Schm pcnenden wie Weiße Flüncl empor, ein fjoihgescl'tteltcs Jützchen hüpfte leicht und praziös über die Schwelle, von den süßlichen Lippen flog ein sorgloses Lachen— ja. ja, so kam er an. der Leichtsinn? -Seine Hochwürden erhoben sich. „Frau Gräfin entschuldigen, daß ich noch so spät Molestiere, aber..." „Gott , lieber Gallenberg, machen S' doch keine solch'n Umstand'," lachte ihm Lolette entgegen.„Und vor allem: Nehmen S' wieder Platz. In Ihren Jahr'n kann man das bisserl Ruh' schon brauchen." Damit drückte sie ihn wieder in den Fauteuil zurück, aus dem er sich eben erhoben, hielt aber plötzlich ein und fuhr mit einem leichten Schrei auf den Tisch los.„Jessas — mein Peignoir! Und dort gar— die Schuh'! Ja, seh'n S', lieber Gallenberg, solche Leut' hat man!" Ritsch— ratsch verbarg sie Schuhe und Peignoir unter dem miolligen Spitzenkissen ihrer Chaiselongue. „So und jetzt bin ich ganz Ohr!" Sie trat an den Tisch, wermied es aber, sich niederzulassen. Er sollte per- stehen, daß sie Eile hatte. „Frau Gräfin nehmen nicht Platz?" Sie lachte, warf lachend de Kopf zurück, daß die schim- mernden Zähnchen wie Perlen im Opalglanz der Wachs- lichter aufleuteten.„Nein, mein lieber Gallenberg, und— nichts für ungut. Aber ich Hab' heut'„Schnitthahn" und meine Leut' warten auf mich. Also— Sie entschuldigen schon, nit wahr?" Seine Hochwürden runzelten die Stirn.«Die Leute. über die Sie sich soeben beklagt?" Lolette errötete.„Gott ... Alle meint man natürlich nit, wenn man von ein paar red't. Wie's halt schon ist." Seine Hochwürden lehnten sich zurück, strichen mit dem Daumen eine Weile unter dem glattrasierten Kinn herum und ließen ein dumpfes„Hm" hören. „Geht's Ihnen vielleicht besser?" lachte Lolette. Sie wurde immer verlegener, aber— gerade deshalb auch immer ärgerlicher. Denn schließlich— was ging das den Pfaffen an? Der Dechant hob bloß den Kopf, sah sie an. fest. lang. Endlich kniff er die Augen ein. „Der will unangenehm werden!" sagte sich Lolette. Sie hatte ihn schon einmal so gesehen, als er die Geschichte mit dem Unterweger erfahren. Nun kam er ihr gar ins Haus mit diesem Gesicht! Das konnte schön werden. Der Dechant wandte keinen Blick von ihr. Wie sie vor ihm stand, wie ein Kätzchen und doch innerlich fauchend. glaubte er sehr wohl zu wissen, welche Gedanken gerade jetzt durch das hübsche Köpfchen gingen. Von draußen drang noch immer das lustige Geklimper herein. Natürlich hatte sie Eile! Er konnte sich's vorstellen: wie der flackernde Blick ihrer Augen, das fliegende Rot ihrer Wangen ihm verriet, wer sie soeben aus den Armen gelassen. Höchste Zeit war's, daß endlich einer kam. ihr ins Gewissen zu reden. Sonst... man konnte wahrhaftig nicht aus- denken, was vielleicht noch heute geschah. lFortsetzung folgt.) (Nachdruck»erbolen.Z Genicken lckicklale. Von A u g u st Strindberg. Ein älterer Mann saß auf der Danipferbrücke von SKmachsund und tat nicht?. Er guckte allerdings auf die Fische, die unten zwischen den Tangwurzeln spielten, und er hörte auf die Wellen, die gegen die Brückenpfeiler plätscherten. Da kam ein anderer, auch ein älterer Herr, setzte sich auf die Bank gegenüber. Der sah lebenslustig aus und hatte noch ein Feuer im Auge, das von einem Gespräch herrühren mochte, i'l dem neue Gedanken geboren waren, oder von der gelungenen Ausführung von Plänen. Er fing an, sein Gegenüber zu betrachten, und sah in dessen ganzen, Aeufieren etwas Unbestimmtes, etwas von zwei Ge- fellschaftsklassen Bastardiertes, ein Mißverhältnis zwischen dem Jetzigen und dem Vergangenen. Die Kleider hatten die Linien eines Herrn, waren aber aus einem Zeug, das nicht das eines Herrn war; und die Stiefel waren schlecht modelliert, zeigten aber, daß der Fuß vor schwerer Arbeit geschützt gewesen; die Hände waren weiß, aber die Manschetten nicht. Als der Fremdling das Gesicht des anderen zu durchmustern begann, bcnierkle er hinter dem großen, angegrauten, dünnen Voll- bart, in Fett eingebettet, die Linien eines anderen Gesichtes, das ihn an ein bekanntes aus der Jugendzeit erinnerte, aber es sank sofort zurück und verbarg sich unter dem Bart. Die Augen waren von den, oberen Wulst verschüttet, der wahrscheinlich entwickelt war. um den, Augenlid zu helfen, daS Auge aeoep. uua ooen zu schützen, wie es bei den Arbeit-»", d-s-Schreibtisches gewöhnlich ist. Aber da waren einige«ngentümliche Linien, wie ein Akzent Zirkumflex, und ei» gewisses Graugelb, das von den Schläfen herunterhing, weckte wieder Erinnerungen, die jedoch ebenso schnell wieder ver- dunsteten. Die Nase war unten zu schmal, die Flügel waren von den Seiten zusammengedrückt, etwas Totenschädel oder verzeichnetes Anfängerporträt. Er hatte sich geirrt: eS war kein Bekannter. Schließlich erhob der Durchmusterte den Kopf und sah den Fremdling an. Da geschab eine Verwandlung: alle Züge ver- schwanden und nur der Blick sprach, diese Sprache, die nicht ver» dolmetscht werden kann und die Seele selbst sein muß. Kennst Du mich wieder? fragte er. Ja, mit Deinem Blick bin ich bekannt, aber nicht mit Deinen Zügen und nicht mit Deiner Stimme. Ich kenne Dich, aber weiß nicht, wie Du heißest I Denk nach! Da kam ein Tonfall und dann ein Blick wieder aus dem dunkeln Loch im Auge. Du heißest Jakob... Ja, so ist eSl— Wir sind alt geworden! Wir sind ein Stück weitergekommen!... Hm I Jetzt erinnere ich mich, es ist dreißig Jahre her: wir saßen eines Sommerabends im Hotel, dort drüben in Heiterbucht... Warte!... Deine Ferien waren an dem Tage zu Ende. Du erinnerst Dich daran I Du warst bei der Gasanstalt angestellt und schriebst Rechnungen aus.... Du hattest Deine Arbeit und hier draußen faßtest Du einen Groll auf die Stadt und das Stadtleben, den ich nicht recht begriff.... Nur weiter.... An, Abend brach Dein Haß in Raserei aus und Du beschlössest, Deine Stellung aufzugeben und den Winter über hier draußen in den Schären zu bleiben. Und daS tat ich auch! Und ich bin seitdem nicht ein einziges Mal in der Stadt gewesen I Was sagst D», Mensch? Dreißig Jahre hast Du hier gesessen? Ja, das habe ich I... Ich habe von Uebcrsetzungen gelebt... habe mich verheiratet... Und bist zufrieden? So zufrieden, wie man sein kann, wenn man keinen Herrn hat, keine Kamcradeir, vor allem keine Glockenschläge. Ich haßte Uhren, wie Du Dich erinner» wirst I Das ist ein sonderbares Schicksal! Kannst Du eS erklären? Nein, Schicksale kann man nicht erklären I Ich habe es schon versucht nnt Vererbung und Rassenunterschied und angeborenen Trieben, aber ich komme damit nicht weiter. Mein Vater war ja einmal ein reicher Mann aus der Mittelklaffe, der ein Haus machte und feine Leute bei sich sah. In einem geivissen Alter wurde er müde, ließ den Griff los, und dann lag er auf der Straße. Mein Bruder ging auch ein Stück vorwärts, ließ los und lag da, er auch. Mir ging es etwas anders. Ich war mit Abscheu gegen alles Regelmäßige geboren. gegen all« Konvention, Umstände und Komplimente, und eines Tages verlor ich alle Illusionen. Ich glaubte des Lebens relative Nichtig- keit einzusehen und fand, daß bei weniger Luxus auch die Arbeit ge- ringer würde, folglich der Genuß größer, denn die Arbeit war sür mich eine Strafe. Diese Kleider zum Beispiel, die Du siehst, habe ich zehn Jahre getragen; bedenke, wie viel Arbeit ich mir erspart und wie große Genüsse ich gesainmelt habe. Nichts zu tun, ist für mich die Seligkeit. Aber hast Du niemals ein Verlangen gehabt, vorwärts zu kommen, zu wachsen, befördert zu werden? Nein, diese Begriffe fehlen mir! Ich verstehe sie nicht, und das ist mein Glück I Und indem ich die Skala reduzierte, die Forderungen ans Leben herabsetzte, wurde der geringste Luxus ein unerhörter Genuß für mich. Wenn ich jeden zweiten Monat nach Heiterbuchr ins Hotel komme und ein halbes Beefsteak mit Soja, japanischer Soja, einen Schnaps, eine Flasche Bier und danach Kaffee und Punsch kriege, dann bin ich so selig, daß ich mit niemand tauschte I In der Stadt dagegen, wo ich die? jeden Tag hatte, war es wertlos. Denn der Weg zum Genüsse geht durch Entsagung. Und Du bist verheiratet, sagtest Du? Ja, mit einer Lotscntochter I— Hm l Hm I Erinnerst Dn Dich denn an unsere alten Schulkameraden und Swdiengenoffen? Erinnerst Du Dich an die ganze Gruppe, die unterging? Talentvoll und tüchtig waren sie auf allen Gebieten, hatten aber keine Lust zum arbeiten. War daS ihre Schuld? Ich habe eS früher geglaubt, und Du weißt, wenn man nur das Sprichwort„Müßiggang ist aller Laster Anfang" anführte, so hatte man die Ursache gesagt. Aber die Ursachen des Müßig- gangs? Ja, ich glaube. eS war ihnen vorher bestimmt, wie die Vögel unter dem Himmel zu leben, um an einem Wintertag zu erstieren. Erinnerst Du Dich an Karl? Der hatte keine Laster, aber ging unter, weil er mir zwanzig Jahren entdeckte, daß alles Streben und aller Ehrgeiz nichtig sei. Fünfundzwanzig Jahre lebte er in London davon, daß er Landsleute anborgte. Man gab ihm mehrere Male
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28 (24.10.1911) 206
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