch Zentralasien   be- finden, schildern in einem interessanten Aufsatz desWorld Maga­zine" das Leben in Urga  , derStadt der zehntausend Priester". Hier, am Rande der Wüste Gobi  , in der nördlichen Mongolei  , ist dem Buddhismus   eine Hochburg errichtet, denn in den zahllosen Klöstern der Stadt leben mehr als 10 000 Geistliche, die vier Fünftel der gesamten Bevölkerung von Urga   ausmachen. In der Mongolei  wird fast immer der erstgeborene Sohn jeder Familie Buddha ge- weiht, um ihm als Priester zu dienen. Mit zehn Jahren wird das Kind nach der Priesterschule von Urga geschickt, mit 20 hat der junge Mann so viel Gebete gelernt, um zu der Würde eines nie- deren Lamas aufzurücken. Dann rasiert er sich Haar und Bart ab, kleidet sich in ein hell schimmerndes, rot und gelbes Gewand, und nachdem er noch ein weiteres Examen abgelegt hat, wird er dann ein richtiger Priester, der nicht heiraten darf und nicht arbeiten, sondern sich nur den heiligen Dingen widmen soll. Da sitzen sie denn die Tausende, murmeln Gebete, studieren die heiligen SÄrif- ten, betätigen sich als Aerzte des Leibes, indem sie allerlei Heil- mittel den Kranken verabreichen, doch noch mehr des Geistes, indem sie die bösen Geister austreiben und die Teufel im Menschen be- schwören. All'dies aber kann ihnen doch nicht über die langen Stunden hinweghelfen, in denen ihnen das heilige Nichtstun zur Qual wird und die böse Langeweile sie bejchleicht. Deshalb haben sich die Priester von Urga auf einen auch bei uns recht beliebten Zeitvertreib geworfen, sie beschäftigen sich mit Sport aller Art, veranstalten Wettrennen zu Fuß, große Tanzaufführungen und vor allem Ringkämpfe. Das größte Ereignis des Jahres ist für Urga der große Ringwettkampf, in dem die priesterlichcn Athleten ihre Kräfte mit denen profaner Sterblicher messen. An diesem großen Schauspiel nimmt auch der höchste der Priester von Urga, der Taschi-Lama, der den Namender lebende Gott" führt, teil. In der riesigen Arena ist die ganze Bevölkerung der Priester- fferdt schon am Vormittag versammelt. Um zwei Uhr sinkt dann die Seideufahne von dem Zelt, von dem aus der Taschi-Lama den Kämpfen zusieht, die Wettbewerber treten in den Kreis, werfen sich vor demlebenden Gott" in den Staub und verharren so ge- bückt wie Frösche, bis der Taschi-Lama sich setzt und sie nun mit einem Ruck gegeneinander losstürzen. Die größte Spannung herrscht dann, ob der Champion der Priester oder ein Athlet der Bürger den Sieg davonträgt. Vergessen ist alle Ehrfurcht, die man den Dienern Budohas entgegen bringt, vergessen die Angst vor der Hölle, mit der sie dem Sündigen drohen; man packt sich, rauft sich. zerrt sich, bis schließlich einer besiegt in den Staub sinkt. Da sind doch die Tanzwettkämpfe weihevoller, die die Priester unter sich ausführen. Ein malerischer Reiz liegt schon in den Kostümen, diesen reich bestickten, von Edelsteinen leuchtenden Seidengcwän- dein, den klirrenden Amuletten und Zicrraten, mit denen sie de. hangen sind. Bei denTeufelstänzen" trägt jeder Aus- sührende noch eine gewaltige groteske Ma�ke von dämonischer Wild- heit. Eine ohrenbetäubende Musikbegleitung erklingt und stachelt die Tanzenden zu immer rasenderen Bewegungen an. Die scheuß- lichen Maskenköpfe verschwinden in einem ChaoS von bunten Ge- Verantwortl. Redakteur: Albert Wachs, Berlin.=; Druck u. Verlag: wändern und durcheinander wirbelnden Gestalten, bis endlich einer nach dem anderen erschöpft niederstürzt und schließlich nur noch der Sieger in mühselig taumelnden Verrenkungen als letzter daS Feld behauptet,,. Naturwissenschaftliches. Ausgestorbene Säugetiere am Victortasee. Die großartigen Funde von Resten ausgestorbener Säugetiere bei Tendaguru in Deutsch-Ostafrika   scheinen nicht vereinzelt bleiben zu sollen. Es sind nämlich ähnliche Reste nunmehr auch in Britisch« Ostafrika   entdeckt worden, und zwar auf der Ostseite des großen VictoriaseeS. Professor Audrews hat sie einer Untersuchung unter- zogen und jetzt der Zoologischen Gesellschaft in London  vorläufigen Bericht über deren Ergebnisse erstattet. Die Ueberbleibsel sind insofern nicht ansehnlich, als fast nur Bruchteile von Knochen erhalten geblieben sind. AlS ein Paradestück muß schon der Teil eines Kiefers mit einigen wohlerhaltenen Zähnen gelten, der jedenfalls einer kleinen Art der bekannten Sängetiergattung Dinotherium gehört, die in der Tertiär« zeit nicht nur in Europa  , sondern auch in Asien   eine weite Verbreitung besessen haben muß. Dies Tier war wahrsSeinlich ein Vertreter der Borläufer der Elefantensippe. Besonders berühmt ist der bei EppelS« heim im Mainzer Becken   zutage geförderte Schädel, der eine Länge von mehr als einen Meter besitzt. Diese ostafrikanische Art scheint am meisten dem Dinotherium Cuvieri zu gleichen, das in Frank­ reich   in der Miocän  -Zeit der Tertiärepoche gelebt hat. Es läßt sich daraus aber nicht mit Sicherheit schließen, daß die afrikamschen Bodenschichten demselben Alter angehören, da es möglich wäre, daß diese sonderbaren Geschöpfe in Afrika   länger erhalten geblieben sind als in Europa   oder Indien  . In denselben Lagern hoben sich noch Reste eines kleinen Rhinozeros, einer riesigen Landschildkröte von der Gattung Trionyx und von Krokodilen gefunden. So weit aus dem inneren Afrika   waren bisher tertiäre Säugetierrest« nirgend bekannt. Medizinisches. Die Blinddarmentzündung bei Kindern. Die Blinddarmentzündung, unter der man jetzt allgeniein die Entzündung des sogenannten wurmförmigen Ansatzes des Blinddarmes l�.pxaiickix) versteht, hat durch die Kunst der Chirurgie viel von ihrem Schrecken verloren, aber wird vielleicht noch weniger gefürchtet werden, wenn, wie es den Anschein hat, die Aerzte solche Mittel dagegen finden, daß auch die Operation überflüssig wird. Ganz aus- geschaltet wird sie freilich sicher niemals werden. Am bedenklichsten steht eS mit der Blinddarmentzündung noch immer bei kleinen Kindern. Bei den Erwachsenen stirbt an der Blinddarmentzündung heute nur noch jeder fünsundzwanzigste bis fünfzigste der Erkrankten, während bei den Kindern die Sterblichkeit im Durchschnitt Iki bis 30 Proz., also bis fast ein Drittel beträgt. Dr. Hans Salzer hat jetzt in einem Vortrage vor der Wiener   Gesellschaft der Aerzte auf Grund seiner umfangreichen Erfahrungen untersucht, worin diese größere Gefährlichkeit der Blinddarmentzündung bei Kindern begründet ist. Er hatte im Laufe von vier Jahren 200 Fälle solcher Erkrankungen an Kinder» in Behandlung, von denen 133 operiert wurden. Bei den anderen wurde eine Operation nicht vorgenommen, obgleich Dr. Salzer den Standpunkt vertritt, daß noch immer eine eigentlich» Heflung ohne Operation nicht möglich ist. Außerdem starben zwei der Kinder so kurze Zeit nach der Einlieferung, daß ihre Rettung nicht einmal mehr versucht werden konnte. Von den 133 operierten Kindern starben 22, also 13'/z Proz. oder reichlich viermal so Vieh als man hätte erwarten sollen, wenn eS sich um erwachsene Kranke gehandelt hätte. Es wäre nun wirklich an der Zeit, die Gründe.dieseS Unterschieds ausfindig zu machen. Ueberall werden die größten Be- mühunqen aufgewandt, um die hohe Kindersterblichkeit herabzusetzen, und insolgedesien sollte man darauf denken, auch diesem Feind, der schon so nrantbes hoffnungsvolle Leben hinweggerafft hat, den Boden abzugraben. Dr. Hans Salzer hat alle Erklärungen, die man für die große Kindersterblichkeit durch AppendicitiS   vor« gebracht hat. gründlich erörtert. Einmal ist angeführt worden,, daß lener Wurnifortsatz deS Blinddarms, der überhaupt als ein rück« ständiger Körperteil zu betrachten ist, bei den Kindern im Verhältnis zur Länge des DarmS eine erheblich größere Entwickelung besitzt und dadurch auch wohl leichter einer Entzündung ausgesetzt ist. Dieie An- nähme weist Dr. Salzer ebenso zurück wie die Behauptung, daß die Blinddarmentzündung bei Kindern schwieriger zu erkennen sei. Wenn eS sich nicht um ganz kleine Kinder unter zwei Jahren handelt, kann die Krankheit ebenso leicht festgestellt werden wie bei Erwachsenen. Endlich ist auch die Vermutung, daß die Krankheit selbst bei Kindern einen heftigeren verlauf nimmt, zum mindesten nicht erwiesen. Dr. Salzer findet vielmehr den hauptsächlichen Grund darin, daß die Kinder zu spät dem Arzt zugeführt und infolge« dessen auch zu spät operiert werden. Die Merkmale der Krankheit sind sreilich so wechselnd, daß sie für die Eltern nicht leicht zu verstehen sind. Andererseits sind sie stark genug, um jeden kundigen Arzt auf den richtigen Verdacht lenken zu können. Dr. Salzer meint freilich, daß auch die Laien so weit aufgeklärt werden müßten, daß ihnen eine Beurteilung möglich wäre, wenn bei einer kindlichen Erkrankung an Blinddarmentzündung gedacht werden muß._ vorwärtsBuchdruckerei u.Berlagsanstalt Paul SingerchCo-.Berlin   SW,