Nnterhaltungsblatt des'DorwärtsNr. 143.Donnerstag den 3. August191144]pelle der Eroberer.Lehrjahre.Roman don M. Andersen Nexö.Eines TageS kam Marker gelaufen.„Jetzt hat derKonditor einen neuen Gesellen von da drüben gekriegt, undder ist Sozialdemokrat!" rief er ganz atemlos.„Er ist gesternabend mit dem Dampfschiff gekommen." Bäcker Jörgen hattees auch schon gehört.„Ja, nun habt Ihr sie über Euch!" sagte Jeppe unheil-verkündend.„Ihr habt alle zusammen mit dem neuen Zeit-geist gespielt. Das wäre übrigens etwas für Bjerregravgewesen, der mit seinem Mitleid mit den Armen."„Laß den Schneider in Frieden in seinem Grab Tuhen,"sagte Holzbein-Larsen versöhnlich.„Er soll nicht Schuld habenan den bösen Mächten, die heutzutage bestehen. Er wollte nurdas Gute und vielleicht wollen diese hier auch das Gute!"„Das Gute?" Jeppe war lauter Hohn.„Sie wollenGesetz und Ordnung umstürzen und das Vaterland an dieDeutschen verkaufen. Sie sagen, daß die Summe schon ab-gezählt ist und alles!"„Sie sollen zur nächtlichen Zeit in die Hauptstadt ein-gelassen werden, wenn unsere eigenen Leute schlafen," sagteMarker.„Ja," sagte Meister Andres feierlich.„Sie haben ver-raten, daß der Schlüssel unter die Matte gelegt ist, die Satans-kerle!" Da brach Bäcker Jörgen in ein lautes Gelächter aus:er füllte die ganze Werkstatt damit, wenn er erst zu lachenanfing.Sie rieten hin und her. was für ein Bursche der neueGeselle wohl sein möge. Noch hatte ihn niemand gesehen.Er hat sicher rotes Haar und einen roten Bart," meinte BäckerJörgen.„Das ist die Art und Weise des lieben Gottes, dieLeute zu zeichnen, die sich dem Bösen verschrieben haben."„Gott mag wissen, was der Konditor mit ihm will,"sagte Jeppe.„Solche Art Leute können ja nichts tun, diestellen bloß Forderungen. Ich habe gehört, daß sie alle zu-sammen Freigeister sein sollen."„Verteufelte Komödie!" Der junge Meister schüttelte sichvergnügt.„Der wird nicht alt hier in der Stadt."„Alt?" Der Bäcker richtete seinen schweren Körper auf.„Morgen am Tage gehe ich zu dem Konditor und verlange,daß er ihn wegjagen soll. Ich bin Kommandeur der Bürger-wehr, und ich weiß, daß alle Bürger so denken wie ich."Drejer meinte, es könnte gut sein, von der Kanzel zubeten, so wie zur Zeit der Pest und in dem harten Jahr, alsdie Feldmäuse so hausten.Am nächsten Vormittag kam Jörgen Kofod vorüber aufdem Wege zum Konditor. Er hatte den alten Bürgerwehrrockan, am Gürtel hing noch der Lederbeutel, in dem Kieselsteinefür das Flintenschloß vor vielen Jahren getragen wurden.Er füllte die Kleider gut aus, kam ober unverrichteter Sachezurück. Der Konditor lobte seinen neuen Gesellen über alleMaßen und wollte kein Wort davon hören, sich von ihm zwtrennen. Er war ganz vernarrt.„Aber dann kaufen wir danicht mehr! Daran müssen wir alle festhalten, und keineordentliche Familie darf in Zukunft mit dem LandesverräterVerkehren."„Hast Du den Gesellen gesehen, Oheim Jörgen?" fragteMeister Andres eifrig.„Jawohl habe ich ihn gesehen! Das heißt von weitem!Er hatte ein paar gräßliche, stechende Augen: aber mich soll ernicht mit seinem Schlangenblick verzaubern!"Am Abend streiften Pelle und die anderen auf dem Marktumher, um einen Schimmer von dem neuen Gesellen zu er-haschen. Da waren viele Leute: sie gingen dort in derselbenAbsicht auf und nieder. Aber er hielt sich offenbar im Hause.Und dann eines Tages gegen Abend kam der Meisterhereingestürzt.„Sputet Euch, zum Teufel auch!" rief er ganzaußer Atem.„Jetzt kommt er hier vorbei." Sie warfen alleshin und stürzten durch den Gang in die gute Stube, die sonstnicht betreten werden durfte. Es war ein großer, kräftigerMann, mit vollen Wangen und großem, schneidigen Schnurr-hart, ganz so wie der des Meisters, er hatte aufgeblähteNasenlöcher und schob die Brust stark vor. Weste und Rockstanden offen, als bedürfe er vieler Luft. Hinter ihm dreinschlichen ein paar Straßenjungen, in der Hoffnung, irgendetwas zu erleben: sie hatten ihren gewöhnlichen Uebermutganz eingebüßt und bewegten sich lautlos.„Er geht so, als wenn die ganze Stadt ihm schon gehöre!"sagte Jeppe höhnisch.„Aber hier soll er bald fertig werden!"20.Draußen auf der Straße kam einer vorüber und nocheiner und noch einer: es ward ein ganzes Getrampel vonFüßen. Der junge Meister pochte an die Wand.„Was inaller Welt ist denn das, Pelle?" Er hatte nicht die Absicht, andiesem Tage aufzustehen.Pelle lief hinaus, um Bescheid einzuholen.„Jens seinVater hat Delirium bekommen. Er hat den ganzen Hafen ge-räumt und droht, alle totzuschlagen!"Der Meister erhob den Kopf ein wenig.„Weiß Gott, ichglaube, ich stehe auf!" Seine Augen strahlten: nach einerWeile war er in seinen Kleidern und hinkte von bannen, siehörten ihn häßlich in der Kälte husten.Der alte Jeppe steckte sein Amtskäppchen in die Tasche,ehe er davon rannte: vielleicht war Gebrauch für die Obrig-keit. Die Lehrlinge saßen eine Weile da und starrten nach derTür wie kranke Vögel, dann rannten auch sie von bannen.Draußen war das ganze im Aufstand. Die wildesten Ge-rüchte waren im Umlauf, was Steinhauer Jörgen alles aus-gerichtet hatte. Die Erregung hätte nicht größer sein können,wenn ein feindliches Geschwader vor Anker gegangen wäreund angefangen hätte, die Stadt zu beschießen. Jeder ließfallen, was er in der Hand hatte und stürzte nach dem Hafenhinab. Die schmalen Gassen waren ein ununterbrochener Zugvon Kindern und alten Weibern und kleinen Meistern imSchurzfell. Alte, gichtschwache Seeleute krochen aus ihremAltersschlaf hervor und humpelten von bannen, die Handhinten auf der Lende, mit schmerzlich verzerrtem Gesicht.„Futti, futti, futti, pfui!All die pechigen Rüssel!"Ein paar Straßenjungen erlaubten sich diesen kleinenAbstecher, als Pelle mit seinen Lehrkameradcn gelaufen kam:sonst war alle Aufmerksamkeit nur auf das eine gerichtet:„die Kraft" hatte wieder um sich geschlagen! Es lag eine ge-wisse Festlichkeit über den Gesichtern der Leute, als sie dahinliefen, eine lichte Erwartung. Es war lange füll um denSteinhauer gewesen, er ging und schuftete wie ein Riesenlast-tier, erloschen und tot anzusehen, mühte sich ab lieber wie einBär und trug am Abend zwei Kronen still nach Hause. Eswar beinahe peinlich, Zeuge davon zu sein, und ein ent-täuschtes Schweigen legte sich auf ihn. Und nun zersprengteer plötzlich das ganze, so daß jedermann zusammenzucktetAlle hatten etwas auf ihn zu sagen, während sie von banneneilten. Jeder hatte vorausgesehen, daß es so kommen müsse:er hatte lange so unheimlich ausgesehen und alles Böse auf-gespart, es war nur ein Wunder, daß es nicht schon frühergekommen war. Solche Leute durften eigentlich nicht freiumhergehen, sie mußten auf Lebenszeit eingesperrt werden!Sie nahmen seinen Lebenslauf wohl schon zum hundertstenMale durch, von dem Tage an, als er jung und keck in seinenLumpen daher gestapft kam und seine Kräfte geltend machenwollte, bis er das Mnd in die See trieb und als Blödsinnigerzur Ruhe kam.Unten im Hafen wimmelte es von Leuten: alles, was nurkrieck>en und gehen konnte, hatte sich eingestellt. ES warHumor in den Leuten trotz der kalten und kargen Zeit, siestampften und machten Witze. Die Stadt hatte mit einemSchlage den Winterschlaf abgeschüttelt, die Leute krochen aufdie Felsblöcke und hingen dicht gedrängt in den zusammen-geschlagenen Holzrahmen, die für die Molen versenkt werdensollten. Sie machten lange Hälse und zuckten nervös zu-sammen, als könne irgend etwas unversehens kommen undihnen den Kopf abschlagen. Jens und Marten waren auch da:sie standen ganz abseits und sprachen zusammen. Traurigsahen sie aus mit ihren scheuen, gequälten Gesickstern und dort,wo die große Helling schräge nach dem Boden des Beckens zu-lief, standen die Arbeiter in Scharen: sie zogen, um etwas»»