suchen daher triviale Künstler, und mir weite, kräftige Seelen liebenfreie, starke Kunst.Bisher haben wir vornehmlich an individuelle Verhältnisse ge-dacht. Es wäre aber im höchsten Grade seltsam, wenn die der-schiedenen Erfahrungen und Anschauungen nicht sozial für die Mög-lichkeit der Einfühlung von Bedeutuug wären. Oder man müßtedie durch nichts gerechtfertigte, aber durch alles widerlegte Voraus-setzung machen, daß die Kunst eine Dämmerstimmung schafft, in deralle sozialen Unterschiede gleich grau werden.Warum schafft denn überhaupt ein Künstler? Ist es der reineDrang nach Gestaltungen, der ihn treibt ohne Rücksicht aufdas Echo seiner Mitwelt? Ganz abgesehen von den bürger-lichen Künstlern, die schaffen, um nicht zu hungern, weil imkapitalistischen Zeitalter die Kunst zum Gewerbe werden muß, ist.stets diese Wirkung sauf Hörer und Beschauer) keineswegs zufälligund unwesentlich, sondern sie ist von dem Künstler beabsichtigt. DerKünstler arbeitet nicht nur für sich, sondern auch für andere; undwenn man auch nicht sagen kann, daß das ästhetische Schaffen alleinaus der Absicht, auf andere zu wirken, hervorgeht, so wird esdoch in seiner Form und Richtung wesentlich durchdie Rücksicht aus das Publikum bestimmt; freilich nichtsowohl auf das Publikum, wie es ist, als auf das Publikum, wieeS sich der Künstler vorstellt"'(Grosse, Anfänge der Kunst). Nunkann ein Botokude sich sein Publikum natürlich nicht anders als inGestalt von Botokuden vorstellen, und ein Bourgeois nur alsBourgeoisleute. Daß der Künstler unter UinstckNden dem Publikumdie menschen-, vielmehr bourgeoismöglichste Reinheit anheften möchte,spricht nicht dagegen IDiese Abhängigkeit des Schaffenden und seiner Werke von derRasse, der allgemeinen Kulturentwickelung wird von allen zugegeben�).»Immer aber bleibt... das individuelle Wirken auf den Spiel«räum beschränkt, in dem sich die Ideen der Zeit bewegen, weildie Reize und Motive, die der Phantasie deseinzelnen zufließen, immer wieder jenem An-{chauungskreis angehören, der den herrschenden Stil-ormen ihr künstlerisches Gepräge verleiht."(Wundt, Völker«Psychologie Bd. 3.)„Mag darum noch so sehr das einzelne Kunst-werk namentlich auf den höheren Stufen der Kunstentwickelung zurpsychologischen Vertiefung in die individuelle Eigenart seinesSchöpfers herausfordern, in der Gesamtheit seiner Bedingung läßtes sich doch nur aus dem allgemeineren geistigen Zusammenhangheraus verstehen, dem es entstammt."(Ebenda.)Schon nach bürgerlicher Auffassung kann daher die Kunst nicht»dietiefe und klare Widerspiegelung des Lebens, wie es ist", sein,sondern nur, wie es ein Künstler mit den Augen seiner Zeit sieht.Daß aber Proletarier und Bourgeois die Welt mit ganz ver-schiedenen Augen sehen, gehörte bisher auf allen Gebieten derIdeologie zu den steinharten Wahrheiten des Proletariats. Auchwo beide die gleichen Worte gebrauchen, sind doch die Begriffe meistverschieden. Der Proletarier kann nicht sich selbst„einfach alsMenschen" mit den gleichen Augen wie der Bourgeois betrachten.Und so lange Klassengegensätze bestehen, wird es auch keindrittes Reich geben, in dem sich Mitglieder verschiedener Klassenfriedlich begegnen und einander ihr Herz aufschließen. Und selbstwenn heute jemand kraft seines psychologischen Spürsinns sich indie Seele jedes Nebenmenschen hineinzusetzen vermöchte— daßdies nach aller Literatur beflissenen Meinung das eigentlicheWesen des Dichters ausmacht, ist eine allzu kühne Behauptung—,fo würde bestenfalls eine gute Psychologie der fremden Klasse heraus-kommen, nie und nimmer aber ein Kunstwerk, das die gezeichneteKlasse ästhetisch bestiedigen würde. Der Klasseninstinkt der Bour-geoisie arbeitet denn auch prompt genug und lehnt selbst die bestenProdukte prolewrischen Kunstschaffens ab. Bon den Aestheten, diein allen Welten zu Hause zu sein glauben, sehen wir hier ab.Auch wo das Proletariat vom»Reinmenschlichen" redet, verbindetes mit diesem Wort doch einen ganz anderen Inhalt als dasBürgertum. Ueberall, wo der bürgerliche Dichter seinen Mund auf«tut, spricht die Bourgeoisie aus ihm. Seine Phantastereien,seine Weltabgewandtheit dienen gerade als Beweis, und vonunseren Kritikern ist Hundertemal diese oder jene künstlerischeStrömung als Produkt ihrer gesellschaftlichen Verfassung analysiertworden.Wenn uns nun wieder entgegengehalten worden ist,„der Dichterist eben kein Bourgeois, sondern ein-- Dichter", so steht dieserSatz auf der gleichen Höhe sozialer Erkenntnis wie der:„einTischler ist kein Proletarier, sondern ein-- Tischler". Natürlich ist ein Tischler eben Tischler, aber ist er darumweniger oder gar nicht Proletarier? Der Wert der sozialenKategorien Proletarier, Zunfthandwerker und Unternehmerliegt doch in ganz anderer Richtung, als den tiefgründigen Unter-schied zwischen guten und schlechten Tischlern aufzudecken. Natürlichkann ein gut klassenbewußter Proletarier ein schlechter Musikant sein.Dadurch wird aber ein begabter bürgerlicher Opcrettenschreiber, dessenWerke die des schlechten Musikanten weit an Originalität und voll-endeter Form übertreffen, nicht ohne weiteres zum lünstlerischenFührer des Proletariats, nach dessen Klarinette nun zu tanzen wäre") Man entschuldige die dielen Zitate. Wir müssen aber not-gedrungen bürgerliche Autoren heranziehen, um den„objektivenMerkmale«", die selbst jene fallen gelassen haben, auf den Leib zurücken,und in dessen Träumereien man sich mit verlieren müßte.Ebenso wie das Proletariat nach den Broschüren greift,in� denen ihm zuweilen in schlechtem Deutsch und äugen»kränkendem Druck seine Wahrheiten geboten werden, trotzdem bessereStilisten in schönerer Aufmachung bürgerliche Weisheiten verzapfen,wird es auch mit zunehmendem Selbstbewußtsein die Bourgeoisie-Kunst entbehren können. Die Kunst ist nun zwar nicht immer ver»kaufsfertige Ware, sie ist aber stets eine Ideologie, die wie jedeandere den Gesetzen des sozialen Kampfes unterworfen ist. Dertiefe Schnitt des Klassenkampfes trennt auch den goldenen Scheinder Träume. Die Arbeit der Bildungsausschüsse ist mit dazu berufen, denspezifischen Geist des Proletariats im ästhetischen Genuß zur Geltung undKlärung zu bringen. Wenn das nicht ihre Aufgabe sein sollte,könnte man ja z. B. einfach die Jugcndschriftenverzeichnisse derLehrer übernehmen, die sich redlich ernste Mühe geben, und brauchtenicht eigene zusammenzustellen. Daß aber selbst die besten Kräfteund die ernsteste Arbeit uns nicht genug zu tun vermögen, beweisteben den Wert spezifischer Klassenbildung für den Aufstieg desProletariats mit Einschluß der ästhetischen Bildung.Ist es bei der Charakterisierung des Wertes des Klasseninstinktesals soziale Erscheinung wirklich noch nötig, darauf hinzuweisen,daß für den einzelnen Proletarier angeborene Fähigkeit,Studium, Erfahrung, kurz künstlerisches Verständnis zttM ästhetsichetiRichteramt notwendig ist? Wie es innerhalb der proletarischen Kunstschlechte und gute Werke gibt, so treffen wir unter den einzelnenProletariern genußfähige und künstlerischem Empfinden abgeneigteKöpfe. Aber gilt dieser Unterschied nicht genau so für daStheoretische Verständnis, für die praktische Tätigkeit? Ist es darumje einem Marxisten eingefallen, den wesentlichen Abgrund zwischenproletarischer und bürgerlicher Wissenschast, sozialistischer undkapitalistischer Politik zu leugnen, zu überbrücken? Wohl gibt eSauch auf theoretischem Gebiet weite Strecken, die nur aus Mangelan Arbeitskräften unbebaut gelassen werden müssen, wo wir unSauf bürgerliche Resultate stützen; wohl ersehnen wir Lebensformenund Freudengüter, die nur im sozialistischen Gesellschaftszustand ver»wirklicht werden können und begnügen uns bis dahin mit bürgerlichgeformten— aber wer wiese dabei nicht stets auf die Mängel diese»Surrogate hin? Wer verschwiege deshalb das Unbehagen bei solche»Aneignung und ließe sich Forderungen, Urteile nicht durch di»spezifisch sozialistischen Grundsätze bestimmen? Es wäre töricht, sichängstlich an die Reste einer fremden Geisteskultur zu klammern, sicherzwungen ästhetisch einzustellen, sich mit Anstrengung einzufühlen.Denn unweigerlich„beginnt ein Stil in dem Moment zu verfallen�wo die Ideen, aus denen er hervorging, ihre Wirksamkeit ein»gebüßt haben, und wo nun die überlieferten Formennur noch während einer gewissen Zeit durch äußerlichsNachahmung erhalten bleiben. Ein neuer Stil tritt aber anfeine Stelle, wenn neue Ideen nach künstlerischen Ausdruck ringen".(Wundt.) Historisches Interesse nach alten künstlerischem Formen wirdan die Stelle ästhetischen Genusses treten und die neuen Inhalt»werden neue lebensfähigere Gestaltungen hervorbringen.rNaiidrui! nervoten.ZBei den beulenden Derwifeben.Von Felix Poppenberg.Auf der langen hölzernen Brücke, die von Pera nach Stambuk,aus der häßlichen pseudomodernen Mischlingsstadt, in das alt»Vyzanz mit Kuppeln und pfeilspitzigen Minaretten führt, flutet eS,wie über London Bridge von wallenden Massen, doch bunt phan-tastischer, in der Mummenschanz-Staffage orientalischer Wächte»hindurch, die den Brückenzoll erheben: athletische Hamals, Last-!träger mit ihrer Lederbuckclhucke voll hochgetürmter Lasten, zwei»beinige Möbelwagen; oder zu vieren, an federnden Stangen mäch»tige Fässer schleppend, Wasser- und Limonadenverkäufer mitblanken Mcssingfontänen, Feigen- und Dattelhändler, Soldaten inLammfellmützen mit englischen Wickelgamaschen, verhüllte Frauenin schwarzem, grünem, braunem Tschafschal, dem dominoähnlichenGewand und der Schleierportiere; elegante Wagen mit riesigenCavassen in roter, goldstarrender Uniform auf dem Bock, und imFond vornehme Türken in Diplomatendreß, Gehrock, weißen Ga»maschen, Monokel, dazu der frisch gebügelte Fez; Karren von dräu»end schwarzen schwerwandelnden Büffeln gezogen; Pera-Damenin Pariser Hüten, blinde Bettler, die mit klopfendem Stock sichvorwärtstasten, ernste, priesterlich aussehende Männer, groß, gelb»färben, mit schwarzen Vollbärtcn, langem Kaftan und dem grüner«Turban, dem Zeichen der Mekkapilgerschaft, und plötzlich auf�tauchend eine Schar junger halbnackter Läufer in buntblumigen,auf der Brust offenen Hemden, mit einem Stabführer an denSpitze; sie tragen auf ihrer Schulter eine Maschine, die von weitemeinem Nargileh gleicht. Es ist ein kleiner Hydrant, und die Truppsist die Feuerwehr. Unpraktisch, aber dekorativ wie ein Reinhardt»scher Jünglingsreigen.Vom Morgen bis zum Abend strömt es auf und ab zwischenden zwei Reichen und dies ist der erste Eindruck, wenn man mitdem Nordloydschiff hier ankommt, doch zum dritten Reich führtjkeine Brücke. Drüben, durch den Bosporus geschieden, liegt Asien«liegt Skutari, streng in sich bewahrt, abgeschlossen von allen Ne«»«rungen.