Was?" wunderte der sich ganz berdukk.

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" Daß Ihr es mit dem Späßelmacher hallet, mit dem Schufter?" Erstaunt sah der Joseph ihr in das von der Lampe nur halb erleuchtete Geficht, in dem die Augen wie zwei kalt glitzernde Steine standen.

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fuchen. Glaube deshalb niemand einem Dichter! Sie find Lügner von Jugend auf; und im Alter erst recht.

Wir sind jetzt mitten in der Kleinstadt Eschershausen, ich und mein alter Begleiter. Dem Mann ist es unbegreiflich, wie ich mich für sein Heimatstädtchen interessieren kann. Es ist mehr Dorf als

" Ja, ja, halt," gestand er, wir haben dasmal und jenesmal Städtchen. Keine Mauern und feine engen Gaffen. Aber altertüm zusammengesessen im Kretscham."

( Fortjehung folgt.)

In Raabes Vaterftadt.

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lich ist es doch. Die zahlreichen Bauernhöfe haben hohe rundbogige Scheunentüren, wie man sie sonst in Niedersachsen nicht trifft. Sie sehen eher thüringisch oder hessisch als niedersächsisch aus. Den Jahreszahlen auf den Querbalfen nach stammen sie aus dem acht zehnten Jahrhundert. Gegen die alten Bauten der Stadt Brauns schweig find es Wickelkinder. Nach Eschershausen, dem Tummelplatz seiner Jugend, Doch das Raabesche Element wo ist es? Wir finden es in wendet sich Wilhelm Ra abe er würde heute 80 Jahre alt der gewundenen Hauptstraße. Kleine gepflasterte Hügel, aus deren gewesen sein in dem hinterlassenen Romanfragment Alters- primitivem Dolomitpflaster das frische Gras sprogt, führen zu den hausen" zurüd, das nach seinem fiebzigsten Geburtstage entstanden Wohnhäusern hinan. Die niedrigen und ziemlich ärmlichen Häuser ist, als er sich bereits Schriftsteller a. D." nannte und in den sind, statt mit Ziegeln oder Schiefer, mit roten Sandsteinplatten literarischen Ruhestand getreten zu sein behauptete. Daß der Greis gededt. Auch die Front ist mit rhombisch geformten Steinplatten wieder den Drt feiner Kindheit aufsuchte und in den Mittelpunkt geschuppt. Die Sandsteine stammen aus den nahen Brüchen bei einer Altersschöpfung stellte, zeigt, wie nachhaltig das Milieu Stadtoldendorf , in dem Naabe so manchen seiner Romane spielen Eschershausens sich einst dem Knaben eingeprägt hat. Man tönnte läßt. daher sagen, daß in Raabe auch ein Stück Eichershausen lebendig Auf den grasbewachsenen Hügeln vor den Häusern führen hohe geworden ist, weshalb zum Verständnis Raabescher Wesensart Sandsteintreppen zu den Haustüren. Die Treppen sind imposanter, auch die Kenntnis seiner Vaterstadt und ihrer Umgebung gehört. als die niedrigen Häuser. Oben auf den Treppenterrassen stehen Doch wer weiß was von Eschershausen? In einem abgelegenen grüngestrichene Bänke, vielfach mit Blumenranken umwunden, an Winkel der braunschweigischen Weserberge liegt es begraben. Noch die idyllische Bank der Nachbarskinder in Andersens Schneekönigin nicht 2000 Einwohner zählt es, und feine einzige Sehenswürdigkeit erinnernd. Das weiß getünchte, mit altersschwarzen Balken durch­enthält es. Dennoch wird ein Ausflug nach dem Städtchen schon zogene Pfarrhaus, an dem sich ein gewaltiger wilder Rebenstock, der herrlichen Landschaft wegen reich belohnt. in drei Stämme geteilt, dicbuschig emporrantt, könnte ganz gut Eschershausen zieht sich fanft den Berg hinan und liegt in einem Raabesche Gestalten bergen. Der Pfarrherr scheint jedoch nichts Kranze von Obst- und Gemüsegärten gar freundlich. Hohe Schorn- weniger als raabisch veranlagt zu sein; denn er hat sich von der steine im breiten Tale verraten den Einzug der Industrie, Gemeinde ein neues, geräumiges, aber prosaisch häßliches Haus der dem alten Raabe , da er sein Eschershausen als Altershausen mit 20 großen Zimmern bauen lassen, das der Fertigstellung enta wiedersah, einige Beklemmung verursacht hat. Es sind Asphaltwerke. Wiesen strecken sich den Bergkamm hinan, an den sich Eschershausen legte. Der Braunschweiger Diener Gottes hat es durchgängig gegengeht. Des Menschensohn hatte nicht, wohin er sein Haupt anlehnt. Die Höhen find herrlich bewaldet. Auf der anderen Seite beffer: er sitt in fetten Pfründen, wie die Bischöfe der englischen durchbrechen bizarre Felsen überall den dichten Bergwald. In der Staatskirche. flaren Luft heben sich ihre Formen scharf ab. Es sind die Dolomiten von Eschershaufen, wirkliche Dolomiten. Daher auch die festen, weiß grauen, sauberen Straßen. Etwas weiter hinter Eschershausen er­hebt sich eine gewaltige Bergluppe, schon etwas angeblaut von der Ferne, der Deister , der mit Solling und Sündel das Weserberg­Sonntäglich geputzte Menschen wandeln aus Eschershausen zum fühlen Wald empor. An diesem Tage ohne Luftperspektive fann man genau die weißen und hellbunten Kleider der jungen Mädchen unter­fcheiden. Es scheinen viele Liebespärchen darunter zu sein. Und wenn fie es noch nicht sind, ein solcher Tag muß fie dazu machen. Dieser blaue Himmel, diese goldige Sonnenflut, diese reine töftliche Luft in dieser heiteren lebensfrohen Landschaft. Es ist ein fündiges Wetter, es macht gereifte Menschen jung. Es strömt wie Liebestrant durch das Blut, es rieselt hochzeitlich durch die Sinne. Es verlöscht jede me­lancholische Regung, es verweht jede Sorge, es macht so leichten Sinn, alles wandelt sich in übermütige Lebensfreude; die Landschaft wird Gefühl, Gefühl, wie man es nur in den schönsten Tagen der Jugend empfunden hat. Man fann sich bei diesem Wetter feine alt fühlenden Leute in diese Gegend denken.

land bildet.

Eschershausens aus. Da stehen zum Beispiel vor der mächtigen Recht Kleinstädtisch und raabisch gedrückt sehen die Kaufläden Steintreppe mit grünen Bänken wie Türhüter zwei alte Kastanien­bäume. Ganz allerliebst und stimmtungsvoll! Aber die Ausstattung des Erkers! Leere Maggiflaschen, Korfpfropfen, Leimblätter, Petroleumfannen, Zuckerhüte und staubschwarze Kaffeetassen. Alles so wüst und wirr durcheinandergestellt, daß man kein überempfind licher Aesthet zu sein braucht, um das Gruseln zu bekommen. Auch hinter diesem Erker könnten Raabefche Gestalten hausen. Ganz an den Hungerpastor erinnert wurde ich durch mein Zimmer im Gasthause. Auch dieses Bimmer wäre eine Augenweide für einen aynischen Philosophen gewesen. Nur Tisch, Bett und Stuhl hinter einer Glastüre mit den weißgestrichenen Holzgitterchen, die für die frühefte Biedermeierzeit so charakteristisch sind.

Raabes Geburtshaus, das zwar kein grasbewachsenes Vorhügelchen, aber doch die hohe Steintreppe hat, ist, wie die meisten Häuser Eschershausens, von oben bis unten mit roten Sandstein­platten gepanzert. Es hat nur ein Stockwerk über dem Erdgeschoßz und recht kleine Fenster, aber es gehört dennoch zu den ansehn­Und doch liegt ja da unten an der ausgetrodneten Lanne, die im lichsten Häusern Eschershausens und macht den vielen armseligen Frühjahr zum reißenden Bergstrom werden kann, das Altershausen anderen Bauwerken gegenüber fast einen patrizischen Eindrud. Ein Wilhelm Raabes, dieses ewig alten Dichters, der sich schon in seiner weiter, kühler Estrich; das niedrige, jedoch tiefe Wohnzimmer auf Chronit der Sperlingsgaffe", die er in Berlin als junger Student der einen, die schreckliche gute Stube mit den vielen gehäkeltem farieb, ganz in die Gefühle eines bejahrten Junggesellen hinein- Schondeckchen auf der anderen Seite. lebte; das Altershausen Wilhelm Raabes, der sich in der Enge Gut raabisch ist die Gedenktafel, die erst im Jahre 1901 ange muffiger Häuschen am wohlften fühlte, lieber in dämmerigen Ge- bracht wurde. Daß sich Raabe in Altershausen " nicht selbst dar machen, als unter weitem, blauendem Himmelsgewölbe weilte und über luftig gemacht hat! Bon Marmor ist sie sicher nicht und ihr biel besser in die uralten winteligen Gaffen Altbraunschweigs als in Umfang nicht größer, als das Schild eines praktischen Arztes, diese freie lachende Landschaft paẞte. Kann dieses Eschershausen Wundarztes und Geburtshelfers. Ich habe sie im Verdachte, vom wirklich das Altershausen Wilhelm Raabes sein? Kann hier der Blechschmied des Ortes geliefert und mit Delfarbe überstrichen zarte Lavendelduft aus alten Biedermeierkommoden zu spüren sein, worden zu sein. Die Inschrift:" Hier wurde Wilhelm Raabe am der uns aus der feinen Altertümlichkeit Raabescher Romane ent- 8. September 1831 geboren", ist wohl mit Bronzetinktur darauf gegenweht? gemalt. Ein Schuljunge fönnte sie an einem freien Nachmittage gefertigt haben. Das würde ganz hübsch in einen Raabescher Roman passen.

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Gar nicht zu Raabe pakt jedoch der geschmacklose neue Spring­brunnen, den man auf dem Hauptplate Eschershausens( er würde wohl Raabeplab heißen, wenn's eine Straßenbezeichnung gäbe) zu­sammenzementiert hat. Natürlich springt dieser Begasbrunnen nicht. Das Beden war völlig ausgetrocknet. Dafür sah das Gras zwischen dem Pflaster recht saftig aus.

Eigentümlich mutet die Kirche an. Ein plumper Steinkloh, mit einem ebenso plumpen, niedrigen, vierkantigen Turm, den ich von weitem für ein mißratenes Gartenhäuschen hielt. Aber sie paßt nicht übel unter Raabesche Gestalten.

Steigen wir hinunter nach Altershausen ! Wo ist denn Ludchen, der Jdiot, der Schullamerad Raabes, der ihn beim Lehrer anzeigte, als er Raabe eine Laus hatte? Ludchen soll sich nach Raabes Altershausen" wie ein kleiner Schuljunge benehmen, der Kinder­spott Altershausens sein und sich mit den jugendlichen Kofferträgern um die Gunst der Reisenden balgen. Es gibt in Eichershausen weder Fremdenführer noch Kofferträger. Man begegnet den Geschäftsreisenden wie den Touristen mit souveräner Berachtung. Es fönnte ja einmal anders gewesen sein. Ein alter Eichershäuser jedoch, der mir als sehr vertrauenswürdiger Mann empfohlen war, belehrte mich eines anderen. Raabes Altershäuser Schulkamerad Ludchen hat nie existiert. Wir fragen andere alte Eschershäuser aus: Die ältesten Leute vermögen sich an feinen Jdioten zu erinnern, der zu Zu einer stimmungsvollen Kleinstadt gehören die Obst- und Raabes Ludchen Modell gesessen haben könnte. Der Alte Gemüsegärten vor den Toren. Grüne Hecken aus Hainbuchen. bat also geflunfert, was das gute Recht des Dichters Dahinter schnurgerade Sandwege und breite Rabatten, mit Buchsa ift. Der greise Schalt würde noch jetzt in feiner warmen baumstreifen eingefaßt. Lange Reihen von Johannisbeer- und Ede in Herbsts Weinstuben in Braunschweig , wo er hinter Stachelbeersträuchern an weißgestrichenen Stüßen. Dazwischen seinem Burgunder Punich saß, dem eine Flasche Bordeaug bunter Blumenflor. Auf den Rabatten selbst die Erbsen und als Reserve zur Seite stand, gar vergnüglich geschmunzelt haben, Bohnen, die Rüben und Kohl, die Salattöpfe und Kräuterstauden, wenn er gehört hätte, daß ein Braunschweiger Literat extra nach alle, wohl sortiert und säuberlich voneinander getrennt, in muster­Eschershausen gefahren sei, um das Altershäuser Ludchen aufzus hafter Baradeordnung. In der Mitte zwischen den Beeten eine

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