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Menfch fiehe der erste Menich, der erfie große Mensch einer neuen Welt, das ist der Sinn des Titels und des Buches.

In anderer Bedeutung wird das Wort tragische Wahrheit: Siehe da ein Mensch, nur ein Mensch!

II.

geifen habe? Daß er reichsdeutsch aarde." Er besingt den Süden in der Musik.

Dann schreibt Niebiche von der inneren Gesundheit, von der Leichtigkeit, der Selbstsicherheit feines Natur. Es ist kein Ringen in ihm. Alles ist leicht, fchöpferisch, ohne Qual erwachsen. Er ist der geiunde Mensch an si der erste gesunde Mensch. Alle Großeir In einer gelassen schwebenden Heiterfeit hat Friedrich Nietzsche dieser Welt find Stranke gewesen. Es war schlechtes Blut in ihnen. feine Lebensgefchichte zu schreiben begonnen. Man muß die Vor- Man versteht, was Nieziche unter der Masse meint, unter den Viel­rede zunächst überschlagen, in der der Größenwahn grinst. au- Wielen, die er von sich peitscht. Es ist nicht etwa das Volk, das Maffe, Gesindel, Innerhalb meiner Schriften steht für sich mein Zarathustra. Ja Proletariat, das Reich der sozial Entrechteten. habe mit ihm der Menschheit das größte Gefchent gemacht, das ihr Entartete, das sind die Gebildeten, das akademische Bürgertum, die berühmten Geniekollegen. bisher gemacht worden ist. Dies Buch, mit einer Stimme über Im dritten Teil erläuterte Nichiche seine literarische Ents Jahrtausende hinweg, ist nicht nur das höchste Buch, das es gibt, das eigentliche Höhenluft- Buch die ganze Tatiache Menich wickelung, ieine Schriften. Er wehrt Mißverständnisse ab. Seine liegt unter ihm-, es ist auch das tiefste, das aus dem innersten Bücher haben von lauter Erlebnisien geredet, die gänzlich außerhalb Reichtum der Wahrheit herausgeborene, ein unerschöpflicher der Möglichkeit einer häufigen oder auch nur seltenen Erfahrung Brunnen, in den fein Eimer hinabsteigt, ohne mit Gold und Güte gefüllt heraufzulommen. Hier redet fein Prophet", feiner jener ichaurigen Zwitter von Krankheit und Willen zur Macht, die man Religionsstifter nennt". So maßlos schreit es aus dem späten

Vorwort.

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liegen. Sie seien in der ersten Sprache zu einer neuen Reihe von Erfahrungen geichrieben. Er will fein Heldenverehrer sein, kein Darwinist der Entwickelung, vor allen Dingen fein Jdealist, noch weniger ein Philosoph des preußischen Junkertume, als den man ihn angesprochen hatte. Man fann ihn in Deutschland nicht verstehen. Ju Paris begreift man ihn.

Das Buch selbst zerfällt in vier Abschmitte. Warum ich so Und hier bricht schon das platte Gefchimpf eines zerstörten Geistes, weise bin", steht über dem ersten Teil. Warum ich so der sich nicht mehr zu beherrichen weiß, erschreckend durch. Er nennt flug bin", verrät Niegiche im zweiten Abschnitt. Warum fich den Antieiel", heißt einen Gegner Dornvieh", gefällt sich in i so gute Bücher ichreibe", begründet er im britten, albernen Schüttelreimen( Hohltöpfe"," Kohlköpfe"), in findifchen Warum ich ein Schidial bin".-flammt's über der Wormwißen( medizhnisch"), in blöden Beripottungen von zeitgenöift­fchaurigen Pforte zur Nacht, aus der die brennend taumelnden fchen Schriftstellern( Nobl, Pobl", Kott"), in finnlosen Urteilen Phantasien des Schluffes rätfelvoll rauschen. ( Henrik Jbien, eine typische alte Jungfrau"). Dazwischen aber Be­merkungen von großer Feinheit.

( Nachdruck verboten.

Smyrnateppiche.

Im ersten Teil schildert Niezsche die Grundzüge seines Wefens, gibt Daten aus seinem Leben, redet von seiner Abstammung, feiert Bei der Darstellung seines Hauptwerks Zarathustra aber blidt seinen Vater und schreibt, wie in einer Rückkehr zu feiner ersten man nun jäh in den Abgrund der geistigen Zerstörung. Man kann Jugend, bald wie ein loyaler, gutgesinnter deutscher Pastoren- feit dem Ecce homo" genau feststellen, an welchem Punkte der sohn, der sich selbst der Beziehungen mit preußischen Stönigen Wahnsinn Niezsches beginnt. rühmt, bald wie der Nietzsche der gesündesten Zeit, in der er von allem Chriftlichen, Verzückten und Dunklen Geneiung sog aus den freien hellen Geistern der leichtfüßigen französischen Aufklärung. Aber schon dieser Teil ist überschattet. Es ist das Zwiegespräch eines Schwerkranken, der sich im Wahn der Genesung überzeugen will, daß er gefund sei, ohne doch völlig die Angst zu über­winden, er belige sich selbst. Er weiß, daß er ein Berfallsmensch ist, ein Defadent. Er sieht den Quell seiner unendlich verfeinerten Kunst Eine schon zu den ältesten Zeiten geübte und lediglich von dem der feelischen Selbstzergliederung in der erhöhten Reizbarkeit des Kranten. Dennoch ist, so sucht er uns zu bereden, sein wirkliches Farben- und Formenfinn des Arbeiters in feinem Gelingen abhängige Wesen starte Gesundheit. Er hat die lange Krankheitszeit über museum zu Berlin besitzt einen in dieser Technik ausgeführten Teppich Art der Pliiichteppiche ist der Smyrnateppic. Das Kunstgewerbe­wunden. Seine Krankheit war nur der Antrieb zu erhöhtem Leben. persischen Ursprungs in feinfädiger Seide, den man bei oberflächlicher Er entdeckte in ihr das Leben neu. Und er zeichnet mit sicherer und Betrachtung getrost für ein Smyrnagewebe halten kann, das mit bescelter Hand das Bild des gefunden, wohlgeratenen, des innerlich modernen Hilfsmitteln ausgeführt ist. Es scheint uns heute fast bornehmen Menschen. Woran erkennt man im Grunde die Wohl- unverständlich, wo jemand die Zeit and die Geduld hergenommen geratenheit? Daß ein wohlgeratener Mensch unseren Sinnen wohl­tut: daß er aus einem Holze geschnigt ist, das hart, zart und wohl- bat, ein solch feines Samtgewebe durch Auftnüpfen jeder einzelnen Noppe, jedes Plüschhüichels herzustellen. Unter diesen antifen riechend zugleich ist. Ihin schmeckt nur, was ihm zuträglich ist; fein Sunstgeweben sind Exemplare zu finden, bei denen auf den Gefallen, seine Lust hört auf, wo das Maß des Zuträglichen über- Raum eines Quadratmeters bis 40 000 ชน Plüschbüschel schritten wird Er ist immer in seiner Gesellschaft, ob er mit der Hand einzeln aufgefnüpft worden find. Stellen mit Büchern, Menschen oder Landschaften verkehrt: er ehrt, indem er wir solchen Geweben Erzeugnisse gegenüber, die heute wählt, indem er zuläßt, indem er vertraut... Er glaubt als Smyrnateppiche bezeichnet werden, so ergibt sich schon bei ober­weder au Unglück", noch an Schuld": er wird fertig mit sich, mitflächlicher Betrachtung ein Unterschied allein aus der Anzahl der auf anderen, er weiß zu vergessen er ist stark genug, daß ihm den genannten Nanni entfallenden Plüschbüschel. Die Kunstgeschichte alles zum besten gereichen muß." unterscheidet allerdings Smyrnateppiche und Berjerteppiche: technisch Als Krieger des Geistes stellt er sich dar, Kriegführen ist ihm besteht jedoch ein Unterschied nicht, beide sind in der bekannten Leben. Meine Kriegspragis ist in vier Säße zu fassen. Erstens: Knüpftechnik hergestellt, deren Eigentümlichkeit darin besteht, daß auf ich greife nur Sachen an, die fiegreich sind, ich warte unter allen eine straff ausgeipanute ette oder auf die einzelnen Fäden derselben Umständen, bis sie fiegreich find. Zweitens: ich greife nur Sachen Fadenstückchen eines Woll- oder Seidenmaterials aufgeknüpft, an­an, wo ich feine Bundesgenossen finden würde, wo ich allein stehe, gefchlungen werden. Aus praktischen Gründen sind die Nettfäden wo ich mich allein kompromittiere Ich habe nie einen fenfrecht aufgespannt und zwar zwischen zwet drehbaren Walzen( Nett­Schritt öffentlich getan, der nicht kompromittierte: das ist mein und Warenbaum), von denen der eine die Kette in ihrer ganzen Kriterium des rechten Handelns. Drittens: ich greife nie Personen Länge aufgewickelt trägt, während der andere zur Aufnahme der an, ich bediene mich der Personen nur wie eines starten Ver- fertigen Ware bestimmt ist. Beide sind durch Geiperre festgehalten größerungsglases, mit dem man einen allgemeinen, aber schleichen- und können nach Belieben ab- und aufgewickelt werden, so daß die den, aber wenig greifbaren Notstand sichtbar machen fann eigentliche Arbeitsstelle, die Knüpffläche, in fast immer derselben Biertens: ich greife nur Dinge an, too jedwede Perionendifferenz Stellung erhalten werden kann. Diese Art des Webens nennt man ausgeichlossen, wo jeder Hintergrund schlimmer Erfahrungen fehlt. haute- lisse, im Gegenfaz au der basse- lisse- Weberei, bei der die Im Gegenteel, Angreifen ist mir nur ein Beweis des Wohlwollens, Kette wagerecht aufgespannt ist. unter Umständen der Dankbarkeit."

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Ueber das Alter dieser Technik lassen sich bestimmte Angaben Ein Stüd Hygiene ist der zweite Abschnitt. Nichiche redet wie nicht machen, um so weniger, als in anderen alten Stunft­ein selbstbeobachtender Laienarzt von den Einflüssen des Klimas, gewerben Anklänge an diese Technik deutlich nachweisbar der Ernährung. Er gibt fast eine Philosophie des Magens. Auch sind. Wir haben zum Beispiel eine weit verbreitete Abart von der geistigen Ernährung handelt er, von gefunden Büchern, von des Kelim, der auf der einen Seite lang herab­fröhlicher Mufit. Er verherrlicht die Franzosen. Französische Bil- hängenden Zadenabschnitten besetzt ift. Der gewöhnliche dung ist die einzige Bildung in Europa . Er führt den franzöfifchen Stilim oder Kelim gehört zu den Gobelingeweben, die technisch als Steptiker Stendhal an, der ihm den besten Atheistenwig weggenommen habe: Die einzige Entschuldigung Gottes ist, daß er nicht existiert". Er liebt den Lyriker Heinrich Heine : Ich suche umsonst in allen Reichen der Jahrtausende nach einer gleich füßen und leidenschaft­lichen Mufit. Er besaß jene göttliche Bosheit, ohne die ich mir das Bollkommene nicht zu denken vermag. Und wie er das Deutsche handhabt! Man wird einmal sagen, daß Heine und ich bei weitem die ersten Artisten der deutschen Sprache gewesen find." Wagner entartete, als er aus Frankreich wegging und deutsch ward. So lange Wagner für Nietzsche ein Ausländer war, verehrte er ihn als Proteft gegen alle deutschen Zugenden. Was ich Wagnern nie ver­

durch sehr dichtes Einflechten eines dünnen, weichen Fadens auf einer startfädigen Sette entstandene Ripsgewebe zu betrachten sind. Um Musterungen in diesen Erzeugnissen hervorbringen zu können, werden farbige Fadenabichnitte eingeflochten. Beim echten Gobelin wird ein längerer Faden verarbeitet, der je am Rande der Figur, für die feine Farbe vorgesehen ist, in der Richtung wechselt, umlehrt. Wird ein solcher Faden nur so lang oder etwas länger genommen, als er gebracht wird, so bleiben die überstehenden Abschnitte frei hängen und geben der Oberfläche oder der Rückseite ein plüschartiges Aussehen. Db nun ein solches Fadenstück eine Anzahl von Kettfäden frenzt, um schlingt, oder nur einen einzigen, ist schließlich ganz gleichgültig, und