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Irrtümlichen Auffassung hingegeben, daß, wenn er den Jakob ein­fach in den Stall jagt, ohne ihn anzubinden und dabei die Stall­türe offen läßt, dieses Langohr nicht auf den Gedanken kommen würde, einmal ganz nach eigenem Geschmack einen Spaziergang im Mondschein zu unternehmen und sich gänzlich den Wonnen un­gebundener Freiheit zu überlassen, was aber mein besagter Freund Sennoch tat. Heute früh wurde mein freiheitsdurstiger Grauer schmerzlich vermißt. Ich war unter denen, die auszogen, diesen Esel zu suchen, wobei es mir erging wie( Saul, als er anstatt des Esels ein Königreich fand. Ich fand im Morgensonnenglanz die Herrlichkeit des hohen Schwarzwaldes im Frühsommer. Ueber den Wäldern und den smaragdgrünen Matten lag ein filbergrauer Morgenduft. Die Wettertannen, die vom Sturm und Regen ge­bleicht sind wie Knochen, glißerten im Frühlicht; die Tautropfen an den schlanken Gräsern gliberten, die kleinen Quellen gliberten und alles war Duft, Glanz und Blinken und Leuchten. Und in dieser Welt der Herrlichkeiten gab sich Jakob dem raffinierten Genuß ausgesuchter Kräuter hin, wälzte sich wollüstig auf dem Rücken und stieß seine Freudenrufe dazu aus, schlug nach vorne und hinten aus und bereitete den Bauern, die seine Freiheit fürzen wollten, erhebliche Schwierigkeiten.

Als er endlich gegen Abend eingebracht wurde, war von Reue auf des Sünders Antlitz nichts zu vermerken. Das ist stets das sichere Kennzeichen der Genialität in der hohen Kunst des Fau­lenzens. Und als wir uns begegneten, blinzelte mich Jakob in seiner verschmitten Weise an, als wollte er sagen: Gehe hin und tue desgleichen wenn Du kannst.

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Ich gebe dieses schöne Wort an Sie, lieber Kollege, weiter, benn es ist das unverbrüchliche Recht jedes lebenden Wesens, von der Urzelle bis zum modernen Europäer, einmal heimlich aus dem Stall durchzubrennen, sich auf dem Rücken zu wälzen und von aus gesuchten Kräutern zu leben und denen, die uns einfangen wollen, die erheblichsten Schwierigkeiten zu bereiten.

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Mit besten Grüßen vom Berge

Ihr

derzeit Begnadeter Schauinsland ".

Kleines Feuilleton.

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Kulturgeschichtliches.

Physikalisches.

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Praktisch ist das Verfahren natürlich nicht gut anwendbar, denn man fann nicht gut verlangen, daß der Reisende in Seide oder far­bigen Stoffen noch ein kleines chemisch- physikalisches zusammenleg bares Laboratorium bei sich führt. Man behilft sich daher immer noch mit den alten veränderlichen Farbensfalen.

Nun lassen sich aber die Farben noch auf andere Weise her­stellen, und zwar durch Zerlegung des weißen Lichtes in seine ein zelfarbigen Bestandteile. Entwerfen wir auf diese Weise ein Spek­trum, ein Regenbogenband, wie es uns jedes Glasprisma liefert, das an den alten Petroleumkronen aus der Guten Stube" dem spärlichen Petroleumlicht Leben verlich, so befinden sich darin alle Farben, die sich überhaupt nur denken lassen. Doch auch dieses Mittel bleibt praktisch unbrauchbar, weil die Menge der ineinander überfließenden Farbentöne gestört und die einzelfarbigen Bestands teile nicht unterschiedlich genug heraustreten lassen. Ein biertes Mittel liefert die Polarisation des Lichtes. Einige lichtdurchlässige flare Substanzen, wie z. B. der Kalkspat, haben die Eigenschaft, einfallendes Licht unter gewöhnlichen Umständen in doppelter Weise zu zerlegen( Doppelbrechung) und durch geeignet zusammengesetzte Prismen aus diesen Substanzen( Nivolsche Pris men) polarisiertes Licht herzustellen. Mit Hilfe zweier solcher Priss wen, zwischen die man eine dünne Platte, z. B. aus Quarz ein. schiebt, fann man nun eigentümliche Farbenerscheinungen hervor rufen, die man chromatische Polarisation nennt. Man kann diese Farben aus zivei farbigen Kreisflächen in die Erscheinung treten lassen, die sich zum Teil überdecken. Die farbigen Kreisflächen haben immer sogenannte komplementäre Farben, d. h. solche, die sich ge misch: wenigstens annähernd zu Weiß ergänzen. Wo sie sich über­decken, sieht man also stets einen weißen Fleck, der bestehen bleibt, welches auch die einzelnen Streisfarben sein mögen. Durch Drehen eines der Nicolschen Prismen kann man den beiden Kreisflächen nun die verschiedenartigsten Farben erteilen, und zwar durch all­mähliche Drehung alle möglichen. Diese Farben sind aber durch die Drehung eindeutig bestimmt, so daß man die Farbenbezeichnung einfach durch das Maß der Winkeldrehung ersehen kann, die sich zahlenmäßig ausbrüden läßt.

Warum das so ist, läßtsich hier und ohne flärende Zeichnungen und Bilder nicht in Kürze erläutern. Man kann aber wohl ein­sehen, daß auf diese Weise ein Mittel gegeben ist, durch Zahlen Farben zu bezeichnen. Dieses längst bekannte Prinzip hat Dr. Leo Arons aufgegriffen und zu einem praktischen Apparate umgestaltet, den er auf der vierten Tagung des deutschen Werkbundes vorführte. von Zeitungsberichterstattern ist dieses Chromoskop als eine neue Erfindung bezeichnet worden. Das ist sie in der Tat nicht, was allerdings ihrem Weste als praktisch brauchbare Konstruktion nicht den geringsten Abbruch und Eintrag tut.

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Aus dem Tierreiche.

F. L.

Etwas vom Strumpfe. Der Strumpf war ursprünglich nichts weniger als unser Strumpf. In der aus dem 15. Jahr Hundert stammenden Straßburger Chronit Königshofens heißt es ( 249,3): Do erflug Palamedes den fünig Sapedonem und stach Diefebum mit eime sper, das es( mhd. daz sper) brach und der Strumpf in ime bleip( blieb)."" Strumpf" bezeichnet hier also das Endstück der Waffe und ist wesensgleich mit Stumpf. So steht es Die Kudud Frage. Der Rudud mit seinem lustig durch besonders auch als Bezeichnung für das Stammende eines ab- Sen Wald schallenden Ruf ist gewiß ein Liebling aller Menschen, gehauenen Baumes, wie denn auch die ältere Formel nicht mit und schon die Kinder pflegen ihn zu einem heiteren Frage- und Stumpf", sondern mit Strumpf und Stiel" lautete. In einzelnen Antwortspiel zu gebrauchen. Auf der anderen Seite aber werden Gegenden lautet sie noch heute so. Wenn ferner Luther fagt:" Das diesem Vogel allerhand Schändlichkeiten nachgesagt, unter denen die Hebt( Haupt) habt hr verlorn, wie fein hupft hhr mit strumphen Geschichte vom Kuckucksei am bekanntesten ist. Wahrscheinlich glaubt umbher", so ist unter dem Strumpfe hier der Rumpf eines Körpers, alle Welt deshalb daran, weil sie schon seit Jahrtausenden immer das obere Leibesende zu verstehen. Strumpf bedeutete somit oft wieder erzählt worden ist. Auch im alten Aristoteles findet sich Stumpf, meist aber Stumpf, also das Ende, und in diesem Sinne die Anklage gegen den Kuckuck, daß er seine Gier in fremde Nester übertrug man es endlich auch auf das Ende der Hose. Ur- lege. Die neuen Naturforscher haben hauptsächlich vier Kuckuck­sprünglich umfaßte die mittelalterliche Hose die Füße mit; als man fragen aufgestellt: Warum bauen die Kududs fein eigenes Nest? sie dann aber im 16. Jahrhundert am Senie aufhören ließ, nannte Auf welche Weise bringen sie ihre Eier in die fremden Nester? man auch den Hosenrumpf Strumpf; erst als man dann zur Um- Wie entsteht der Wechsel in der Farbe der Eier und die mehr hüllung des durch die Hosenänderung frei gewordenen Beinstückes oder weniger vollkommene Aehnlichkeit mit den Eiern des zum ein besonderes Sleidungsstück schuf, bezeichnete man auch dieses als Pflegebater ausgewählten Vogels? Wie endlich vollzieht sich Strumpf. So also entstand unser Strumpf. das Verhängnis an den angestammten Nachkommen der Pflege­eltern? Der Grund, warum der Kuckuck bei der Aufzucht seiner Jungen fremde Hilfe in Anspruch nimmt, ist wahrscheinlich darin zu erblicken, daß er zu knappe Zeit in der Gegend seines Frühjahrs­aufenthalts verweilt, um eine regelrechte Brütezeit abhalten zu fönnen. Zum mindesten würden die jungen Kududs nicht ihre voll­ständige Selbständigkeit unter der Aufsicht der Eltern erlangen, wenn deren Frist wie gewöhnlich auf faum drei Monate bemessen ist. Dazu kommt, daß ein junger Kuckuck einen ungewöhnlich großen Appetit zu haben pflegt, so daß vielleicht die eigenen Eltern aus Erfahrung es als unmöglich befunden haben, einem ganzen Gelege gleichzeitig die ewig hungrigen Mäuler zu stopfen. Diese Gründe nehmen sich sehr wahrscheinlich aus und es ist wohl mehr eine Grübelci, nach anderen fuchen und zum Beispiel annehmen zu wollen, daß die Kuckucks, die früher ebenso gute Eltern gewesen feien als andere Vögel, sich durch ihre vielen Feinde, die ihnen ihr Nest zerstörten und ihre Jungen raubten, gezwungen gesehen hätten, ihre Eier in fremde Nester einzuschmuggeln. Man weiß auch erst seit kurzer Zeit, daß der Kuckuckt seine Eier auf die Erde legt und dann im Schnabel in das fremde Nest trägt. Daß der junge Studud selbst, nicht etwa die Pflegeeltern, feine Freßkollegen aus dem Nest zu befördern sucht und damit auch meist zustande kommt, ist wohl mehr ein etwas massiv ausgeprägter Erhaltungstrieb als eine Abneigung gegen die Sprößlinge anderer Art. Man hat nämlich beobachtet, daß zwischen zwei jungen Kuducks sich derfelbe Kampf um das Futter und um den alleinigen Besitz des Nestes entspinnt.

Arons Chromoskop. Trotz der außerordentlichen Wichtigkeit, die die Farben in unserem heutigen Kulturleben spielen, haben wir doch bislang noch kein zuverlässiges Mittel oder Heine Skala, die einen Vergleich im Praktischen ermöglicht. Will man heute bestimmte Farben bezeichnen, so muß man sich einer Stala gefärbter Stoffe bedienen. Das ist aber ein sehr un­zuverlässiges Hilfsmittel, denn Farben bleichen namentlich durch Lichtzutritt aus und schon die geringste Veränderung genügt, um die ganze Skala in ihrem Werte illusorisch zu machen.

Nun fann man ja Farben durchaus eindeutig bezeichnen. Wir wissen, daß die Farbe als Lichterscheinung weiter nichts ist als eben Richt bestimmter Wellenlänge. Licht ist bekanntlich eine Form der Bewegung, eine Form der Weltätherschwingung, wie unsere heutige Physik sagt. Und die Farben unterscheiden sich in nichts als in der Geschwindigkeit der sie in unserm Auge verursachenden Aether­schwingungen und damit in ihren Wellenlängen. Eine Farbe ist mithin völlig und eindeutig bestimmt durch die Angabe ihrer Licht­wellenlänge. Diese Bestimmung ist so präzise und läßt sich wissen­schaftlich so genau reproduzieren, daß man sogar ernstlich ins Auge gefaßt hat, unsere Längenmaße ein für allemal unveränderlich genau und stets wieder absolut präzise reproduzierbar durch die Bellenlänge einer bestimmten als Norm festgefeßten Lichtart zu Bestimmten, z. B. des Lichtes, das unabänderlich durch die Natrium­flamme hervorgerufen wird.

Verantwortl. Redakteur: Albert Wachs, Berlin . Druk u. Verlag: VorwärtsBuchdruckerei u.Verlagsanstalt Pack Singer& Co., Berlin SW,