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weder Kirche noch Staat länger beftehen, da bersinkt alles Heil der Gegenwart und Zukunft in einen bodenlosen Abgrund! Am Rande dieses Abgrundes steht unser Vaterland.

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das viele Arbeiten kommen nach seiner Meinu'fg die Menschen sow dem richtigen Wege ab, weil sie fich keine Zeit mehr nehmen, ihr eigenes Innere ruhevoll zu beschauen und zu einer Klarheit über Dieses verderbliche System ist, in gedruckten Schriften wie in sich selbst zu kommen. Eines der flarsten und faulsten und schönsten öffentlichen Vorträgen, zunächst von zwei Gelehrten ausgegangen, Bücher der Welt, der Grüne Heinrich", fängt mit einem Kapitel: die beide seit ungefähr zwanzig Jahren unter stetem großem Bei- Lob des Herkommens an. Damit ist aber nur jene höhere Art der falle hier öffentlich aufgetreten sind, von den Professoren Fichte Faulheit gemeint, mit der man es in aller Ruje recht weit bringen und Schleiermacher .. fann, wie denn auch sogar ein bekannter und sogar berühmter Dieser Professor Fichte, dessen öffentliche Lehren die wirk- Mann der Gegenwart mir einmal glaubhaft versichert hat, er hätte Jamste Grundlage der Entwickelung dieses gefährlichen Systems ge- es in seinem Leben nicht so weit gebracht, wenn er es nicht ver­wesen sind, war schon im Jahre 1798 als damaliger Lehrer der standen hätte, recht oft und recht lang mit Geist zu faulenzen. Philosophie an der Universität zu Jena , auf den Antrag des Denn etwas Geist muß dabei sein. Otto Erich Hartleben hat diese Dresdner Hofes wegen atheistischer Lehren in Anspruch genommen sublimere Art des Faulenzers einmal in die schönen Verse ges fleidet Bist du einmal recht faul und fühlst dich doch begnadet, So kannst du sicher sein, daß Faulheit dir nicht schadet. In diesem begnadigten Zustand also befinde ich mich zurzeit und wenn diese Mitteilungen auf die Beladenen und Keuchenden und Schwitzenden aufreizend wirken sollten, so ist mein Zweck eigentlich erreicht.

worden.

Er verteidigte sich dagegen in gedruckten Schriften auf eine Weise, die den Grund dieser Anklage gegen ihn nur zu schr be­stätigte und das Gift seiner Lehre desto allgemeiner verbreitete.

Nachdem er demzufolge von dem Lehramte zu Jena entlassen war, wurde er zu unserem großen Unglüd, gleichsam als Entschädigung für die ihm dort widerfahrene Kränkung, nach Er Iangen berufen; ja er erhielt sogar die Aufforderung, anstatt zu Erlangen hier zu Berlin vor einem gemischten Publikum, also in populärer Sprache, seine Lehren vorzutragen.

Von diesen populären Vorlesungen, welche Professor Fichte hier bis zum Jahre 1808 mit steigendem Beifall gehalten hat, schreibt sich die gänzliche Zerstörung der christlich- reli­giösen und moralischen Gesinnung her, die weiter­hin unter einem großen Teile der hiesigen Staatsbeamten, Ge­lehrten und Jugendlehrer zur Erscheinung gekommen ist, indem der feste Glaube an philosophische Allmacht und Allwissenheit des Menschen in deren Stelle trat." Nun wird das religiöse System und das System der deutschen Nationalerziehung, wie es Fichte gelehrt, des breiteren dargestellt. Geiner früheren atheistischen Ansicht getreu, habe er Gott lediglich als eine Abstraktion des Menschen erklärt, und diese Auffassung sogar als die Meinung Christi behauptet. In seinen Reden an die deutsche Nation habe er dargelegt, daß die vorhandene Generation der Menschen durchaus verworfen und verderbt sei, und daß der Grund zum neuen Heil mit der unverdorbenen Jugend durch eine deutsche Nationalerziehung gelegt werden müsse. Fichte habe ferner gelehrt, daß alle echte Bildung in Deutschland vom Bolte aus­gegangen, von Fürsten und Adel gehindert worden sei, daß die deutsche Nation vor allen anderen zur republikanischen Verfassung reif sei. Er habe die bisherige Tendenz der öffentlichen Lehr­anfialten gänzlich verworfen, die Erziehung zur Seligkeit im Himmel: für die Seligkeit im Himmel bedürfe es keiner Bildung, wohl aber bedürfe es sehr der Bildung für das Leben auf der Erde. Diese nationale Erziehung habe auf Stand, Geburt und äußere Bestimmung keine Rücksicht zu nehmen. Sie solle nicht auf Unterwerfung unter die Autorität, sondern auf freie Entwickelung der menschlichen Kräfte gerichtet sein.

Das Faulenzen will gelernt sein, wenn diese Gabe Gottes einem nicht wie mir sozusagen in die Wiege gelegt wurde. Angeb lich wohnt die Freiheit auf den Bergen. Das dürfte eine kleine Täuschung sein, denn ich begegne selbst hier oben verschiedenen ge­strengen Augen des Gesetzes; die den Wald nach Verbrechern ab­suchen, damit die jetzt eintreffenden Sommerfrischler feinen anderen Räubern in die Hände fallen als den gesetzlich fonzessionierten. Aber einerseits ist gewißlich wahr", wie die evangelischen Pastoren in ihren Leichenpredigten sagen: Auf den Bergen wohnt die Faul­heit für jeden, der Sinn für sie hat, nämlich für die Berge sowohl als auch für die Faulheit. Man fann stundenlang auf dem Rücken liegen und in die Wolfen sehen und glauben, man habe nichts gc­dacht, und dabei ist man ganz still zwischen den erhabenen Ge­fühlen und Empfindungen herumgewandelt, oder man kann stunden­lang auf einem Stein siten und die einem anvertrauten Kühe in alle Windrichtungen auseinanderlaufen lassen und meinen, man habe nichts getan, wo doch einem die famosesten Gedanken zur Linderung des Elends der Mitmenschen ins Gehirn schleichen, wie dieser Brief ja deutlich zeigt.

Aber schließlich möchten Sie auch wohl mehr von der Wirklich feit in den Bergen hören. Und da fann ich nur eines sagen: Wir Schwarzwäldler, oder wir, die wir zu Füßen dieses schönsten aller Gebirge der Erde und benachbarter Gestirne wohnen, haben es eigentlich strafwürdig gut. Wir können die ordnungsmäßigen Jahreszeiten nach Wunsch verlängern, wenn wir nur mit einer der vielen fleinen Bahnen einige hundert Meter höher dem Himmel zufahren. So wie wir aus den düstern Novembernebeln hinauf­klettern können in goldige Spätsommertage, so können wir einen verpfuschten Frühling in der Ebene durch einen ausgemacht herr= lichen auf den Bergen torrigieren. So bin ich jetzt, wo es bald Johanni wird, dem Frühling nachgelaufen bis hier herauf in den Solche Auffassungen nennt die Denkschrift der regierenden Be- Hochwald. Am Himmel ist es zwar schon Sommer, aber die Erde rater Friedrich Wilhelms III. grundlose, ja wahrhaft gottlose Be- hält es in diesen Regionen auch etwas mit der Faulheit, kommt hauptungen und Anmutungen". Schließlich wird als der Schüler geruhig hinten nach und weiß, daß sie trotzdem zu ihrer Zeit viet Fichtes Cand, der Mörder Kozebues, bezeichnet, der in seiner Wart- herrlicher ist als die Ebene, die es in allen Dingen viel eiliger hat. burgrede die Gedanken des genannten philosophischen Welt­reformators" entwidelt habe.

Das war denn der höchste Trumpf: Fichte als moralisch ver­antwortlich für das Attentat des jungen Schwärmers, das den Borwand zu der scheußlichen Demagogenhebe gegeben hat. Herr Trott zu Solz sollte sich ja in diese Denkschrift seiner Vorgänger vertiefen, um rechtzeitig davon abzulassen, dem verruchten Um­stürzler zu huldigen. Dann wird er erkennen, wie berechtigt es ist, wenn sich als die Erben der klassischen deutschen Philosophie -die Sozialdemokraten mit Stolz bezeichnen!

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Lob der faulbeit.

Ein Hirtenbrief. Rieber Kollege!

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Glauben Sie nicht, ich sei über Nacht Bischof geworden. Mein Sirtenbrief handelt, wie der Titel zeigt, nicht vom Fasten und Beten. Ich size dreizehnhundert Meter hoch über dem Meere auf einem umgelegten Baumstamm inmitten einer leise grünenden Waldwiese und hüte einem Hirtenbub, der einen Brief vergessen zu haben vorgab, den er dem" Postli" bringen müsse, die vier Mühe, drei Schafe und eine Gais. Und in diefer Situation, die die alten Erzväter und sogar wirkliche Könige das ist allerdings schon ziemlich lange her ihrer nicht für univürdig fanden, dente ich über eines der wichtigsten Probleme der Menschheit nach, über das Recht auf Faulheit. Daß es sich hier um ein sogenanntes Natur. recht handelt, das ist mir ohne weiteres flar. Denn ich habe eine unverdorbene natürliche Neigung dazu, von diesem Rechte stets ausgiebig Gebrauch zu machen. Ich habe nicht nur einen hervor­ragenden Parteischriftsteller, den Genoffen Lafargue in Paris , der ein sehr schönes Büchlein über das Menschenrecht geschrieben hat, zur Seite, sondern auch den verstorbenen großen Tolstoi hinter mir, der fich über das Nichtstun anerkennend ausgesprochen hat. Durch

Zwischen den olivenbraunen Heiden und den letzten weißen Schneeflocken ziehen sich in spangrünen duftigen Strichen die Weidenflächen hin, zwischen den dunklen Tannen, deren Zweige ge rabe mit den Epißen des ersten neuen Triebes fofettieren, lacht das dichtgrüne Laub ungeduldiger Buchen. Da und dort balzen in der Morgen- und Avenddämmerung noch die letzten Auerhähne, beren Liebe die jagdgesetzliche Zeit überdauert und alle Bergblumen von der goldenen Arnika bis zum violetten Wolfsmilchlattich sind bereit, um die keusche Frühlingslandschaft in eine sommerliche Wunderwelt zu verwandeln.

Ich weiß, daß man in unserer jebigen wichtigen Zeit, wo jeden Morgen in allen deutschen Gauen ein neuer Reichstagskandidat das Licht der Welt erblidt, feinen Sinn haben wird für das Treiben meiner faulenzenden Freunde hier oben. Aber von zweien darf ich Intimeres wohl mitteilen.

Waldi, der langhaarige Dachs, ist mit der Zeit alt geworden, ohne seine aristokratischen Manieren irgendwie einzubüßen. Trok­dem er dem Sterben nahe ist, beriecht er noch jeden anderen Hund mit herablafsender Miene, um dann nach dieser Tagierung mit er­hobenem Kopf und aufrecht gestelltem Schwanz in würdigem Schritt sich von der nicht standesgemäß befundenen Hundeperson abzuwenden. Sein Aufenthalt und seine Beschäftigung gleichen auffallend den meinen. Er liegt am liebsten in der Sonne, an­scheinend untätig, aber er ist der geborene Philosoph der Faulheit und wenn dann ein so geschniegelter und gestriegelter Berggigerl an uns vorüber wandert, dann sehen wir uns nur an und verstehen uns. Aber das steptische Herz dieses gerissensten aller Dachse hat noch einmal des Lebens Frühling in sich verspürt. Ich traf ihn jüngst in einer Waldlichtung mit einem erheblich jungen Hunde-= fräulein zusammen

in flagranti jagt man wohl beim Menschen. Doch seien wir nicht indistret. Bald wird er nicht mehr sein und sein Grab mit Mutsch und Frika, den alten Renntieren, die hier oben ihr in Grönland begonnenes Dasein beendeten, teilen. Und über Sterbende und Tote soll man nichts Böses sagen.

Noch mehr in der Maienblüte seiner Sünden befindet sich ein anderer Freund, Jakob der Efel. Der Knecht hatte sich kürzlich ber