Am dritten Tage sah er viel besser avS; ich glaubte, jetzt wäre er gesund. Er sagte, er müßte mit mir sprechen. Du könntest den Karre» verkaufen/ sagte er,vierzig Franken kriegst Du immerbin dafür, und auch die drei Korb Werkzeuge. Und dann geh heim, Du weißt, wir haben noch unser Haus im Dorf, und zu Hause ist's doch besser als allein in der Fremde" Ich konnte nicht verstehen, weshalb er so zu mir redete, weil ich geglaubt hatte, er wäre wieder gesund. Aber schon hatte ihn der Tod gezeichnet, sein Kopf fiel zurück, und als ich seine Hand berührte, war sie eiskalt. Da überkam mich ein tiefer Kummer. Ich hatte nicht gewußt, ob er mich lieb hatte, oder ob ich ihn lieb habe, wir waren nur zusammen und ich fragte nicht danach. Aber plötzlich fühlte ich eine große Liebe zu ihm in meinem Herzen und wußte auch, daß er mich ebenso lieb gehabt. Nun war er tot und ich war ganz allein. Dann haben sie ihn begraben. Ich hatte ein bißchen Geld und verdingte mich als Magd. Und dann? Sechs Jahre diente ich dort, war immer allein und brauchte auch keinen. Und dann kam einer. Als der gegangen war, ein anderer. Ich wars zufrieden. Die Burschen waren mein einziges Vergnügen. Dan» hat man mich aus dem Dienst gejagt. Da fiel mir ein, daß wir eine Hütte beim Dorf haben und daß mein Vater gesagt hatte:Dann bist Du doch zu Hause" und da ich nicht immer in der Fremde und unter fremden Leuten sein wollte, ging ich heim. Im Dorf haben sie hinter mir hergelacht und mit Fingern auf mich gezeigt. Und doch habe ich die Nägel aus meiner Haustür und dem Fensterladen herausgezogen und das Sonnenlicht herein- kommen lassen, und geputzt und gefegt und den Garten gepflanzt und mein Strohlager zurechl gemacht. Jetzt geht mirs gut. Daß sie mich besuchen kommen: ists meine Schuld? Habe ich sie gerufen? Aber fortgeschickt habe ich sie auch nicht. Und wen» ich anfange, alt zu Werden, wirds doch nicht mehr gehn". Das klang so resigniert Aber wenn man sie fragte, ob sie glücklich oder unglücklich wäre: sie würde es nicht verstehen. Sie ist das geworden, was man aus ihr gemacht hat und kann nicht anders.Die lange Alice" ist sie. (Berechtigte Uebersetzung von V. Meyer.) Kurth und Proletariat/) Der auf einem Knnstlerabend des Stuttgarter   Bildung?- onslchusseS gehaltene Vortrag erschien Anfang dieses Jahres in der Beilage derGleichheit" und liegt nun als Hestausgabe bereits in zweiter Auflage vor. Allein die schnelle Verbreitung wäre ein Be- weis, daß wir eS nicht mit einem üblichen Vortrag von EintagS- dauer zu tun haben. Eine kurze Wiedergabe des Inhalts wird das bestätigen. Die Frage, ob die Kunst überhaupt gesellschaftliche Berechtigung habe und die Menschheitsentwickelung fördere, ist in Zeiten, wo eine alte gesellschaftliche Ordnung im Sterben lag, verneint worden. Tat- sächlich gehört die Kunst aber zu den urwüchsigen geistigen Lebens- äußerungcn der Menschheit. So bald der Mensch als soziales Wesen besteht, treibt der künstlerische Schöpsungsdrang zu Gestaltungen. Ein leidenschaftliches Begehren nach künstlerischem Geiiießen und Schaffen ist daher zu allen Zeiten auch in den unter- drückten Klassen lebendig gewesen. So lange aber die beherrschten Klassen sich nicht ihres Gegensatzes zu den herrschenden bewußt sind, nähren sie sich mit der Kunst ihrer Herren. Erst wenn sie als rebellierende Klasse einen eigenen geistigen Lebensinhalt bekommen, wird ihr Einfluß auf das künstlerische Kulturerbe zu einem selbst- ständigen. Auch das weltgeschichtliche Ringen des Proletariats geht nicht nach Füllung dcS Magens allein, sondern um das ganze Kulturerbe der Menschheit. Sobald es an den Toren der kapi- talistischen Trutzburg rüttelt, muß es sich aber mit seinem eigenen Kunst lehnen und der Kunst unserer Zeit aus- einander setzen. In der Kunst der Bourgeoisie findet da? erwachte Proletariat kein Genüge. Obwohl die bürgerlichen Künstler die feudalistischen Fesseln mit zu lösen versuchten, ging die kaum gewonnene Freiheil in der Ordnung der kapitalistischen   Warenproduktion nnter. Auch die Kunst unterliegt den ehernen Gesetzen eben dieser Warenproduktion. Der heutige Staat, der selbst das Geschöpf der besitzenden Minderheit ist, kann dieser Misere nicht steuern. Erst wenn die Klassengegensätze aufgehoben sein werden, wird auch die Kunst befreit werden. Dies Werk wird mehr be- deuten als eine Erlösung des Alte». Bis der Inhalt des prole- tarischen Klassenkampfes sich keineswegs in wirtjchastlichen und politischen Forderungen erschöpft, bahnt das Proletariat neuen künstlerischen Entwickelungsmöglichkeiten die Wege. Der proletarische Klassenkampf wird zum Träger neuer geistiger und sittlicher Schule, ein neues eigenes kulturelles Leben beginnt unter den Enterbten emporzublüben... Geschieht dies, so ist es aber der eigene höchste historische Wesensinhalt seiner Klasse, die der Proletarier lünstlerisch unigeformt nachempfinden, den er künstlerisch selbst erschaffen will." Der Naturalismus, die kleinbürgerlichen Ideen der Heimatkunst, der Neumystizismus der Bourgeoisie-Kunst genügen dem Proletariat nicht; es sehnt sich nach Kunstwerken, denen die sozialistische Weltanschauung Seele verleiht. *) Klara Zetkin  , Kniist und Proletariat. Stuttgart   1S11, 2. Aufl. Verlag dcS Bildungsausschuffes. IQ Seiten. 30 Pf. Es will selbst kunstschöpferisch sein. Die Vorbilder wird t§ dabei in der Bliitezeit frührer EntWickelung suchen..Seine Kunst wird die Fortbildung der großen, klaisiickien, bürgerlichen Kunst sein." Die heiß ersehnte Renaissance der Kunst ist aber erst in der sozialistischen   Gesellschaft möglich. Bis dahin gilt es. Kunstempfinden und Klmfiverständnis zu wecken, dessen feste Grundlage der Sozialismus als Weltschauung bilden muß; nicht blindes, kritilloses Anempfinden und Anbeten bürgerlicher Kunst zu Pflegen. Mit der Tendenz der Gedankengänge, denen wir uns fast wörtlich angeschlossen haben, stimmen wir vollkommen überein. Nur hätten wir hin und wieder etwas anders nuanciert. Die Kunst ist bei primitiven Völkern nicht nur Ausdrucksmittel als solches. Bei ihnen und auch bei kultivierten Rationen hat die Kunst eine eminent praktische Bedeutung als Stärkung des sozialen Zusammenhanges. Vom Standpunkt der modernen Wissenschaft erschiene es völlig undenkbar,daß eine Funktion(die Kunst), für welche eine so gewaltige Kraftmenge aufgewendet wird, für die Er- Haltung und die EntWickelung des sozialen Organismus gleichgültig sein sollte"(Große, Anfänge der Kunst). Die Kunst ist stet« ein Mittel des Klassenkampfes gewesen, genau so wie irgend eine anders Ideologie. Bei schärferer Betonung dieses Gedankens wären die Künstler in der Zeit des Kapitalismus nicht nur als persönlich Leidende gezeichnet worden, die nach Brot geben, gehen müssen. Selbst wenn der Kapitalismus nicht Strebende, Hungernde zerträte, selbst wenn der Künstler von einem kleinen Kreis von Kunst- verständigen erhalten würde und nicht auf kulturlose und halb- gebildete Bourgeois angewiesen wäre, unterläge er doch der Fron des Kapitals und der Enge der bürgerlichen Ideologie. Dem Proletariat ist nicht nur der Leichengeruch des heutigen Kapitalismus unangenehm, es wird sich auch immer weniger an dem süßen Gift- hauch des Kapitalismus in seiner ersten Blüte berauschen. Damit kommen wir zur dritten Einschränkung.«Jede emporstrebende Klasse sucht ihre künstlerischen Vorbilder aus den Höhepunkren der früheren Entwickelung" sagt Genossin Zetkin  . Selbst wenn der Satz für die Vergangenheit richtig wäre, bewiese er noch nichts für die Zukunft. Proletariat und Bourgeoisie stehen sich ferner als die Ueber- menschen der Renaissance und die Sklavenhalter der Antike. Nun gehört aber die bewußt unternommene Anknüpfung zur Dialektik der Ideologie. Historische Forschungen des letzten Jahr- zehnls beweisen, daß die.Renaissance" nichts ist als der Ausdruck einer ganz neuen Lebensanschauung und Lebensweise, die durchaus bodenständig in Südsrankreich und Italien   erwachsen ist. Man hat daher den NamenRenaissance"(Wiedergeburt) verworfen und Naissance"(Neuschövsung) dafür vorgeschlagen. Daß die deutsche klaifische Kunst an die Amike und die Renaissance anknüpft, ist eher richtig. Aber gerade die Werte Goethes und Schiller», die dem Proletariat noch heute verständlich find und es lünstlerisch mitzuziehen vermögen, sind vor derklassischen" Periode der beiden Dichter entstanden. Für die bildende Kunst versagt der analoge Schluß vollkommen und für außer- deutsche Gebiete ganz allgemein ebenso(Shakespeare   z. B.). Das Proletariat werdeErbe" der bürgerlichen Kunst sein, darf daher nur im Sinne deS auch von Genossin Zetkin angesührten Wortes von Engels hingenommen werden: das Proletarial wird die Aufgaben übernehmen, die einst das Bürgertum mit seiner Philo- sophie löste, wobei eS dann gar leicht kommen kann, daß eS der Philosophie, wie geschehen, überhaupt den Garaus macht. So wird es der Kunst an sich wohl nicht gehen; aber töricht wäre eS, auf den Tag der sozialen Befreiung zu warten, an dem bürgerliche Künstler, und seien sie noch so genial und ihr Dasein noch so eingeengt gewesen, ihre fröhliche Urständfciern werden. Mehr als historiiches Interesse wird ihnen nicht beschieden sein. Daß Genossin Zetkin   in begeisternder und klangreicher Sprache die Sehn- sucht nach neuen Formen und Inhalten weckt, daß sie die Klärung unserer lünstlerischen Bildungsarbeit durch die Grundsätze der sozialistischen   Anschauung fordert, macht ihr Schriflchen wertvoll. Besonders unseren jugendlichen Proletariern sei eS warm empfohlen. Kleines f euilletom Auf der Suche nach cincm sngeuhaften Tier. Wenn die Zoologen noch vor wenigen Jahren in dem Glauben befangen waren, daß wenigstens alle großen Tiere auf der Erde den Menschen schon be- kannr geworden und zum größten Teil auch schon von der Wissen» schaft erforscht seien, so sind sie seitdem eines besseren belehrt worden. Namentlich hat die Entdeckung deS schnell berühmt ge­wordenen Okapi im Innern Afrikas   gezeigt, daß selbst große Säuge- tiere noch aufzufinden sind. Seitdem hat sich die zoologische Forschung mit besonderem Eifer auf Jnnerafrika geworfen, und ancv Leute, die mehr um der Jagdlust willen ausztehrn, haben eine dankbare Aufgabe gerade im schwarzen Erdteil gefunden. So viele interessante Erwerbungen nun auch auf diesem Wege, namentlich für die Museen, gemacht worden sind, ist es doch fraglich geworden, ob die Ueberraschimg. vie das Okapi gebracht hat, nicht vereinzelt bleiben wird. Große Säuge- tiere sind scirdem nicht gefunden morden und stehen auch nicht in Ausficht, wenn man nicht die Nachrichten von eigenartigen, meist in Seen lebenden Ungeheuern berücksichtigen will, wie sie zuweilen von Reisenden nach Angaben der Eingeborenen mitgebracht loerden. Eine etwas sicherere Grundlage könnte die Vermutung haben, die Dr.