Aber Mana sah ihn mit einem Ausdruck an, genau sotvic Jeppe, wenn er jemanden von seinem Bürgergeist ausrichtete.„Aber Pellet schämst Du Dich denn gar nicht? Sodenken nur die Ullerärinsten, d'e gar kein Schamgefühlhaben I"Pelle errötete über seine eigene gewöhnliche Denkweise.>.Mortcn kann doch nichts dafür, daß sein Vater so istl"wandte er sehr zahm ein.„Nein, wir wollen Marten nicht hier haben, Mutter willes auch nicht. Sie sagt, mit Dir kann es allenfalls gehen,aber dann auch nicht mehr. Wir gehören zu den Feinen,"fügte sie erklärend hinzu.„Mein Vater hat ein großes Gehöft, das ist dochebensoviel wert wie so'ne verfaulte«schute," fagte Pelle hochmütig.„Vaters Schiff ist gar nicht verfault," entgegnete Mannagekränkt.„Es ist das beste hier aus dem Hafen, und es hatdrei Masten."„Du bist aber doch man'ne lumpige DirnI" Pelle spieüber den Zaun hinüber.„Ja, aber Du bist ein Schwede!" Manna blinzeltetriumphierend mit den Augen, Dolores und Aina standenhinter ihr und steckten die Zungen aus.Pelle hatte große Lust, über die Gartenmauer zuspringen und sie durchzuprügeln! aber da fing Jeppes Alteaus der Küche heraus an zu zetern, und er ging an seineArbeit.Jetzt nach Weihnachten war gar nichts zu tun, die Leuteverschlissen das Oberleder oder gingen in Holzschuhen. Derklein? Nikas war selten in der Werkstatt, er kam zu denMahlzeiten und ging wieder, hatte immer seine guten Kleideran.„Der verdient sein täglich Brot leicht," sagte Jeppe.„Da drüben, da futtern sie ihre Leute nicht den Winter überdurch, sobald nichts mehr zu tun ist, geben sie ihnen einenFußtritt."Mehrmals am Tage wurde Pelle auf einen Rundgangdurch den Hafen geschickt, um die Schiffe abzusuchen. DieMeister standen da unten in ihren Schurzsellen und sprachenüber Seewesen oder liefen zueinander vor die Haustüren, umzu plaudern. Sie hatten aus alter Gewohnheit ein StückWerkzeug in der Hand.Ueberall nagte nian Hungerpfoten, die„Heiligen" hieltenjeden Tag Versammlungen ab, die Leute hatten Zeit genugzu kommen. Nun hatte die Stadt so recht Gelegenheit, zuzeigen, wie leicht sie gegründet war; es war nicht so wiedraußen auf dem Lande, wo man herumziehen und sich gütlichtun konnte, in dem Bewußtsein, daß die Erde für einenarbeitete. Hier machten sich alle so klein und der-zehrten so wenig wie möglich, um sich durch die tote Zeithindurchzudrücken.tLortsetznug folgt.)!Temperenzler.Von Anton Tschechow.Am ersten Fevrurr eines jeden Jahres herrscht ans dem Guteder Witwe Ljnbow Petrowna eine ganz ungewöhnliche Bewegung.An diesem Tage lögt die Gutshcrrin für ibren entschlafenen Gatten,den Kreisadelsmarschall Trison Lwvwitsch Sawsjatow eine Seclen-mesie mit nachfolgendem Tedemn lesen. Der ganze Kreis nimmtan dieser Feier teil. Da siebt man den jetzigen KreiSadelsuiarsdmllMarfutkin, de» Vorsitzenden der Semstwo Polraschkow, die Friedensrichter der beiden Beurle, den KreiSrichrer Krinolinow, die beidenLandkommissare, den Landschaftsarzt Dwornjagin, der immer nachJodoform riecht, sämtliche Gutsbesitzer usw., im ganzen gegenfünfzig Personen.Punkt 12 Uhr betreten die Gäste mit feierlichen Gesichtern denSaal. Auf dem Fuhdoden liegen Teppiche, welche das Geräusch derSchritte dämpfen, ober der weihevolle Ernst der Feier zwingt dieAnwesenden instinktiv, sich aus Fußspitzen zu erheben und beimGehen mit den Händen zu balauziercn. Im Saal ist schon allesbereit. Vater Jewineni, ein kleiner Greis mit hoher, violetterKopsbedeckung, zieht sein schwarzes Priestcrornat an. Not wie einKrebs und ebenialls bereits im Ornat, blättert der Diakon Konkordjewgeräuschlos km Gebetbuch, das den liturgischen Teil des Gottesdienstesenthält, und legt Papierstreifen als Buchzeichen hinein. An der Türzum Vorzimmer bläst der Küster Lnka mir hervorquellenden Augenins Rauchfah. Nach und nach füllt sich der Saal mit bläulichen,durchsichtigen Weihravchioolken. Der Volksschullehrer Gelikonski, einjunger Mann im neu.» sackartigen Rock und mit grotzeu Sommer-sprossen auf dem e.schrccklen Gesicht, reicht auf einem silbernenTablett Wachslichte herum. Vorue, neben dem Tischchen, ans welchemsich das rituell vor efchriebcne Reisgericht befindet, steht die Haus-krau Ljubow Petrollm und führt schon im Voraus das Taschentuchans Gesicht. Ringsum Stille, nur selten von Seufzern unterbrochen.Die Gesichter der Anwesenden sind langgestreckt, feierlich...Die Seelenmesse beginnt. Aus dem Rauchfaß steigt blaue?Rauch empor uud spielt mit einem schräg einfallenden Soiinenstrabl,die angezündeten Lichte knistern leise. Der Gesang ist aufänglichhart und betäubend, aber sobald die Sänger sich den akustischenVerhältnissen des Raumes angepaßt haben, wird er leise, har-monisck.... Die Motive sind sämtlich wehmütig, melancholisch....Die Gäste werden nach und nach in eine traurige Stimmung ver»setzt und versinken in Nachdenken. In ihren Köpfen tauchen Ge»danken an die Kürze des menschliqen Lebens, an die Bergäng-lichicit alles Irdischen auf.... Sie erinnern sich desverstorbenen Sawsjatow. Er war ein kräftiger rotwangigerMann, der eine Flasche Champagner auf einen Zug leerenkonnte. Und als man singt:„In sel'ger Ruh' mitallen Heiligen"... und man die Wirtin schluchzen hört, fangendie Gäste an, beklommen von einem Fuß auf den anderen zu treten.Die Gefühlvolleren beginnt es sogar in der Kehle und in denAugen zu kitzeln. Der Kreisadelsmarschall Marfutkin, der diesesunangenehme Gefühl gern unterdrücken möchte, beugt sich zum Ohrdes Krcisrichters und flüstert:„Gestern war ich bei Iwan Fedorowitsch. Ich nahm ihm12 Rubel in„Mint" ab, wahrhaftigen Gott! Olga Andrcjewna war sowütend darüber, daß ihr ein falscher Zahn aus dem Mundefiel..Dann singt man„Ewiges Gedenken"... GelikonSki sammeltehrerbietig die Lichte ein, die Torenmesse ist beendigt. Etwa eineMinute hört man gedämpfles Flüstern, der Priester wechselt in-zwischen das Gewand; dann beginnt das Tedeum. Nach deinTedemn, während Vater Jewnieni das Meßllcid auszieht, reiben sichdie Gäste die Hände und husten, und die Hausstau erzählt von derGüte des verstorbenen Trison Lwvwitsch.„Ich bitte zum Imbiß, meine Herren," schließt sie seufzend ihreErzählung.Die Gäste begeben sich ins Speisezimmer, wobei sie bemühtsind, einander weder zu stoßen noch auf die Füße zu treten...Im Speisezimmer wartet ihrer das Frühstück. Dieses Frühstück istso üppig, daß der Diakon Konkordjew sich bei seinem Anblick jedesmalfür verpflichtet hält, die Arme auszubreiten, erstaunt den Kopf zuiviegen und zu sagen:„Ueberirdisch geradezu! DaZ, Vater Jewmeni, steht wenigernach Speise für Menschen als nach Opfer für Götter aus!"Das Frühstück ist in der Tat auserlesen. Auf dem Tisch stehtalles, was Flora und Fauna nur zu biclen vermag.„Ueberirdisch"ist nur eins: auf dem Tisch steht alles außer... jpirituäsen Ge-tränken. Ljubow Petrowna hat ein Gelübde getan, in ihrem Hausekeine Karten und kcinen Alkohol zu dulden, zwei Dinge, die ihrenMann zu Grunde gerichtet haben. Auf dem Tisch stehen nur Flaschenmit Essig und Oel, gerade wie zum Hohn und zur Strafe für dieSchmausenden, die alle obne Ausnahme Erztrinker sind.„Greifen Sie zu. meine Herren!" ladet die Witwe ein.„AberSie müssen entschuldigen: Branntwein gibt es bei mir nicht."Die Gäste treten an den Tisch und machen sich uneutschlosienan die Pastete. Aber das Essen will nicht so recht gehen. AnrHineinstecken der Gabeln, am Zerschneiden der Speisen, am Kaue»merkt man eine gewisse Trägheit, Apathie... Augenscheinlichfehlt etwas.„Ich habe ein Gefühl, als ob ich was verloren hätte..."flüstert der eine Friedensrichter dem anderen zu—„Genau dasselbeGefühl wie damals, als meine Frau mit dem Ingenieur durchbrannte... Ich kann nicht essen!"Marfutlin sucht, bevor er zu essen begimit, lange in seinenTaschen nach dem Schnupftuch.„Ach, das Taschentuch steckt wohl im Pelz? Und ich suche eshier...* erinnert er sich laut und geht ins Vorzimmer, wo diePelze hängen.Mit glänzenden Acuglcin kehrt er aus dem Vorzimmerzurück und fällt sofort mir regem Appetit über die Pastete her.„Fatal, mit trockener Keble zu esien. nicht wahr?" flüstert erdem Vater Jewmeni zu..Geh' ins Vorzimmer, Väterchen. Inmeinem Pelz findest Du'ne Flasche... Nur sei vorsichtig, daß bisFlasche nicht auf die Erde fällt I"Voter Jewmeni erinnert sich plötzlich, daß er den: Küster ctwaSzu sagen habe und geht schnell ins Vorzimmer.„Zwei Worte, Väterchen I" läuft ihn: Dwornjagin nach.„WaS ich mir für einen Pelz gekauft habe, meine Herren!"prahlt Chrumow.„Taiisend Rubel sollte er kosten und ich bekamihn— Sie werden es nicht glauben I— für 2S0..Zu jeder anderen Zeit würde es den Gästen furchtbar gleich-gültig sein, was Chrumow für seinen Pelz bezahlt hat, jetzt aberüberbieten fie einander in Ausdrücken der Verwunderung und wolle»es nicht glauben. Schließlich begibt sich die ganze Gesellschaft insVorzimmer, um den Pelz zu besehen. Man besteht ihn so lange.bis Fcdor, der Diener deS Arztes, heimlich fünf leere Flasche ausdem Vorzimmer trägt.Als man den gekochten Stör serviert, erinnert sich Marfutkin.daß er seine Zigarrcntasche im Schlitten vergessen hat, und geht inden Stall. Damit er sich nicht allein zu laugweilen braucht, nimmter den Diakon mit, der bei dieser Gelegenheit gleich nach feinenPferden sehen will....Am Abend desselben Tage? sitzt Ljubow Petrowna in ihremKabinett und schreibt an eine alte Petersburger Freundin: