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Der Mutter entging das Gesicht des Sohnes nicht, aber sie sagte| nichts; nur besorgt streifte, wenn sie meinte es unbeobachtet tun zu können, ihr fragender, suchender Blick das Mädchen, als wenn fie fich überzeugen wollte, ob es Kraft haben werde, den Sohn zu halten.
Bom Begräbnis sprachen sie und von der Hochzeit; bis ins Kleinste hinein traf sie ihre Anordnungen für beide Feiern, und nicht müde wurde fie, immer und immer wieder davon zu reden, besonders von der Hochzeit, die ihr mehr am Herzen lag als alles andere. Die Anna hörte ihr mit ruhigem Gesicht stets aufmertsam und geduldig zu, auch wenn sie innerlich nicht ganz einverstanden war:
Es war ein stummes, hartes Ringen zwischen Mutter und Sohn bis zum legten Atemzug.
Oft wollte der Troh ihm den Nacken steifen, daß er sich nicht niederbeugte, ihr die Worte zu sagen, die allein sie zu beruhigen vermochten. Dann wurden ihre Augen immer größer, der Blick immer härter und herrischer und ließ nicht von ihm ab. Sie zwang es noch, daß dieselbe Kraft in ihre Augen fam wie in gesunden Tagen, so groß war die Angst der Sterbenden um den Sohn. ( Schluß foigr.,
" Ja, Mutter," versprach fie, 3 soll all's so gemacht werden!" Kranich fchnabel und Ocbfenmaul. ' s Kranichfchnabel
Dem Paul aber wurde es oft zu viel, wenn von nichts weiter geredet wurde, und einmal, als er seinen Mißmut darüber laut werden ließ, fuhr die Mutter ihn hart an, wie er das in ihren franken Tagen gar nicht mehr gewöhnt war an ihr.
" Ihr sollt all's so machen, wie ich's haben will." rief sie erregt, und ihre Augen blitten, ich will auch dabei sein, wenn Ihr Beide Hurt machen tut! Auch wenn ich schon im Grabe liegen tu!" Um ihre Teilnahme an der Feier auch äußerlich recht finnenfällig zu machen, bestimmte sie: auch für sie müsse ein Stuhl vor den Altar, wo die Trauzeugen siken, und einer an die Hochzeitstafel gestellt werden. Dem Brautpaar gegenüber wolle sie beim Mahle fitzen, ein Teller solle auf ihrem Plaze stehen und ein Besteck dazu gelegt werden, ganz so, als wenn sie lebe.
Da merkte der Paul, daß auch noch im Grabe sie Gewalt haben wollte über ihn, und hart biß er sich auf die Lippen; ſein Gesicht wurde noch blasser, als es jetzt schon immer war.
Von Dr. Paul Landau.
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Stranichschnabel und Ochsenmaul! mit diesen beiden Namen bezeichnete das 15. Jahrhundert die größten Ertreme der Schuhform, die gegen Ende dieses Säkulums eine turze Zeit sich den Rang streitig machten, bis das breite Ochsenmaul" den so lange hindurch angebeteten Kranichschnabel" völlig unter das altmodische Gerümpel verdrängte. Und liegen in diesen, beiden Worten nicht auch in der Gegenwart die Gegensätze der Schuhmoden beschlossen? Wer fragt heute noch nach der langen scharfen Spitze des Stiefels, mit der vor wenig Jahren das„ Giger!" stand und fiel, nachdem nun das schwere breite Vorderteil des amerikanischen Schuhes seinen Siegeszug durch Europa angetreten hat? Und doch droht über furz oder lang auch diesem Ochsenmaul" aus dem Lande der Yankees das Ende. Schon jetzt wird die Schuhform schlanker und spiker. Wer weiß, ob nicht bald wieder die Zeit des schmalen Wie ein Wahnwih lebte ihm im tiefsten Seelengrunde noch eine Schnabels" gekommen ist? Aber die große Modefrage ist ja überfleine, furchtsame Hoffnung, die sich scheu duckte, wenn sie ihm ein- haupt nicht mehr in dem Maße eine Schubfrage, wie in den Zeiter mal hell ins Bewußtsein kam, und doch nicht tot zu kriegen war, so des Rittertums und des Rofoffo, in des. Ilassischen Epochen des fehr er auch sie bitter verlachte. Er konnte und konnte den Schmerz langen, sich fest anschmiegenden„ Beinlings" und des„ Steckelschuhs". um die Grete nicht verwinden. Am Tage tat er seine Arbeit eifrig, Unser Schuh ist ein schlichtes, zweckmäßiges Kind der Straße und raftlos aus einem ins andere hetend, und gönnte sich keine Ruhe, des Sports geworden, ist nicht wie einst ein reichgeschmücktes um abends, wenn er die Anna durch das schlummernde Dorf heim: Symbol, verflärt von Poesie und Sitte, fein eleganter verwöhnter gebracht hatte, erschöpft und zerschlagen auf sein Bett finken zu Liebling des Salons. Nicht mehr bringt man, wie vor Zeiten der dürfen. Denn vor dem Sinnen und Besiinnen fürchtete er sich: dann Germane, den Schuh als treues Unterpfand eines innigen Berlöb gingen seine Gedanken Wege, die ihn selbst erschreckten, wenn er, niffes der Geliebten dar. nicht mehr ziert der Schuh das Wappenruhiger geworden, bei Tageslicht sie nochmals überdachte. schild eines alten Rittergeschlechtes als Zeichen von Recht und Eigentum, wird der altväterische Bundschuh zum sinnfälligen Ausdruck einer gewaltigen sozialen Bewegung, wie der Bauerntriege der Reformationszeit. Nicht mehr trinkt der Sänger in Treuen " den Wein aus dem Pantoffel seiner Dame, und jenes Gefühl ist uns fremd geworden, das der liebestruntene Holofernes im Buch Judith Durchlebt: Ihre schönen Schuhe verblendeten ihn." Wahrlich, im Schuh, der uns ein so nüchternes und rein praktisches Werkzeug dünft, spiegeln sich in einer interessanten Froschperspektive" Geist und Geschmack der Zeiten, wenn auch freilich nicht selten in wunders
Oft schon hatte er, wenn er vom Krimfe- Hofe heimging durch die dunkle Nacht, eine süße Stimme lockend und raunend vernom men, und er hatte immer erst gemeint, das Sinnen seiner Seele wäre ihm lebendig geworden im Ohr, bis er im Dunkel ein schlanke, schmeidige Gestalt erkannte und das leise Rauschen ihrer Röde ihre Nähe ihm zum Bewußtsein brachte.
Jedesmal aber, wenn er, halb von Sinnen, antworten, wenn er in ihre Arme taumeln wollte, war der ernste, strenge Blick der Mutter vor ihm hell geworden, und eine furchtbare Angst hatte ihn gepadt, daß er dabonjagte. Hinter ihm aber verklang der sehnsüchlicher Verzerrung und Verirrung. tige Ruf vom Wind vertragen leise im Dunkel.
Neuchend, mit graublaffem, berzerrtem Gesicht, trat er dann in die Stube und zur Mutter, die ihn erschrocken anstarrte. Auf ihre Fragen antwortete er nicht; die halbe Nacht aber saß er bei der Schlaflosen, als wüßte er sich hier allein Schutz gegen sein leidenschaftliches Sinnen und Sehnen. Bis er lange nach Mitternacht völlig erschöpft in seinem Lehnstuhl einschlief.
Sie ahnte, was an solchen Abenden ihm begegnet war, und fühlte, wie bitter schwer er mit sich rang und litt mit ihm. Sie wußte aber auch, daß nicht die eigene Kraft, die schwache, in ihm Widerstand leistete gegen das Begehren seines Blutes, sondern allein der Zwang, den sie auf ihn ausübte, und je öfter sich diese Begnungen mit ihren Folgen wiederholten, um so größer und quälender wurde in ihr die Sorge: es könnte ihn doch wieder überwältigen, wenn sie nicht mehr war und er sich frei fühlte vom Zwange ihres Willens. Sie empfand, wie sein leidenschaftliches Begehren mit jedem Male mehr ihn von ihr abtrieb und wie sie damit schon jett allmählich die Gewalt über ihn verlor.
In dem Feuer dieser Angst verzehrten sich rasch die letzten Kräfte ihres germürbten Körpers.
Die Frühlingsstürme brausten über das Land und brachten die Kraft Gottes, das Wunder der Auferstehung neu zu vollbringen, der Erde wieder; da rüstete diese Seele dieser Frau, die über das Grab hinaus leben, wirken und ihr Lebenswerk vollenden wollte, Abschied zu nehmen.
Die letzten Tage war auch ihre Seele müde und fraftlos geworden; nichts nötigte ihr mehr Interesse ab, was doch bisher auch noch auf dem Krankenbett ihr Leben gewesen war. Sie hatte alles gerichtet, so weit sie es zu richten vermochte, nun wollte sie ruhen von der Not aller äußerlichen Dinge. Ihr Körper war schon zu schwach geworden, noch Schmerzen zu empfinden; das Feuer ihrer Augen war erloschen, die Stimme hatte allen Klang verloren, alle Bewegungen waren geworden wie die einer Einschlafenden.
Nur wenn der Sohn zu ihr ans Bett trat, wurde sie ein wenig lebhafter; dann hob sie mit Anstrengung die schweren Lider und sah ihn an, unberivandt, starr, hart. An dem Blid erfannte er, daß noch immer ein Wille in ihrer Seele lebte, der Wille, der ihn gezwungen hatte, solange er denken konnte, und am härtesten in den letzten Monaten. Der Blick erschütterte ihn und wühlte ihm die Seele auf, denn er wußte, was er ihm sagen wollte, was er von ihm heischte, herrisch fordernd, und er wurde blaß unter diesem Blick wie die getünchte Wand.
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Der erste Mensch die Dichter meinen, es sei eine Frau gewesen der sich zum Schuß gegen Dornen, Steine und heißen Sand ein Stüd Tierleder unter die nackten Sohlen band, ist von der poetischen Legende verherrlicht worden. Die Sandale ent stand jedenfalls aus dieser Urform des Schuhs; sie ist in der Gestalt der gekrümmten Sandale", deren nach außen vorn umgebogene Sohle auch den Zehen Schutz gewährte, bei allen Kulturvölkern des Altertums vorhanden. Daneben erscheinen schon bei den Aegyptern Schuhe und Stiefel, grün gefärbt, mit zierlich geschnitte nen Schnürriemen versehen, auf den Sohlen mit Figuren bemalt, erlesene Schmuckstücke, deren Reize die Orientalen besonders durch gekostet, denn auch im Alten Testament finden wir die Freude an den schönen Schuhen deutlich ausgeprägt. Das Ansehen, das bei Griechen und Römern die Schuhmacher besaßen, läßt auf eine gleiche Hochschäßung schließen. Die Hellenen kannten bereits Schuhmoden, bei denen luguriöse Schmudformen, Arabesten, Stidereien, Spangen, Rameen usw. die Fußbekleidung verzierten. Jm allgemeinen aber blieb doch im Altertum die einfach natürliche Sandale, die die edle Gestalt des Fußes, das feine Spiel der Mus feln zu bewundern erlaubte, vorherrschend; wie herrlich sich in folch zwanglos freier Hülle die natürliche Bildung entfaltete, schauen wir noch heute staunend an den antifen Statuen.
Im Gegensatz zu solch geläuterten Formen des Kulturmenschen stand der Schuh des Barbaren, der dem Römer fremdartig und sonderbar erschien. Der früheste germanische Schuh, der uns erhalten ist, stammt aus vorrömischer Zeit und fand sich an einer Leiche, die aus dem Torfgrund der oftfriesischen Gemeinde Ehel gehoben wurde. Dieser aus einem einzigen Lederstück geschnittene Schuh hatte auf dem Spann einen Ausschnitt, dessen eine Langa feite in einige Laschen mit Schliklöchern zerteilt war, während die andere mit Reihen von hübschen Stern- und sonstigen Mustern durchbrochen und mit Riemen besetzt war. Es ist der Typus des allen germanischen Stämmen gemeinsamen Bundschuhs, wie er wiederholt in Torfmooren aufgefunden, bei dem die Niemen durch die gegenüberliegenden Laschen gezogen und über dem Spann mit vielfachen Verschlingungen zusammengeknüpft werden. So einfach diese Fußbekleidung auch war, gestattete sie doch mancherlei Schmuck in bunter Färbung und Vergoldung, in eingepreßten oder eingeschnittenen Ornamenten. Aus der Merowingerzeit sind uns ein paar sehr schöne Bundschuhe erhalten, die in einem Torfmoore bei Friedeburg in Ostfriesland die Füße eines Steletts geschmüdt haben. Die Tracht der Franken", berichtet der Mönch von