Zlnlerhattungsblatt des Vorwärts Nr. 113. Donnerstag, den 18. Juni. 1911 <z?aqdruS bec&gtenl 9] pdle der Eroberer. Lehrjahre. Roman von M. Andersen Nexö. Er hat wie immer den längsten Umweg gewählt, stöbert auf Höfen und in Seitengassen herum, wo Chancen für ein Erlebnis sind, und ist ganz schnell einmal bei Albinus vor- gewesen, der Knecht bei einem Kaufmann ist. Albinus war nicht amüsant. Er hatte nichts rechtes zu tun und ging wie gewöhnlich draußen im Speicher ziellos umher, eifrig davon in Anspruch genommen, eine kurze Leiter gerade in der Luft stehen zu lassen, während er hinaufging. Es war nie ein Wort aus ihm herauszubringen, wenn er sich mit dergleichen abmühte: dann mopste Pelle eine Handvoll Rosinen und »nachte sich aus dem Staube. Unten im Hafen entdeckt er eine schwedische Schute, die gerade mit Holz eingelaufen ist.Habt Ihr was, was ge- macht werden soll?" ruft er und hälte eine Hand hinten vor, wo die Hose ein Loch hat. Klausens Junge ist eben hier gewesen und hat gekriegt, was da war," antwortet der Schiffer. Das ist ja dumm! Ihr hättet es uns geben sollen! Habt Ihr denn'ne Kreidcpfeife?" Ja, komm Du man her!" Der Schiffer greift nach einem Tauende, aber Pelle rettet sich an Land. Na, krieg ich nich' bald die Prügel?" ruft er foppend. Du sollst eine Kreidepfeife haben, wenn Du hinlaufen und für fünf Oere Priem holen willst." Was soll der kosten?" fragt Pelle einfältig. Der Vchiffer greift nach dem Tauende, aber Pelle ist schon weg. Für fünf Oere Priem von dem laugen," ruft er noch, ehe er zur Tür hineingekommen ist.Aber vom allerbesten, denn es ist für einen Kranken." Er wirft das Geld auf den Tisch und sieht unverschämt aus. Der alte Schiffer Lau richtet sich auf seinen beiden Stöcken auf und reicht ihm den Priem, seine Kiefern gehen wie ein Walzwerk, alle Glieder sind von Gicht gekrümmt. Soll woll für'ne Wöchnerin sein?" fragt er verschmitzt. Pelle bricht den Stil von der Kreidepfeife ab, damit sie nicht in der Tasche durchbrechen soll, entert den Bergungs- dampfer und verschwindet vorne. Nach einer Weile taucht er unter der Kajütenkappe wieder auf mit ein Paar mäch- tigen Secstiefeln und einem Stück Kautabak. Hinter den Dampferschuppen beißt er einen gehörigen Bissen von dem bmunen Cavendishtabak ab und kaut mutig darauf los, er strotzt von Mannesgefühl. Aber dort am Ofen, wo sich die Schiffsplanken krümmen, muß er den Magen umkehren, alle seine inwendigen Teile drängen sich heraus, als wollten sie mit Macht und Gewalt ausprobieren, wie es ist, wenn sie nach außen heraushängen. Er schleppt sich weiter, krank wie ein Hund und mit klopfenden Schläfen: aber irgendwo inwendig in ihm sitzt ein kleines Stückchen Zufriedenheit auch hiermit und wartet nur darauf, daß die schlimmsten Folgen überstan- den sind, um sich in irgendeiner Heldentat zu betätigen. Im übrigen ist der Hafen hier mit seinen Bretterstapeln und Schiffen auf Helling noch ebenso spannend wie damals als er in den Hauspänen lag und herumkroch und Acht auf Lasses Sack gab. Der schwarze Mann mit den beiden kläffenden Hunden ragt noch immer aus dem Dach des Hafen- schuppens empor, das Unbegreifliche ist nur, daß man jemals vor ihm hat bange werden können. Ja, aber Pelle hat es eilig. Er läuft einige Schritte, aber bei dem alten Löschplatz snuß er notwendigerweise Halt machen, denn da stehtdie Kraft" und behaut einige Granitblöcke, kupferbraun von Sonne und Luft. In seinem schönen schwarzen Haar hängen Splitter von dem Stein: Hemd und Leinwandhose, weiter hat er nichts an.�und das Hemd ist von der kräftigen Brust herabgestreift: aber auf dem Rücken liegt es eng an und zeigt das Spiel der Muskeln. Wenn er haut, sagt die Luft tju! und es seufzt ringsherum in Stapeln und Bollwerk. Leule lkommen dahergcstürzt, hemmen in einer gewissen Entfernung ihre Schritte und stehen da und sehen ihn an. Beständig steht da eine kleine Schar und gafft und löst einander ab, so wie vor dem Käfig des Löwen. Es könnte etwas geschehen, einer dieser plötzlichen Ausbrüche, die das Ganze erschüttere und anständigen Leuten einen Schrecken einjagen. Pelle geht ganz an ihn heran. Die Kraft ist ja«See Vater von Jens, dem zweitjüngsten Lehrling. Guten Tag� sagt er unverzagt und geht geradeswegs in den Schatten des Riesen hinein. Aber der Steinhauer schiebt ihn zur; Seite, ohne zu untersuchen, wer es ist und haut weiter, tju, tju. Es ist nachgerade lange her, seit er seine Kräfte ordent­lich gebraucht hat," sagt ein alter Bürger.Ob er zur Ruhe gekommen ist?" Einmal muß er doch ausgerast haben," meint ein an- derer.Die Stadt sollte sehen, daß sie sich Frieden vor ihm schaffte." Und dann gehen sie und auch Pelle muß weiter irgendwo hin, wo ihn niemand sehen kann. .Schuster, tu Fuster, tu Grlltz in den Brei, Prügel auf'n Rücken schmeckt süß. o weih!" Das sind die verdammten Straßenjungen. Pelle ist gär nicht in kriegerischer Laune, er tut so, als suche er sie nicht. Aber sie gehen dicht hinter ihm her und treten ihm in die Hacken. Futti, futti, futti, pfui! Und ehe er sichs versieht, liegt er sich mit ihnen in den Haaren. Er merkt es erst, als er sich im Rinnstein auf dem Rücken wälzt, alle drei über sich. Er ist an dem Kantstein entlanggefallen und kann sich nicht rühren: Matt ist er auch infolge des verdammten Kraft» futters: die beiden Größten breiten ihre Arme über die Pflastersteine aus und prügeln darauf los. der Kleinste darf sich an seinem Gesicht üben. Es ist ein ausgesuchter Hohn, aber alles, was Pelle tun kann, ist, daß er den Kopf vor den Schlägen zur Seite dreht, er hat doch Mitleid mit den ab- scheulichen dicken Wangen. Da taucht in seiner Not ein blendender Anblick vor ihnt auf: dort in dem Torweg steht ein weißer Bäckerjunge und amüsiert sich königlich. Und das ist Nilen, der wunderbare kleine verteufelte Nilen aus seiner Schulzeit, der auf alles losging wie ein Rattenhund und immer mit heiler Haut davon kam. Pelle schließt die Augen und schämt sich, obwohf er recht gut weiß, daß es nur eine Art Offenbarung ist. Aber dann geschieht das Wunderbare, daß die Offen- barung in den Rinnstcn zu ihm hinabsteigt, die Jungen zur Seite schleudert und ihm auf die Beine Hilst. Pelle erkennt diesen Fingergriff wieder, der schon in der Schule wie eisern? Klauen wirkte. Und dann sitzen sie hinter dem Ofen auf Nilens schmutzi- gem Bett.Also, Du bist Schusterfleck geworden?" sagt ev einmal über das andere mitleidig, er selbst sieht verteufelt! flott aus in seinem weißen Anzug, die bloßen Arme über der; nackten Brust gekreuzt. Pelle befindet sich äußerst wohl, er hat eine Crömeschnitte bekommen und findet, daß die Welt immer spannender wird. Nilen priemt männlich und speit auf den Fußboden. Priemst Du? fragt Pelle und beeilt sich, ihm den Blattabak zu schenken. Ja, das tun wir alle, dazu ist man gezwungen, wenn: man des Nachts arbeiten soll." Polle begriff nicht, daß ein Mensch es aushalten konnte,* Tag und Nacht umzukehren. Das tun alle Bäcker in Kopenhagen  , dann können die Leute des Morgens frisches Brot bekommen. Und unser Meister will nun aM versuchen, es hier einzuführen. Aber das kann nicht ein jeder, dazu ist eine Umgestaltung des ganzen Kör- pers nötig. Am schlimmsten ist es um Mitternacht, wenn sich! alles umdreht. Dann kommt es darauf an, auf die Uhr acht zu geben und im selben Augenblick, wo sie zwölf schlägt, halten wir alle den Atem an, dann kann nichts rein oder rauskom­men. Der Meister selbst kann die Nachtwache nicht aushalten« der Priem wird ihm sauer im Mund und er muß ihn auf den Tisch legen. Wenn er dann wieder aufwacht, glaubt er, dasji es eine Rosine ist und wirft ihn in den Teig.   Wie heißt Dein MädchenZ"