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Nun wissen wir, warum die faure Gurte ein so fehr betrügen die Landarbeiter halbfuglige, niedrige Strohlappen, aber die gehrtes Genuß- und Würzmittel darstellt. Die moderne Lebens- griechische Mode erzählt nichts von eleganten Strohhüten. Sollten führung macht es indessen den meisten städtischen Familien nicht die fofetten und kapriziös anmutigen Spizhütchen, die die entzüden. möglich, ihren Bedarf an sauren Gurken selbst einzulegen. Dazu den Tanagrafiguren so luftig und fed auf dem Köpfchen balancieren, fehlen vor allem die nötigen Räume im Keller, und die Hausfrau in der Großstadt befibt auch nicht die nötige Erfahrung in solchen Dingen. Der Bedarf dieser großen Massen muß also durch Ein­Tegen auf dem Lande oder in der Kleinstadt gededt werden, und das führte zur Entstehung einer förmlichen Industrie der sauren Gurken. Ganz besonders hat sich dieser Arbeitszweig in Mittel­ deutschland   ausgebildet und hier gelten Calbe  , Liegniß und Lübbenau   als Gurfenorte ersten Ranges. Das Einlegegeschäft beginnt schon früh im Jahre, denn man macht bereits die Ge­wächshaus und Mistbeetgurken zu faueren. Da fie aber natur­gemäß höher im Preise stehen müssen, so ist die Menge des Er­zeugten nicht so sehr groß. Das Hauptgeschäft beginnt erst im Juli und währt in den August und Anfang September hinein, zu welcher Zeit die auf den Feldern angebauten Landgurken geerntet werden. In Lübbenau   am Spreewald, das in der Hauptsache Berlin   mit seinen berühmten Saueren" versorgt, herrscht alsdann ein ungemein reges Leben. In der näheren und weiteren Um­gebung der Stadt werden Gurken in Massen angebaut und zweimal in der Woche findet in Lübbenau   ein Wochenmarkt statt, auf dem die in der Stadt ansässigen Einleger ihren Bedarf an frischen Gurken decken. Da sieht man um jene Zeit auf den Gewässern bes Spreewaldes lange Züge von Kähnen, die vollauf mit den grünen Früchten beladen sind. Man baut hier für das Einlege­geschäft eine besondere Sorte an, die einfach Saure Gurke" ge­nannt wird. Es ist dies eine mittellange Gurke, die eine dünne Schale und ein zartes Fleisch besitzt. Der Boden des Spreewaldes soll die guten Eigenschaften der Frucht besonders fördern. Der Bedarf der Einleger kann aber durch die Produktion des Spree­waldes nicht gededt werden und so müssen alljährlich noch große Mengen Gurken aus Thüringen   und Schlesien   bezogen werden. Hier gibt es auch vorzügliche Sorten zum Einlegen, wie die Er­ furter   mittellange und die Liegnizer Gurke. Was nun die Güte der Frucht anbelangt, so fommt es bei jeder Sorte viel auf die Kultur an. Die Art der Düngung beeinflußt die Ware. Gurken, die man z. B. sehr reichlich mit Abtrittsdünger oder Chilesalpeter gedüngt hat, werden leicht hohl und neigen beim Einlegen zum Weichwerden. Deswegen schreiben große Einlegergeschäfte den Bauern, von denen sie ihre Ware beziehen, vor, daß die Gurken­felder mit ähnlichen Stoffen nicht gedüngt werden. In verschiede nen Einlegegeschäften werden die Gurken vor dem Einlegen ins Faß gestochen. Man glaubt, daß dadurch das Hohlwerden verhütet werde; in Wirklichkeit aber kommen die hohlen Saueren meistens schon hohl in das Faß.

Als Nebenzweige des Einlegegeschäftes find noch die Bereitung der Senf- oder Essiggurken und die der Pfeffergurten zu erwähnen. Zu den ersteren verwendet man die großen reifen Gurken, von denen der Same geerntet wird. Man entfernt die Kerne und zer schneidet das Fruchtfleisch in beliebig große Stücke, die mit Senf und Essig eingelegt werden. Die Pfeffergurten werden aus den fleinen unausgebildeten Früchten bereitet, die man im Herbst aberntet, bevor der Frost eintritt. Wo größere Mengen benötigt werden, baut man aber die kleinfrüchtigen Traubengurken oder Cornichons an. Die Gurkchen werden in Gläsern und Töpfen mit scharfem Weinessig und Gewürzen eingemacht und finden auch zu Mired Pidles Verwendung.

Doch tehren wir zu den sauren Gurken zurüd; sie bilden die Hauptware. Es gibt Einleger, die in der Saison 60 000 bis 100 000 Stüd Gurten einsalzen, das sind die kleineren Leute. Die Großen machen eine Million und mehr in einer Saison sauer. Ob es bereits Gurken- Milliardäre gibt, wissen wir nicht. Wie sehr aber das saure Geschäft blüht, zeigt unter anderem die Ausführ Lübbe­naus. Würde man dort die im Jahre erzeugten Sauren" in einen Güterzug verladen, so würde dieser Eisenbahnzug etwa 10 Kilometer lang werden!

Die Gefchichte des Strobbuts.

Wir können uns heute den Sommeranzug ohne Strohhut nicht Senken, aber es ist noch gar nicht so lange her, daß dieser Gedanke einem eleganten Herrn oder einer Modedame ebenso unmöglich war wie heute selbstverständlich. In das Reich der vornehmen Damen­toilette hat der Strohhut erst im 18. Jahrhundert seinen Einzug gehalten; die Herren haben sich noch viel später dazu entschlossen, Diese plebejische" Kopfbedeckung anzunehmen; die Dandys haben fich bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts dagegen ge­wehrt, und erst als im Panamahut eine erotische, vornehre und überaus teure Sorte, gleichsam der König unter den Stroj­hüten, entdeckt wurde, wurde dem durch die Jahrhunderte hin ver­achteten und vernachlässigten Kleidungsstück die Anerkennung der modebestimmenden Welt zuteil. Die Alten haben wohl die Kopf­bedeckung aus Strohgeflecht gefannt. In der glühenden Sonnenhibe

aus Stroh gewesen sein? Die Wissenschaft gibt darauf keine Ant­wort. Während die großen Kulturbölfer des Altertums den Stroh­hut augenscheinlich nur als eine für den Arbeiter notwendige, aber von der Mode nicht anerkannte Kopfbedeckung besaßen, hat er biel leicht schon der urgermanischen Nationaltracht angehört. Wir finden ihn nämlich bei den Angelsachsen und dann bei den Sachsen   bis ins 10. Jahrhundert hinein und darüber hinaus, bei Völkern also, die am altgermanischen Brauch am zähesten festhielten. Der Strohhut auf dem langen Haar war für den Sachsen   das Zeichen der Frei­heit und Männlichkeit. Wie uns Widukind in seiner sächsischen Ge­schichte berichtet, waren die Franken von dieser Form der Kopf­bedeckung außerordentlich überrascht, und sie galt lange als be­fonderes Merkmal des Sachsen  . Ueber das Aussehen dieses alt­deutschen Strohhuts, des ehrwürdigen Vorfahren unseres modernen Schattenspenders, geben einige Miniaturen Aufschluß. Ein Bild im Sachsenspiegel" zeigt ihn in der Form eines ab­gestumpften Regels mit vorspringendem Schirme; in einer angel dänischen Handschrift des 10. Jahrhunderts dagegen ist der Hut spikkeglig und ohne Rand. Er war in seiner primitivsten Form ein Stück Strohgeflecht, das man mit einer Schnur um den Kopf band. Ein breitkrempiger flacher Sut aus Binsen oder Stroh, der ja bei der Arbeit auf dem Felde zur heißen Sommerszeit so nötig ist, ist von den Bauern und ihren Frauen natürlich schon früh ge­tragen worden. Der einfache Binsenhut und der feinere Strohhut führen daher in der Geschichte der deutschen Tracht auf lange hin ein bescheidenes Dasein in den Wolfstrachten; ein Beweis dafür ist die Liebe und der besondere Stolz, mit dem die verschieden­sten Formen des Strohhuts in der bäuerlichen Kleidung bis auf unsere Tage festgehalten sind. Da finden wir noch heute den sehr hohen zylinderförmigen Strohhut, der mit schwarzen Seidenbändern unter dem Kinn befestigt ist, in der Frauentracht des Badener Prechtals, die spißen oder glodenförmigen Strohhüte in Tirol und Salzburg  . Die Männer fragen allerorten schwarze Freitrandige Strohzylinderhüte. Auf was für seltsame Strohhutformen bäuer­liche Eitelfeit verfiel, zeigen die Stopfbedeckungen der Vierlände rinnen. Der Strohhut hat die Form eines eingedrückten Tellers; der Kopf ist von oben her tief in die Krempe geschoben und diese, durch eine tiefe Rinne von ihm geschieden, umgibt ihn wie ein dach­artig abfallender Wall.

Aus dieser stillen, nur in den engen Grenzen bäuerischen Lebens sich entfaltenden Eristenz taucht mun der Strohhut zu verschiedenen Malen in die elegante Sphäre der großen Mode empor, um immer wieder zu verschwinden, bis er sich dann im 18. Jahrhundert sein Recht für immer eroberte. Es sind Zeiten einer naturfrohen, für das Landleben schwärmenden, idyllisch- schäferlichen Stimmung, die in diesem sogenannten Schäferhut ein Symbol der Unschuld und harmloser Freuden erkennen. Die Damen der Ritterzeit, die sich so gern aus Grás und Blumen ihre Schapel" flochten, emp fanden auch die zierliche Anmut, die in solch einem breitrandigen gut aus Zweigen, Binsen oder Stroh lag. Sie umwanden diese leichten Schattenspender mit Blumenkränzen und erschienen so den edlen Rittern wie frische Dirnen, um sich mit ihnen im dörper­lichen" Reigen zu drehen.

Auch in dem Italien   der Renaissance wird der von der Land­bevölkerung getragene Strohhut bisweilen in die beffere Gesellschaft und sogar in die Kunst aufgenommen. Die ehrwürdigen Eremiten und die sanften heiligen Frauen tragen ihn auf manchen Bildern des Quattrocento am Arm, und Vittore Pisano   stülpt sogar seinem hl. Georg, einem schwergepangerten Ritter, in urwüchsiger Wick­lichkeitsfreude einen riesigen spißen Strohhut mit ungeheurer Strempe aufs Haupt. Auch sonst begegnet man in Werken der Malerei ab und zu dem Strohhut in der Modelleidung, besonders in Holland  , wo man ja mit einem so frischen Naturgefühl in die Welt blickte. Rembrandts Sastia trägt auf dem entzücken­den Bildchen, das der Bräutigam von ihr entwarf, einen großen, blumenumwundenen Strohhut. Das Rokoko, die Epoche der galanten Schäfereien, der idyllischen Feste im Freien und der sentia mentalen Naturverehrung, gewährt dann dem Strohhut den sieg­reichen Einzug in die große Mode. Der verachtete Bauernhut, der übrigens noch lange Salzburger  " oder Regensburger" heißt, wird zum Beichen der Eleganz. Um 1780 find Strohhüte ein notwendiger Bestandteil der großen Toilette. Diese Hüte hatten einen niedrigen Stopf mit flachem Boden, aber einen folossalen, mit rosa Taft ge­fütterten Schirm, der auf und ab schwankend die Gestalt in ihrer ganzen Breite wie ein Regenschirm überdeckte. Ungeheure Mengen von Pub, von Federn, Bändern, Schleifen und Blumen aller Art bedeckten das feine Material. Eine neue Blüte erlebte der Stroh­hut in der Biedermeierzeit, wo er als ein torbartiges Ungetüm mit winzigem rüschenbeseztem Schirm auftrat. Seitdem hat er in immer neuen. Extravaganzen die Welt der Mode entzückt

Berantw. Redakteur: Richard Barth  , Berlin  . Drud u. Verlag: VorwärtsBuchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin   SW.