Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 172.
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Mittwoch. den 6. September.
( Nachdruck berboten.)
Vor dem Sturm.
Noman von M. E. delle Grazie
Habe die Ehre, Herr Predal," mederte es in diesem Augenblick von der Tür her. Küss die Hand, Euer Gnaden!" Der letzte Gruß galt dem Merikaner, der mit einem herabLassenden Nicken antwortete:
„ Aeh der Sami!"
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„ Gott soll ihm helfen," mederte es wieder. Dann kroch ein Häuflein dürrer Knochen auf der Ofenbank zusammen, ganz Respekt und Devotion, während zwei kleine, Fluge Aeuglein unter den Lidern hervor ihren Kalkul zu machen begannen. Es war der Häutljud".
,, Nu, Sami , wie geht's?" fragte der Mexikaner, immer gleich herablassend und mit einem an die Sprechweise des Juden anklingenden, leisen Aeffton.
,, Gott über die Welt, wie soll mir's gehen, wenn so ein mächtiger Mann, wie der Herr Merikaner, fragt nach meinem Befinden? Gut!"
Wo hast denn die Häutl alle wieder zusammengehandelt? Sind keine Schlingenhafen drunter?" ,, Wie haißt, Schlingenhafen.? Und wenn... werd' ich fie legen unter Ihre Nas? Sind alle noch vom Herbst her, die Häutl. Schlechte Zeiten jetzt, gnädiger Herr, sehr schlechte Beiten."
Die Märzhafen sind heuer gut gefallen. Wenn Du Dich im Herbst zur rechtem Zeit meldest, kannst Du mit unserem Jäger abschließen," erwiderte der Merikaner. Darfst Dich auf mich berufen," setzte er herablassend hinzu. Da sag' ich schon jetzt: Küss' die Händ'." Aber er wird fie müssen geben billiger." Dann schließen wir eben mit einem anderen ab!" Der Jude sprang wie ein Kreisel in die Höhe.„ Herr Merikaner, gnädiger Herr, wem wollen Sie richten zugrund'? Hab' ich das verdient? Aber ich weiß: ich werd' mir nehmen die Ehr', Sie zu besuchen, und ich werd' Ihnen zeigen mein Rontokorrent, mit dem Znaimer Hutmacher. Und Euer Gnaden werden sehen!"
1911
Grund ein guter Kerl war, der nur die Konkurrenten haßte, fühlte er sich sofort verpflichtet, dem Fremden, den er einen Augenblick als einen solchen Todfeind" betrachtet, etwas Angenehmes zu sagen. ,, Aber aber... was fizen Se da herumt, wo Se doch könnten machen ä so gutes Geschäftche? Nü, soll heißen scho ä Geschäft!" Mit wem denn?" forschte der Reitermacher. Er hatte heute noch nichts verdient, nun- war es an der Zeit.
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,, Nü, wenn Se geh'n da weiter und immer weiter, bis zum Kreuz, wo sie's heißen den Berg, und wieder herunter, da seh'n Se doch schon von weitem die Wetterfahn' auf den herrschaftlichen Schloß. Nü, und dort können sie brauchen Ihre Wor'."
,, Und wenn ich umsonst hinlauf'?" erwiderte der Bursch. Der Jude wußte ja nicht, daß er schon dort gewesen. Werd' ich Se schicken wohin und eppes umsonst ab plagen?" eiferte Sami . Wo ich doch selber schon frumm bin von dem vielen Laufen? Wenn ich amol sog: ä Geschäft, so ist das so gut, als fönnt' ich's selber machen. Und wenn der Sami was hört mit seine eigenen Ohren, so weiß er, was er hat gehört." Groß genug sind sie," lachte der Mexikaner.
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Der Jude buckelte, als wäre ihm weiß Gott welche Ehre erwiesen worden, ließ sich aber nicht mehr irre machen. Wie immer, wenn es sich um ein Geschäft handelte, ob es nun ein fremdes oder ein eigenes war. Also, wie ich im Hof steh' und mit dem Herrn Rentmeister verhandel" er hielt einen Augenblick ein und rieb sich etwas verlegen hinter den Ohren, Nicht weg'n Has'n," stieß er dann noch einmal so laut hervor, Nein!" lachte der Merikaner höhnisch.
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„ Gott soll mich strafen!" begann der Jude zu zefern. Jetzt lachte auch der Wirt. Und weil es dem Merikaner unangenehm war, rief er ärgerlich:„ Du kannst Deine Häut'In doch kaufen Serr doch kaufen wo Du willst!" ,, Wenn ich aber sag', daß es war ä and'res Geschäft!" „ Lass' den Mann nicht so lang warten," lenkte der Merifaner ab.
Der Kopf des Merikaners verschwand hinter dem Qualm feiner Pfeife, und der Wirt, der dem Juden eben einen Schnaps borsette, machte ein ganz verflirtes Gesicht. Man wußte ja so beiläufig, wieviel diese Besuche kosteten, den Besucher und den Herrn Grafen .
Ich werd' mir nehmen die Ehr'," medkerte der Jude noch einmal und Sie werden sein ein Christ. Auf Ihr Wohl, gnädiger Herr?"
Damit trank er dem Günstling des Grafen zu. Der aber fat, als merkte er nichts, sah durchs Fenster und spuckte zur Seite. Der Predal" fonnte sonst glauben, daß ihm diese Besuche Gott weiß was eintrügen, und sich wieder einmal an den Grafen heranmachen. So einem Böhm" durfte man ja nie trauen! Ein Rothaariger" war er dazu. Saß der Jude nur erst bei ihm, fonnte man ja wieder höflicher sein! Uebrigens war er gewohnt, hinausgeschmissen zu werden. Schon dieser Buckel.... Er schielte zwischen den eingefniffenen Lidern einen Augenblick nach dem Juden. Aber freilich! Da stand er bereits wieder auf seinen dünnen Läufen und fatbudelte nach ihm hin, obwohl die fetten Lippen noch am Glas Schmatten. Nein, der würde deshalb noch lange nicht aus bleiben.
,, Nu also. Wie mer so steh'n und reden, da kommt die Frau Gräfin , Gott soll se bewahren!- und sagt:„ Rentmeister," sagt je, warum sind denn unsere Futterreitern fo meschant? Ich war jetzt im Stall und hab' nachgeschaut, Solche Dinge sollte man ihm doch nicht erst sagen müssen!" Der Reitermacher starrte den Juden wie verhert an. So häßlich und schief der arme Kerl auch war, im Augenblick schien es ihm, als hätte er nie einen Menschen gesehen, der ihm Besseres und Lieberes gejagt. Denn der Jude war doch nach ihm gekommen, also auch nach ihm dort gewesen. Und wenn er sich recht entsann, hatte die blitblanke Last, die er auf den Schultern trug, auch nicht einen Augenblick das Interesse der jungen Herrin des Kunkellehens erregt. Nur an ihm war ihr Blid so eigen abgeglitten. Und wieder hörte er ihre Stimme, sah er die weiße Echarpe aufflattern. Damals hatte sie noch nichts von den„ meschanten Futterreitern" gewußt. Nachher war es ihr gekommen als sie ihn gesehen hatte. Nachher!
Der Atem blieb ihm aus. Sein Herz begann zu pochen in furzen, harten Schlägen, die er bis in den Hals hinauf fühlte.
Und da war sie in den Stall gelaufen und hatte die„ me schanter Futterreitern" entdeckt und dem Rentmeister einen Rüffel gegeben. Aber gedacht hatte sie an ganz andere Dinge dabei!
Wieder blieb es eine Weile still in der Stube. Doch der Er schrak zusammen. Und wenn er sich doch irrte? Jude war feiner von denen, die lang an sich halten können, Wenn es doch vorher gescheh'n wäre? Solche Damen haben wenn er auch immer aus einem Winkel hervormederte. Da ihre Launen, und der Rentmeister hatte vielleicht nur darum faß ja noch einer! Und wenn er recht sah, auch einer von den seinen Rüffel bekommen, weil der Verwalter es wünschte. Gottesleuten, die wie er den ganzen Tag in den Dörfern her- Dieser verdammte Verwalter, der sie nach zivei Seiten zu umliefen. Unter der Ofenbank war es zwar dunkel, aber grunde richtete. Gott über die Welt! War das nicht altes Eisen, das dort unter den Beinen des Burschen hervorblitte? Und Sami wurde unruhig sehr unruhig! Altes Eisen war nämlich von Zeit zu Zeit auch sein Fall.
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Endlich litt es ihn nicht länger. Hat der Herr was zu Handeln?" ging er den Reitermacher an. Der bückte sich und gog eines seiner Siebe hervor. Danke, dante, nir fer mich!" wehrte Sami höflich ab. Er schien beruhigt. Und da er im
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" Hund!" dachte er. Denn man sollte es nicht glauben! Wenn sie auch eine solche" war, etwas Solderes und Mädchenhafteres hatte er noch nicht gesehen. Gewiß war sie älter als er, aber.
Zur Besinnung kommen hieß es. Das waren ja Ge danken, die einem den Atem verschlugen!
Wann wär denn das gewesen?" fragte er plötzlich. Ganz ruhig, mit einer Stimme, deren fremder Klang ihm selbst