Zeit zu lassen, erst sein»Ist's erlaubt?" anzubringen. In solchen Dingen hielt er auf„Distance ". Aber seltsam! Der Heiner machte heute so gar keine Umstände, vergaß sogar, die Kappe abzunehmen. „Oho!" dachte der Mexikaner. Aber da stand der lange Kerl schon vor ihm— todbleich, und legte eine blaue Weiber- schürze und ein rotes Kopftuch auf seinen Tisch nieder: ohne ein Wort zu sagen. „No— 0?" machte der Mexikaner. Seine Hand fuhr unwillkürlich nach dem Zeug.„Ist ja ganz naß," rief er ärgerlich,„Pfui Teufel!" «Weil's auf dem Teich rumg'schwommen ist!" gab der Heiner langsam zurück. Er keuchte noch immer von dem raschen Lauf und die Hand, die auf dem Gewehrriemen lag, bebte. „Und was soll denn ich damit?" fuhr der Mexikaner auf. Die seltsmne Haltung des Kerls begann ihn allmählich zu reizen. Aber der Heiner ließ sich heute nicht imponieren, absolut nicht. Und während er dem Unwirschen das dümmste Bauern- gesicht entgegenhielt, das dieser seit langem gesehen zu haben meinte, erwiderte er lakonisch:„I ch kann dös doch nicht dem Herrn Grafen sagen!" „Was kann er dem Grafen nicht sagen?" Das kam schon um vieles vorsichtiger heraus und leiser. Und ein Un- behagen, das plötzlich aus den dunklen Tiefen seines Innern emporstieg, machte ihn noch vorsichtiger. Weibersachen, da konnte man ja nie wissen... Der Heiner sah noch einmal zurück, ob die Tür auch wohl geschlossen wäre. Und nachdem er aufs neue tief Atem geholt, murmelte er verstört:„No, daß sich Jillys Annalies ertränkt hat!" Der Mexikaner war sonst heikel auf seine Beine: denn wie gesagt, er hatte die Gicht drin und weil die gerade im Frühling immer besonders arg kam, mußte er sich bei jeder Bewegung gar sehr in Acht nehmen. Diesmal aber fuhr er mit beiden Füßen zugleich empor.„Hol's der Teufel!" brüllte er gleich darauf vor Schmerz und sah den Heiner an, als ob der ihm nun aus Mitleid etwas anderes sagen sollte? Doch der Heiner verzog keine Miene und nahm auch nicht ein Wort zurück. Also schien die Sache wahr. tFortsetzung folgt.). lNachdruck DerbuleiU 28] Die jMelftenn. Von A u g u st Friedrich Krause. ..'s Nesthäkek is sie, die Anna, na gell?" fragte sie, als sie der Gelähmten gegenüber Platz genommen hatte. „Wir haben sie nicht asu gehalten, der selige Krimke und ich!" „Hat sie schon ans Heiraten gedacht?" „Ach je, dodermiete hat's noch Zeit. Angeboten haben sich ihr schon genung; aber Du weiß ja, wic's geht: amal paßt das nich und amal jenes!" Die Rotheru nickte. „Wie alt is sie denn?" .Dreiundzwanzig wird sie auf Johanni!" „Da war sie nich zu alt für mein'» Paule!" Nur kurz und von der Seite her ließ die Bäuerin ihren auf- inerksamen Blick über das Gesicht der andern gleiten, tat aber, als wäre in der Bemerkung nichts Besonderes: „Zu alt grade nich," wich sie aus. „Hätt'st Du sonst was dagegen?" Auf diese direkte Frage sah die Gelähmte ihr offen in die Augen: „'s war' schon manches!" „Was wär' denn das?" „A bisse! jung zum Heiraten is er noch, der Paule!" ..Ich kann nich warten, bis er älter is!" entgegnete Frau Rothcr rauh. „Warum pressiert Dir'sch denn asu?" „Mir sitzt der Tod auf'm Nacken!" „Jeses, Rothern," rief die Bäuerin erschreckt und haschte, sich vorbeugend, mit ihrer gesunden Linken nach den lässig im Schoß ruhenden Händen der Meisterin. Fest, aber mit ruhigem Blick, sah die ihr in die Augen: „Ock das eine Hab' ich noch in die Richte zu bringen, dann kann ich gern sr-rben." Die BäueiSn, auch schon vom Tode gezeichnet, starrte, den Schreck im Herzen, die andere entsetzt an. Sie wollte noch nicht sterben, sie noch nicht! Sic hatte noch viel zu richten auf Erden! „Sieh ock. Krimken," fuhr die Meisterin fort für ihren Sohn zu werben, als hätte sie Eile, ihr Vorhaben zu Ende zu bringen, „der Paul hat viel von sc'Ncui Vater. Wenn der nicht eine harte Hand kriegt, da wird er schlecht. Dein Mädel, die war' die rechte für'n, glaub ich. Die weiß, was sie will und kann was sie will. Die hat die rechte Hand für'n und's rechte Herze auch." Noch immer ganz verstört, nickte die Gelähmte zu allem: „Ju, ju. ju! Du hast ju recht!" „Hätt'ste sonst noch was gegen a Paule?" „Nee, nee, suste nischt!" wehrte die Bäuerin und mußte immer nur, Tränen in den Augen, die dem Tode Geweihte ansehen, so erschüttert hatte sie, was sie vernommen. Und ganz vergessen war, daß ihr vor/itx viel mehr auf dem Herzen gelegen, als die Jugend des Burschen. „Wärste da einverstanden?" fragte die Rothern aufatmend. „Wenn die Anna will!" „Die können wir ja fragen!" Ehe sie aber die Haustochter rief, legte sie der Krimke-Bäuerin ihre Geld- und Geschäftsverhältnisse bis ins einzelne vor und ließ sich berichten, was die Braut mit in die Ehe bringen würde. „Es muß alles seine Richtigkeit haben," erklärte sie, und damit war auch die Bäuerin einverstanden, die über diesen VerHand- lungeu ihren Schreck wieder vergessen hatte. Als die Mutter dem Mädchen auseinandersetzte, was sie mit der Meisterin besprochen hatte, richtete es die ernsten, klaren Augen fest auf die Werberin. „A Paule?" fragte es zweifelnd. „Ju, a Paule," bestätigte die Gelähmte. Da schüttelte die Anna langsam den Kopf. „Ich mag der Glück-Gretc nich ins Gehege kommen." Die Mienen der Frau Rother umfinsterten sich. „Das hat a Ende," stieß sie hart hervor,„ein für allemal!" Aber der Jungen blieben die Zweifel. „Ich Hab die beiden amal gesehn mit'nander," berichtete sie mit leiserer Stimme, und eine feine Röte stieg ihr ins Gesicht bei der Erinnerung,„da mag ich mich nich dazwischen drängen." Fest preßten sich die schmalen Lippen der Meisterin aufcin- ander, und ihre Augen bekamen dunkleren, härteren Glanz. „Wenns doch nu aber a Ende hat," redete die Gelähmte zu. „Das Ende hat bloß die Mutter gemacht, nicht der Paul!" Da quoll jäh die Angst in der vielgequälten Frau über, daß die Anna auf ihrer Weigerung beharren könnte, und die schlaff herabhängende Hand der Jungen fassend, flehte sie, ihrer selbst kaum mächtig: „Tu mir das nicht an, Anna, daß Du nein sagst! Um Gottes willen, tu mir das nicht an!" Und ein kurzes, hartes Aufschluchzen, wild und verzweifelt, würgte sich aus ihrer Kehle. Erschreckt, fast befremdet von dem Ausbruch der Kalten, Ver- schlossenen trat das Mädchen einen Schritt zurück. Aber schon hatte die Meisterin sich wieder in der Gewalt. Ihre Mienen, über die noch soeben die Angst geflammt, waren schon wieder so kalt und unbeweglich wie immer. Sie stand auf, und in ihrer ganzen Haltung war derbe Eni- schlossenheit: „Er soll selber kommen zu Dir und sagen, daß's a Ende hat mit der Grete." Ganz dicht trat sie vor daS Mädchen hin und sah ihm fest in die Augen: „Willst'n dann nehmen?" Die Anna aber schlug den Blick nicht nieder, wie alle sonst taten, die das Auge der Meisterin so bannte, und ein paar Sekunden standen die beiden Frauen sich schweigend gegenüber, jede tief in der Seele der anderen grabend, bis das Mädchen endlich die Ant- wort fand: „Dann ja!" Die Mutter sah ihre Tochter verwundert an:� Die hat ja denselben harten Ton in der Stimme wie die Rothcr», dachte sie. 1!. Am Abend desselben Tages noch, an dem die Meisterin bei der Krimke-Bäuerin gewesen und für ihren Sohn um die jüngste Tochter geworben, hatte sie eine Unterredung mit deni Paul. Der war wie aus den Wolken gefallen, als er hörte, welchen Gang die Mutter am Nachmittag für ihn unternommen. „Die Krimkc-Anna?" fragte er und war dabei totenblaß im Gesicht. „'s is a gut Mädel," lobte die Mutter,„und tüchtig is sei. Die wird Dir a Hausstand gut in Ordnung halten!" Und sie erzählte, wie sie auf dem Krimke-Hofe alles so blitz- sauber und ordentlich gefunden habe, keinen Fleck auf den Dielen, kein Stäubchen auf den Möbeln. Und alles habe die Anna zu schaffen; die alte Bäuerin könne doch nichts mehr tun, und der jungen, der Frau vom Sohne, läge die Viehwirtschaft genug auf, daß sie um das Hauswesen sich nicht kümmern könnc.� Eine schöne Ausstattung bekäme die Anna auch und ein gut Stück Geld noch obendrein. „Ich Heirat' noch nich!" stieß der Paul plötzlich hervor, ohne dabei die Mutter anzusehen, und die Blässe seines Gesichts wechselte jäh mit tiefer Räte, die bis in den Nacken hinabstrahlte. Auch die Mutter wußte, woran er dachte. „In einem Vierteljahr oder schon eher bist Tu alleine, da brauchst Du eine Frau, die Dir Dein bisse!.Gelumpe zusammen- hält!."
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28 (12.10.1911) 198
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