gründen; andererseits hföft der metallfro�e PfaWaner(Pfa'hl-städter durfte man vor der Größe seiner Ansiedlungen jetzt schonfast sagen) inzwischen ein reicher Besitzer geworden, der bei Geldund Gut saß und seine Seefestung also gewiß gern so unzu-gänglich wie möglich anlegte. Als man die Juragewässer im10. Jahrhundert künstlich regulierte, lag aber auch diese cnd'legenere Pfahlstadt von Mörigen zeitweise ganz trocken und konntesystematisch ausgeforscht werden. Und da fand man nicht bloßdie schönste Bronzekultur selbst, in allen glänzenden Schaustückendessen, was ihre kühnste Technik sich geleistet hatte, sondern manhob die Geheimnisse einer ganzen Bronze-Gußwerkstätte.Schon beim Feuerstein ist erwähnt, daß die einzelnenStationen sich von früh an vielfach in die Arbeit geteilt undjede eine Art speziellen Fabrikbetriebs durchgeführt hatten, woder Bedarf im großen für die anderen mit gedeckt wurde. Aufein« solche Fabrik für Bronzewaffen und Bronzeschmuck warman nun auch hier gestoßen. Sie lag im PfahlbauSbst; andere sind auch auf dem Lande mehrfach für die Bronze-weiz nachgewiesen. Groß, der zu den verdientesten Pfahlbau-forschern gehört, konnte aus verschiedenen Fundorten schließlich dasganze Betriebsinventar wieder zusammenstellen. Es zeigten sich dieSchmelztiegel, aus Ton gefertigt, mit den unverkennbaren Spurenihres Gebrauchs. Dabei lag in Mörigen ein tönerner Trichter undeine Art Retorte, der man ansah, was für einer Glut sie ausgesetztgewesen sein muß. Zerbrochene Sachen zum Wiedereinschmelzen,Späne und Abfälle fehlten nicht, auch nicht Gutzklumpen gediegenenMetalls. Ein Barren Zinn in der Pfahlstation Auvernier trugnoch einen Aufhänger aus Bronze, der wohl beim Transport gedienthatte. Am sinnfälligsten zur Sache aber sind die zahlreichen Guß-formen selbst. In drei Stoffen kommen sie vor: Sandstein, Tonund Bronze. Nicht bloß das eine oder andere landeseigentümlicheLieblingsinstrument ist damit gegossen worden, sondern geradezualles und jedes, was sich als sertiges Bronzewerk in den Stationenfindet, die krumme Sichel wie das schöne lange Schwert, der Hammerwie die Nadel, der Ring wie das Schmuckgehänge. Fachleute habenden hohen Stand der Technik nicht genug bewundern können.„Daß.Gebläsevorrichtungen in den Gießereien vorhanden waren, darfwohl als sicher angenommen werden. Durch Hämmern und geeig-nete Behandlung beim Abkühlen der Bronze wurde diese gehärtet.Das zahlreiche und feine Handwerksgerät beweist, daß beim Gra-Vieren und Stanzen der Bronzen kunstfertige Hände beschäftigtwurden. Das Löten scheint den Bewohnern der Schweiz zur Bronze-zeit unbekannt gewesen zu sein, aber sie wußten sich zu helfen.War z. B. eine Nadel abgebrochen, so wurden die beiden Bruchstellenmit Bronze umgössen. Bei einer Schmucknadel mit trichterförmigemKopf verband man diesen mit der Nadel, indem man Blei soderZinn?) in den Grund des Trichters goß und so die zuvor eingesteckteNadel befestigte. Welch hohen Wert die Bronze besaß, ersieht manaus den vielen reparierten Stücken.Was solche Gießerei beständig in Masse schuf, das wurde aberdann�von umherziehenden Leuten weithin in die Dörfer vertrieben.In Sennwald bei St. Gallen ist es geradezu, als sei man noch aufden Vorrat eines solchen Fabrikvertreters geraten: mehr als sechzignie gebrauchte Bronzebeile vom Typus der Genfer Seestationen, alleeinander genau gleich, fanden sich dort an ein und dem nämlichenFleck beisammen,Kanderrniiiici.Von Honorö Balzac.Seiner großen deutschen Ausgabe von Balzacs wichtigstenMeisterwerken reiht der Jnselverlag auch die genialste, kühnste undkünstlerisch vielleicht reifste Dichtung des„Vaters des modernenRomans" ein, die prachtvolle Novellensammlung der„Contesdrolatiques", die in der ausgezeichneten Uebersetzung von BennoRüttenauer demnächst erscheinen wird. Aus dem Geist der kraft-strotzenden und sinnlich freien französischen Renaissance ist diesesWerk geboren; des Meisters Franziskus Rabelais tolle lachendeLaune, sein scharfer üppiger Witz feiern hier die fröhlichste Auf-erstehung. Es ist schier unbegreiflich, wie ein Sohn des IS. Jahr-Hunderts, der für seine Zeit das schärfste Auge und das feinsteEmpfinden besaß, sich sogleich so völlig in Anschauung und Stileiner fernen Vergangenheit hineinleben und die freie übermütigeSouveränität in der Gestaltung der Stoffe bewahren konnte. Diesemerkwürdigen, ausgelassen tollen und köstlich bunten Schöpfungeneiner überreichen Phantasie, Juwelen einer echt gallischen, frechgraziösen und naiv derbe» Fabulierkunst, überschreiten zwar aufjeder Seite die Grenzen der Wohlanständigkcit und Dezenz, erzählenvon der Lust und dem Rausche der Sinnlichkeit mit der unbefangenenNatürlichkeit eines Aristophanes oder Rubens, aber sie werden durchden Glanz der Darstellung und die Reinheit der altertümelndenForm in die Sphäre der hohen Kunst gehoben; sie sind die ersteüppige Frucht des Balzacschen Genies. Die Töne, die der Franzosehier angeschlagen, sind einzigartig in ihrem kecken Jubel und ihrerbacchantischen Wildheit. Aber sie sind in ihrem feinsten historischenGefühl, ihrer Glut der Seelenmalerei, dem psychologischen Tief-sinn und der überntütigen Ironie doch nahe verwandt mit denKlängen, die wir in einigen Dichtungen Gottfried Kellers, den„Sieben Legenden' oder der Erzählung vom Mcretlein aus dem„grünen Heinrcich", vernehmen.Im Folgenden geben wir eine kleine Geschichte wieder, die inder köstlichen Zartheit und Grazie des Stils Balzac von seinerbesten und naivsten Seite zeigt— ein Lob und Preis der Kinder.Dr.?. L.»Kindermund._ Nicht die vielgerühmten Heldenlieder göttlicher Sänger, nicht dieschönste Musik, nicht die stolzesten Schlösser, blühenden Schildereienund Bilder der Heiligen und der Könige, kühn aus Stein gehauen,auch nicht die weißbewimpelten Schiffe auf dem blauen Meer finddas Schönste, was der Mensch hervorbringt: von allem was v«»�Menschen kommt, das Schönste sind die Kinder. Und sie find es solange, als sie eben Kinder sind. Denn danach werden sie Mannund Weib, werden die gleichen Tölpel wie die Alten, nehmen Vernunftan, und bei Gott, sind kaum mehr wert, was sie gekostet haben. DieSchlimmsten sind noch die Besten. Aber betrachtet einmal dieKleinen, wie sie anmutsvoll spielen mit allem, was ihnen in dieHände komnit, mit einem Werkzeug, das sie sich vom Brett holen,mit einem alten Schuh; betrachtet, wie sie das, was sie satt be-kommen, liegen lassen und nach dem schreien, was sie haben wollen,wie sie überall Zuckerwerk und Eingemachtes erschnüffeln, wie sie aneinem Backwerk knuspern und immer aufgelegt sind zum Tollen undLachen, sobald nur ihre Zähne hervorbrechen. Betrachtet sie undihr werdet zugeben müssen, daß sie einfach entzückend find. Siesind Blüte und Frucht zugleich. Frucht der Liebe und Blüte desLebens. Nichts Heiligeres und Köstlicheres als ihre Einfälle undihre Art. sich auszudrücken, so lange sie noch nicht von Altklugheitangesteckt sind und ihr Geist sich nicht in der Sudelküche des Leben»beschmutzt hat. Die höchste geistige Anmut könnt ihr beiihnen lernen. Kein Erwachsener, das ist so wahr wie di«doppelte Verdauung eines Ochsen, wird ihnen das je gleich tun.Die Naivität der Großen ist durch die Vernunft immer mehr oderweniger verdorben, die Naivität der Kinder ist rein und lauter wi«die heilige Natur. Ihr könnt das aus folgendem ersehen:Die Königin Kathrein war damals noch Frau Kronprinzessin,und um sich ihrem Schwiegervater, dem König, dem es schon rechtschlecht gincj, angenehm zu machen, schenkte sie ihm von Zeit zu Zeiteine italienische Malerei, da sie wohl wußte, wie sehr er sie liebte,der einst der Freund des Meisters Rafael von Urbino und desgroßen Leonhard von Wintschi gewesen war, denen er namhafteSummen zugewendet hat. Und so erhielt sie von ihrer Familie, diedie vorzüglichsten dieser Werke besaß, da ihr Vater, der HerzogMedici, damals der Herr von Toskana war, eine äußerst kostbareSchilderei, die ein Venezianer namens Meister Tizian gemalt hatte,der Hofmaler des Kaisers Karl, der ihn über alles schätzte. Aufdieser Tafel waren Adam und Eva abgebildet, wie Gott sie imParadiese erschaffen hatte, in Lebensgröße und im Kostüm ihrerZeit, worüber kein Zweifel bestehen kann; nämlich sie waren be-kleidet mit ihrer Unschuld und umhüllt mit dem WohlgefallenGottes, was sehr schwer nachzubilden ist, besonders mit Farben,worin aber der genannte Meister Tizian sich in hohem Grad aus-zeichnete. Dieses Gemälde wurde in dem Zimmer des armen Königsaufgehängt, der von der Krankheit, an der er später starb, schon da-mals sehr geplagt wurde, und war am ganzen Hofe viel des Redensvon dem genannten farbigen Schilderwerk, also daß ein jeder esgern gesehen hätte. Doch dieser Wunsch ward auch nicht einemeinzigen erfüllt, so lange der König lebte, der das Bild immer inseiner Schlafkammer behielt.Eines Tages brachte die Kronprinzessin ihren Sohlt Franz unddie kleine Grete zum König, die gerade anfingen, wie Kinder ihresAlters, alles herauszuschwatzen, was ihnen in den Sinn kam. Siehatten hier und da etwas davon aufgeschnappt, wenn von den ge«nannten Abbildungen Adams und Evas die Rede war, und ver-hehlten nicht ihre Neugierde, etwas zu sehen, wovon jedermannsprach. Da nun ohnedies die Gegenwart der Kinder den König oftschon erheitert hatte, gab die Mutter ihrem Drängen nach undführte sie hin.„Ihr wolltet Adam und Eva sehen, die unsere ersten Elternwaren," sagte sie.„Hier find sie."Damit ließ sie die beiden Kinder, die große Augen machten,vor die Malerei des Meisters Tizian und setzte sich an das Kranken«bett des Königs, dessen Miene sich aufheiterte beim Anblick seinerEnkel.„Du", sagte der zehnjährige Franz. indem er die Gret am Aermelzupfte,„wer ist nun der Adam von den beiden?"„Du bist recht dumm", erwiderte die Kleine,„um das sagen zukönnen, müßten sie erst Kleider anhaben."Diese Antwort entzückte den König über alleS, und die FrauKathrein berichtete sie in einem Briefe nach Florenz, und da sie bisjetzt von keinem Gelehrten ans Licht gezogen wurde, möge sie, einerseltenen Blüte gleich, still in einem Winkel dieser Geschichten stehen,obwohl sie bei Gott wenig damit gemein hat und wir auch keineandere Lehre daraus ziehen können als die, daß wir erst fleißig fürKinder sorgen müssen, wenn wir aus ihrem Munde so schöne Wortehören wollen.