»Zu Befehl 1* entgegnete der Schutzmann, nachdem er die Karte gelesen hatte, stand stramm und legte die Hand an den Helm. II. Stark schwankend ginjj Stepan über die Strafe. Er war de- trunken. Von Zeit zu Zert verzog er das Gesicht und bist wie im Schmerz die Zähne zusammen. Eine Dame kam ihm entgegen. Stepan blieb stehen, taumelte gegen einen Zaun und lehnte sich mit dem Rücken daran. Noch- dem er einen Augenblick nachgedacht hatte, nahm er die Mütze vom Kopf und streckte der näher kommenden Dame die Hand ent- gegen. Schenken Sie mir was... um Christi willen... gute Dame... den ganzen Tag... nichts gegessen...* sagte er mit stockender Stimme. Betrunken und bettelt l Hättest Dir lieber Brot kaufen können, statt Branntivein zu trinlen l Hast das Geld zum Branntwein Wohl gefunden? Schäm' Dich doch 1' antwortete die Dame und ging weiter. Man gab mir zu trinken, liebe Dame... Branntwein gab man mir, aber Brot nicht.... Lachten mich blosi aus in der Schenke.... Ging betteln.... Leute sahen, riefen mich ran.... Zieh' Dir", sagen sie,eine Nadel durchs Ohr", sagen sie...mit dem Faden"...Wenn Du durchziehst", sagen sie...werden wir Dir Ivos geben."... Und ich zog duri�... da I Das Ohr blutet noch... Und sie gaben mir em Glas nach dem anderen... zwei Teegläser voll Branntwein.... Mußte trinken... aber zu essen gaben sie nur ein Stückchen Gurke"... sagte Stepan, der Dame beharrlich nachgehend.Schenken Sie, gute Daiue l... Nach dem Branntwein habe ich noch ärgeren Hunger.... Schenken Siel' Wirst Du nun endlich machen, daß Du fortkommst oder nicht? I Ich sagte Dir doch, ich gebe nichts I Wenn Du mich nicht in Nuhe läßt, rufe ich den Schutzmann..." Stepan blieb stehen, kratzte sich den Kopf, setzte die Mütze auf und ging mit ungleichen, schwankenden Schritten auf dem Trottoir weiter. Einem Betrunkenen geben sie nichts... natürlich..." sagte er, mit den Händen gestikulierend.Wozu habe ich nur so viel Branntwein gesoffen?... hätten sie mir lieber ein Stückchen Brot ... aber nein l Ach Gott, ach Goul"... Und dabei, wie zum Posien, rechts und links Läden mit Schinken, gebratenem Geflügel. Würsten, Pasteten usw. in den Schaufenstern 1 Und der Hunger immer stärker und stärker. Nein, einem Betrunkenen gibt man nichts I" entschied er und trat, nachdem er noch eine Weile gestanden und nachgedacht halte, in einen Laden. Hinter dem Ladentisch stand der Besitzer, wohlgenährt wie ein Wildschwein. Schenken Sie'n Stückchen Brot I Hungrig..." sagte Stepan. Raus mit Dir, Du Schnapsbruder I" antwortete das Wild- schwein grob. Seiner selbst nicht bewußt, griff Stepan schnell ein großes Stück Wurst vom Ladentisch und taumelte damit auf die Straße. Halt ihn!" schrie der Besitzer.Halt ihn auf!" Stepan lief schwankend, während er gierig die Wurst und große Stücke, fast ungekaut, hinunter schlang. Halt I Haltet den Dieb!" rief das Wildschwein über die ganze Straße.Ha alt I" Zwei Hausknechte und ein Portier schnitten Stepan den Weg ab. Ein starker Schlag auf den Kopf warf ihn nieder.' Er fiel schwer zu Boden und schlug mit dem Gesicht auf die Steine. Will hier stehlen I" schrie jemand und trat Stepan mit dem Fuß in die Seite. Ein anderer beugte sich schweigend über ihn, hob seinen Kopf an den Haaren in die Höhe und stieß ihn einige Male mit dem Gesicht gegen die Steine. Die Erde rund um den Kopf Stepans begann sich rot zu färben. Nicht schlagen!" wimmerte er. Ein Lehrling aus dem Fleischgcschäft kam angestürzt und fragte: WaS ist hier loS?" Und ohne eine Antwort abzuwarten, schwenkte er seinen leeren Korb und schlug damit auf Stepan los. Wie könnt Ihr Schlingel Euch unterstehen, einen Menichen so gn schlagen?" rief ein feingekleideter Herr im spiegelblanken Zhlinderhut. Er Hat'S verdient I Und IhrenSchlingel" behalten Sie ge- fälligst für sich I" begann der Portier zu zanken. Ein Schutzmann erschien auf der Bildfläche. Hören Sie, Schutzmann... diese Bestien hier treten einen Menschen mit Füßen l" sagte der Herr im Zylinder. »Was geht hier vor?" wandte sich der Schutzmann an die Hausknechte und den Portier.Bitte weiterzugehen, meine Herr- schaftenl" fügte er hinzu. Der Kerl hier hat beim Fleischer eine Wurst gestohlen und wollte damit fortlaufen, stolperte aber, fiel und zerschlug sich den Kopf," erklärte einer der Hausknechte. Zur Wache mit ihm I" entschied der Schutzmann.Und Sie, meine Herrschaften, gehen Sie auseinander!... Gehen Sie doch auseinander, so lange man Sie im guten darum bittet t" Aber diese Menschenschinder gehören auch auf die Wache!' mischte sich der Herr im Zylinder von neuem ein.Ich habe selbst gesehen, wie sie geschlagen haben I So etwas dürfen sie sich doch nicht erlauben I" erzürnte sich der Herr. Und was macht eS Ihnen für Spaß, sich in solche DiebS» geschichten zu mischen?" sagre geringschätzig der Schutzmann. Na, erlauben Sie mal... Ich als Mitglied des Vereins zum Schutz..." Der Herr im Zylinder sprach nicht zu Ende, sondern ging achsel« zuckend weiter. Man hob Stepan auf, zuerst an den Haaren, dann bei den Händen. Er machte noch einen schwachen Versuch sich loszureißen» aber die Stöße einiger Hände und Füße machten ihn schnell zahm. Dann legte man ihn auf den Boden einer Droschke unter die Füße von zwei Hansknechten, wahrscheinlich, damit er nicht herausfallen und Schaden nehmen sollte, und zur Wache. Von der Qualitätsarbeit zur form. (Zur vierten Jahresversammlung des Deutschen Werkbundes .) Als vor vier Jahren eine Schar von Künstlern, Fabrikanten und Kaufleuten sich zusammenschloß, um für eine Ausbreitung der schönen Qualitätsarbeit zu sorgen, war es die dreifache Forderung der Zweckmäßigkeit, der Materialechtheit und der technischen Soli- dität, die man sich aus freiem Entschluß als Gesetz auferlegte. Man darf wohl sagen, daß dieser Wcrkbund(so nannten sich die Alliierten zum Zeichen, daß das Werk sie aneinander bände) ein redliches Teil von dem, was er erstrebte, auch erreicht hat; es geht durch Deutsch - land eine starke Bewegung, die den Schund aus der Produktion tilgen und die Qualität zur alleinigen Herrschaft bringen möchte. Und mit nicht geringerer Energie regt sich überall zum mindesten eine Sehnsucht nach dem Geschmackvollen und dem Schönen. Ge- wiß, Kultur läßt sich nicht von heute auf morgen aus dem Boden stampfen, und das Kapital ist zähe und wehrt sich hartnäckig, ehe es sich unter dem Druck einer höheren Intelligenz wirkliche Werte, nicht nur Gewinste abringen läßt. Immerhin, auch der Skeptische muß sagen, daß das Niveau der deutschen Produktion, daß deren Geschmack um einige Grade gestiegen ist. In bestimmten Ge- werben: etwa in der Möbelindustrie, im Buchgewerbe, in der Textil- industrie ist solcher Fortschritt so offenbar, daß von ihm die Dis- kussion des Tages erfüllt ist. Was nun den besonderen Wert und das Gemeinsame dieser vielfältigen Reformarbcit ausmacht, ist die Tatsache, daß sie sich in ihrer Ganzheit auf das architektonische Prinzip orientiert hält. Man hat das Möbel, aber auch das Buch und das Haus wieder als Architektur begriffen, als etwas, was nach logischer Ucberlegung Teil für Teil gebaut und gefügt sein will. Als etwas, was körperliche und räumliche Funktionen zu er- füllen und dem Rhythmus zu gehorchen hat. Damit stellte sich der Forderung nach Qualität und Schönheit das Formproblem zur Seite. Man erkannte bald, daß es nicht genüge, einen Gegenstand praktisch, gut und schön zu machen, daß es darüber hinaus noch eine größere und reinere Vollkommenheit gebe, nämlich die: daß der Gegenstand, das Buch, das Möbel, das Haus der rhythmische A-uSdruck bestimmter Lcbcnskreise, bestimmter Gefühlszentren und Enrpfindungsarten sei. Dicfe Entwickclung von der Nützlichkeits- thcorie zum Dogma der Form charakterisiert die Jahresversamm­lungen des Deutschen Werkbundcs; sie gab auch der diesjährigen zu Dresden das spezifische Gesicht. M u t h e s i u s, den man mit Recht einen mutigen Pionier der modernen Bewegung im Reiche des Kunstgewerbes und der Architektur nennt, sprach eS in seinem Referat scharf und deutlich aus, daß jetzt die Zeit gekommen wäre, da auf der selbstverständlichen Basis der Zweckmäßigkeit» der Materialcchthcit und der technischen Solidität um die architekto- nische Form für alles, was es an sichtbaren und optisch wertbaren Kulturgütern gibt, gerungen werden muß. Er nutzte diese Ge. legcnhcit, um sich energisch gegen jene Ausbrecher und Spaßmacher zu wenden, die es sich seit vorgestern plötzlich wieder einfallen lassen, statt nach der Form und der architektonischen Wahrheit zu streben, mit tausend Formen und Förmchen ein sthillcrnöss Lügen- spiel zu treiben. Mutheffus hat durchaus recht, wenn er auf die Gefährlichkeit solcher Reaktion, solcher schwächlichen Sehnsüchte nach Stilmeierei rücksichtslos hinweist. Er wird sich dadurch neue Feinde geschaffen haben; aber alle, die mit ihin der Meinung sind» daß die Architektur aus gemeinsamen Lebensverhältnissen empor. wachse und daß, wenn die Lebensverhältnisse zur Kultur reiften, auch eine architektonische Klassik gewiß sei, all diese werden dem kühlen Denker zur Seite stehen in dem Kampf, der noch keineswegs zu Ende ist, der vielleicht jetzt erst recht anhebt, in dem Kampf um die architektonische Form für alles, was den Bedürfnissen des tag. lichcn Lebens dient. Gewiß, es hat seine Bedenken, wenn Theodor Fischer , der süddeutsche Baumeister, der Evrichter virler Landhäu'ser, den Gmindcrsdorfer Arbcitcrkolouie und mancher anderer, einer milden Menschlichkeit dienenden Bauten, in Dresden erklärte, daß er die Architektur nur als Hintergrund begriffen sehen wolle. Solche Bescheidenheit im Dienste des Wenscheg kann leicht mißverstgsden