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Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 162.
Mittwoch, den 23. Auguft.
( Nachdruck verboten.)
1911
rend die Dampfhämmer mit einem toten Schlage innehielten. Tausende von Franken kosteten Sarahs und Majorys Tränen Charles J. Lane war.
Die Erzählung des Ingenieurs. der Aktiengesellschaft, deren einziger Aktionär allerdings
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Ich erinnere mich nicht, die beiden Schwestern in den Wir älteren Ingenieure, die wir eine Reihe von Jahren folgenden Jahren je getrennt gesehen zu haben: man fah in Lane Bros' Fabrik für elektrische Motoren gearbeitet sie stets umschlungen, den Arm um Hals und Hüfte der haben, erinnern uns recht wohl des Vormittags, da Majory anderen gelegt, oder wenigstens mit den Schultern einander und Sarah Lane zum erstenmal unsere Maschinen in Betrieb berührend mit lang vorgestrecktem Hals und gespanntem fahen. Während sie an der Hand des chinesischen Dieners Rift in dem Parke, der des Vaters Villa umgab, spazieren die Dynamohalle betraten, waren sie kaum voneinander zu oder die geschlängelte Landstraße hinabschreiten, die längs unterscheiden; der Altersunterschied von drei Jahren war da- der rauschenden Limmat auf dreimeilenlangem Wege nach mals nicht zu merken. Sie trugen das schwarze Lockenhaar Zürich führt. in einen von zahlreichen Silberpfeilen durchbohrten hohen Knoten aufgewunden, und ein filbergestickter japanischer Kimono hing ihnen lose um den kleinen, sehr zarten Störper. Es war ihm Jahre 1894, in jenem Sommer, da sie mit ihrer Mutter aus Shanghai gekommen waren; Sarah war da mals acht, Majory elf Jahre alt.
Sie traten auf die Galerie hinaus, die in der Höhe von drei Stockwerken an den Wänden des mächtigen Raumes entlangläuft; als sie aber die ungeheuren schwarzen Radscheiben der Dynamos und die drohenden Türme der Dampfmaschinen vor sich sahen und das fürchterliche Gewitterrollen, der in diesen titanischen Eisenräumen rasende dumpfe Donner, den wir andern kaum mehr hören, an ihr Ohr dröhnte, da wandten sie sich gleichzeitig mit einem gellenden Schrei um und berbargen ihre Gesichter in den blauen Drillichhofen des ganz apathisch dastehenden Chinesen.
Ihr Vater, der nach dem Tode seines älteren Bruders als administrativer Direktor in die Firma eingetreten war, fam auf ihr Geschrei herbei, zog sie an sich und hob jede von ihnen auf einen Arm, indem er sie die Füße auf das Geländer der Galerie stüßen hieß. Er lachte sie aus.
„ Seid ihr meine Mädchen?" sagte er, und fürchtet euch vor euren erwachsenen Brüdern, die die ganze Fabrik für mich drehen! Seht nur, wie lustig und artig und gehorsam sie sind. Seht doch, Majory und Sarah, wie sie sich auf ein Signal von mir niederlegen und augenblicklich schweigen. Dabei nickte er mir, der ich beim Kontrolltische stand, zu, und langsam sank der Lärm; eine um die andere legten die Maschinen sich zur Ruhe. Das ferne Rauschen der Turbinen im Flußbette draußen schwieg, die Zylinder der Dampfmaschinen gaben feufzend ihren legten Dampf von sich, die Stempel standen stille, die Dynamos knurrten noch unwillig wie trotzige Hunde, aber auch sie mußten sich legen, langsam und demütig; gradweise senkte sich eine sonderbare Mattigfeit über die große, dampferfüllte und ozonriechende Halle. Und langsam begann ein feiner Tau zu fallen. Die Maschinen standen.
Sarah, Majory!" rief Direktor Lane. Seht, wie fie mir gehorchen, wenn ich das Signal gebe. Ich habe sie unter Kontrolle, fie tun Euch nichts zuleide. Sie sind Eure großen Brüder, die für mich und für Euch arbeiten; fürchtet Euch nicht! Seht doch, sind sie nicht schön und gutmütig?"
Nein, ich erinnere mich nicht, sie je getrennt gesehen zu haben, und wenn ich hie und da bei ihren Eltern zu Gaste war, saßen sie bei Tische, zum Verwechseln ähnlich mit ihren unbeweglich geradeaus gewandten Gesichtern und mit dem in einer ägyptischen Mähne über die damals modernen hochschottischen Kleidern fallenden Haare. Es bestand offenbar eine eigentümliche Verbindung zwischen ihnen, eine Art seelischen Zwillingsverhältnisses, das die drei Jahre Altersunterschied nicht beeinträchtigten. Es schien sogar, als hemme die jüngere die ältere in ihrem Wachstum. Sie verkehrten miteinander in einem für uns unverständlichen Jargon, durch ein Blinzeln, ein schwaches Zucken um die nervösen schmalen Lippen. Es ging ein beständiger Nervenstrom durch ihre Hände, die einander häufig suchten. Wir saben sie niemals spielen, sie suchten keine Kameraden, wiewohl es in der Gegend viele gleichgestellte, reiche Familien gab. Ich denke, daß der Osten und die weite Reise sie ursprünglich vereinigt hatte zugleich aber auch ein früh erwachtes Bewußtsein des vorteilhaften Eindruces, den sie zusammen machten. Ich konnte verfolgen, wie sie gewisse Tempi, gewisse Tattformen für ihren Gang suchten, gewisse abgestimmte Stellungen, die, wir sie unter einem blaugestreiften indischen Mantel, der über wie sie unter einem blaugestreiften indischen Mantel, der über beider Schultern geworfen war, mit spanischen Röhrchen in der behandschuhten freien Hand, ihren Vater begleiten, wenn er mit der unvermeidlichen Shagpfeife unter dem struppigen Schnurrbarte in Panamahut und Smoking seinen Abendspaziergang machte oder sie auf leichten Bergtouren in das nahe gelegene Hochland mitnahm. Er selbst, noch schlank und förperlich ausdauernd, war zu jener Zeit Vorsitzender einer Sektion des Alpenklubs und ein eifriger Bergsteiger.
Seine Gattin zeigte fich täglich um drei Uhr, wenn die Fabrikpfeife nach der Mittagsruhe zur Arbeit rief, in Plaids eingepackt, hoch thronend in einer roträderigen Rickshaw, als Pferd den gelben Diener, der sie über die Promenade nach dem Palmengarten der Badeanstalt zog.
Späterhin im Laufe der Jahre brachten Majory und Sarah Lane den größten Teil ihrer Beit bei uns drüben in der Fabrik zu, ohne Aufsicht, da der chinesische Diener wohl wichtigeres zu tun hatte. Wir fahen sie, wenn wir von unseren Kontoren in die Zentrale hinübergingen, hoch oben auf der schwebenden Laufbrücke hängen, mit langen, unter Und die kleinen Mädchen schwiegen; fie standen, an des den schottischen Röcken frei baumelnden Beinen, stundenlang Vaters Schulter gelehnt, auf dem Eisengeländer und blickten, ohne zu sprechen oder sich nur zu rühren, behert von dem die kleinen feinen Augenbrauen energisch zusammenziehend, ewigen Sausen der Maschinen, dem rhythmisch trägen Wiegen mit großer Aufmerksamkeit hinab auf die zehn großen Dy - der Stempel. Und plöglich saben wir sie auf den Eisennamos des Saales, die, unterdessen wiederum freigelassen, gittern der Wendeltreppe herabgleiten und, halb betäubt von ihre ungeheuren drahtumsponnenen Magnete schwangen und Schwindel, rüdlings in einem großen Kohlenhaufen landen. ihre Tausende von gefnechteten, an ihr Bementlager ge- ch unternahm manche Reise mit ihnen auf dem schweren fesselten Pferdefräfte entwickelten. Es flang wie ein Bienen- Laufkran, dessen grauer Eisenleib in der ganzen Breite der schwarm, der auffliegt, wie ein Violoncellton, der durch die gigantischen Montagehalle hoch unter dem Glasdach auf Tonreihe emporsummt und sich festigt in einem ruhig ver- Stahlschienen dabinläuft. Sie saßen in dem mit KohlenHallenden Rauschen wie von ungeheuren Wassermassen, die schlamm angefüllten Krangehäuse, bei jedem meiner Kniee über ein Klippenriff stürzen. eine, und ich suchte ihnen die Diagonalbewegung des Kranes zu erklären: vorwärts und zur Seite, so daß wir jeden Punkt im Saale decken konnten. Und sie folgten stumm mit blinzelnden und prüfenden Augen dem Eisenhaken des Kranes, wie er die aufgestellten Maschinenteile betastete und packte und hob und verfekte, bald ein Zwei- Tonnen- Schwungrad, bald einen fertiggewickelten Dynamoanker von dem Durchmesser einer Loreinfahrt.
Oben in den Werkstätten aber schauten die Arbeiter verwundert auf die Motore, die stillstanden, auf die Treibriemen, die ihren Lauf eingestellt hatten, auf die schwere Transmissionsachse, die plöglich nicht mehr rotierte. Seuchend blieben die kurzatmigen Maschinenhobel in den gewundenen Stahlspänen stecken, die Metallsägen stodten in ihrem ohrenbetäubenden Gelächter, und in den Schmieden ward das Brasseln der plöglich anwachsenden Flammen hörbar, wäh
Ich habe kein Verständnis für Kinder und ihre Gedanken