Stellungen, aber er verließ fie, ohne adieu zu sagen. Er konnte nicht Ulveiten. Erinnerst Du Dich an unseren Kameraden, den Schauspieler, der so schnell Karriere machte und berühmt wurde? Ja. gewitzt Da kam ein Tag: er stand auf der Buhne, war mitten in einer Rolle, da traf ihn wie ein Blitz der Gedanke: warum stehe ich hier und mache Faxen I Und er fiel aus der Rolle und kam nicht mehr in die Rollen hinein. Er konnte sich nicht mehr Illusionen machen, zehn Jahre lang ging es nicht mehr; er wurde vergessen, auf die Seite geschoben. Da kam die Not. Und ich hörte ihn einmal im Cafv sagen. es sei Unsinn, die Kunst und alles, aber er müsse versuchen, sich wieder zudüpieren". Es gelang ihm für eine kurze Zeit, und da prahlte er damit, daß es ihm gelungen sei, das Publikum wieder zu düpieren". Dann aber ließen die Sperrhaken wieder los und die Uhr schnurrte ab es war furchtbare Wenn du wüßtest, wie viele Künstler, denen die Augen aufgegangen sind und dieden Glauben an die Kunst" verloren haben, schließlich das Handwerk ausüben, weil sie leben müssen. Das ist eine Tragödie! Und alle, die sich vor der Zeit drücken, ohne daß man versteht, warum I Ja, die Menschenschicksale, sag mir deren Rätselt Nun, und dein Schicksal? Der Fremdling erhob sich. Mein Schicksal? Ja, daß ich nicht untergegangen bin, ist mir das größte Rätsel; denn alle Voraussetzungen hatte ich dazu! Ich bin in das Joch der Gesellschaft gekrochen, ich bin wieder heraus- gekrochen, mehrere Male, aber ich kann mich nicht mit dem Leben versöhne». Ich schleppe mich damit, das ist alles! Und das sagst Du, der alles bekommen hat? Ja! Wie sollen wir uns denn bemühen, das zu erringen, was Ihr verachtet, wenn Ihr es bekommen habt? Ich beneide Dich, weil Du Dich nie darauf, auf das Wettrennen um die Ehre, eingelassen hast. Doch jetzt kommt der Dampfer! Adieu I Adieu! Danke für da? letzte Wort, denn das hat mich erlöst I Ich war nämlich auch ein Ehrgeiziger, wagte mich aber nicht ein- zulassen! Darum blieb ich in Ebal! jfofcf Kainz/) Von Paul Landau . .Es ist der Geist, der sich den Körper baut." Schiller. Die Natur hatte ihren Ucbcrwindcr nur stiefmütterlich aus- gestattet. Seine Gestalt war unter Mittelgröße, schmalschultrig, hager, eckig; sein Aussehen verzweifelt dürftig.Die Seele saß dem Körper zu nahe, sie schlug gleich an die Rippen, und doch liegt in dem Umweg der Seele zum Leib, und wie sie allmählich auf- blüht, ein großer Zauber der Kunst." Das jagte Speidel nach seinem ersten Gastspiel an der Burg. War dasFigürchen" unbe- deutend, so war das Gesicht unschön. Seine leicht gestülpte Nase, die sich da nach innen bog, wo die Krümmung des Adlerschnabels nach außen gehen sollte, nannte Brandes eineSchusternase";mit dem Gesicht eines Zigeuners, mit der Stimme eines Brustkranken, seltsam anzuschauen" schildert ihn Hermann Bang . Aber gerade diese unbedeutende Körperlichkeit, die ein wenig an Ekhof gemahnte, wurde von Kainz zu einem Triumph des Geistes über den Leib aus- genutzt. Er war viel zu stolz und zu groß, um diese Mängel seiner Erscheinung zu verheimlichen oder hinter aufgepappten Nasen und Barten, hinter ausgestopfter Kleidung zu verbergen. Er zeigte frei die sehnige Magerkeit seines Halses, er steigerte die l)agre Eckigkeit seiner Bewegungen zu gotischer Inbrunst, hüllte sich in schwarze Mäntel, so daß sein Leibliches zu schwinden schien und er wie ein feuriger Schatten über die Bühne fuhr. Es war sein Geist, der die Körper seiner Gestalten baute. Man hat die Augen dieOrdensstcrne des Geistes" genannt. Kainz trug in seinen dunklen, Funken sprühenden Lichtquellen einen Pour le merite ", wie ihn kein Herrscher der Erde vergeben kann. Ten jähestcn Wechsel der Stimmung spiegelten diese Augen wieder, erschienen stets neu in Ausdruck und Glanz. Und ebenso mannig- faltig war das Spiel des unendlich geschmeidigen, auch im Schweigen. beredten Mundes, desien Muskeln durch eine lange Arbeit des Willens geknetet und geformt waren, in wildem Ekel sich herab- zogen, in tiefem Weh zuckten, im verzweifelten Grauen sich hohl öffneten und in dem liebenswürdigsten Lächeln jubelten. Der zier- liche Körper aber bewegte sich, federte in einem leidenschaftlich fort- reißenden Rhythmus, gleichsam, als die Nadel des Kompaß, das Zittern und den Ausschlag seines Gemütes anzeigend. Seine katzen- hafte Anmut hatte die leichte Kraft der Gazelle im Schreiten und *) Unter dem TitelMimen, Historische Miniaturen" erscheint demnächst im Verlag Erich Reiß , Berlin , ein Werk unseres Mit- arbeiters Dr. Paul Landau, das in einer Porträtreihe der bedcu- tcndsten deutschen Schauspieler, von Ekhof und Schroeder bis Mat- kowöky und Kainz, sowie in der Schilderung einiger der größten Koryphäen des Tanzes und der Pantomime die Höhepunkte mimw schcn Schaffens und mimischer Kunst darstellt. Wir sind in der Lage unfern Lesern schon heute die Charakteristik von Josef Kainz vorzulegen, die angespannte Wildheit des Panthers im Sprung. Er liebte die Toledaner Klingen und glich ihnen in der elastischen Biegsamkeit seines Ganges ; er war ein Meister des Stoßdegens, und in seinen Bewegungen lag etwas von der blitzschnellen Gewandtheit und den vogelhaften Leichtigkeit des Florettkämpfers, der ja der Tänzer unter den Fechtern ist.Flamme und Florett". Leidenschaft und Anmut hat Otto Brahm als das Zentrum seiner Kunst bezeichnet. Der schöne Sinnenschein, die plastische Rundung fest auf der Erde stehender, im Erdengenuß ruhender Körper war seinen Ge- stalten versagt; sie waren Sehnsuchtssiguren, Hungerleider nach den» Unendlichen, Wesen, deren Heimat in einer anderen Welt ist; sis waren fest entmaterialisiert, Träger des Geistes, wenn auch nicht Geister. Das Gesicht kein Ruheplatz schöner Ge- fühle, sondern die aufgeregte Walstatt steter Seelenkonflikte, durchzuckt von Blitzen, zerwühlt von inneren Erlebnissen. Der Gang, die Gesten kein harmonisches Entfalten schöner voller Formen und Linien, sondern ein hastiges Hinstürmen. ein unruhiges plötzliches Abbrechen einer Bewegung, ein ewiges Stakkato, ein unaufhörliches Vibrieren. Hastige Drehungen, blitz- schnelle Wendungen, ein fahriges Zucken, nervöses Auffahren, ein energisches ruckweises Hin- und Herwersen des Kopfes all diese instinktiven Aeutzerungen seines Temperamentes deuteten wie in feurigen Zickzacklinien die Ungeduld seiner Nerven, die rastlose. sprunghafte Arbeit seiner Gedanken an. Sie akzentuierten das völlig neuartige Tempo seiner Kunst. So ist Kainz zum Schauspieler derReizsamkeit" geworden. jenes gesteigerten, überempfindlichen Nervcnlebens, das zur gleichen Zeit in Wagners Musitdramen, in der Kunst des Impressionismus seinen Ausdruck fand. Wichtigstes Instrument dieses andeutenden, das Flüchtigste malenden Stils waren ihm neben seiner Wortbc- Handlung die Hände. Das wilde Hinuntersloßen der Arme, ihr müdes Herabhängen zeigte seinen Trotz und seine Schlaffheit, tpäh- rend er im Augenblick des Triumphes sie steil aufwärts in die Höhe warf wie eine hochlodernde Flamme. Seine sehnigen, reich durch- gebildeten Hände, die elegant und leicht in den feinen Gelenken saßen und gesondert vonr Körper ein Eigenleben zu führen schienen, wußten geistige Vorstellungen so anschaulich zu machen, daß man an dem Fingerspiel seines Hamlet wirklichdas Denken sehen" konnte. Der Wegweiser in diesem Reich der verschlungenen Gedankenwege war der Zeigesinger, der bald ein Wort kräftig unterstrich, bald eine Wendung scharf pointierte. Und wie die Hände, wie jeder Finger, so lebte alles an diesem Körper mit einer höchsten Inten- sität und Freiheit; alle Glieder gelöst in den Gelenten, unruhig, erregt, schlenkernd, doch beherrscht von einer besonnenen Bewußt- heit; unbändig, doch gebändigt von einem stählernen Willen. Er konnte wild und rasend sied gebärden, aber er fand ebenso die starre Ruhe. In unvermittelten Uebergängen, die auf das feinste ausgedacht und berechnet waren, vollzog sich sein Spiel, toll hinstürmend wie ein Wirbelwind, jäh auf- zuckend, dann müde hinschwelend, stets aber von einer elektrischen Spannung gelragen, die das Knistern der Funken, das heimliche Zittern und Beben verriet. Die höchste Leistung von Kainz war es nun, wie er für dieses Tempo seiner Gebärden einen homogenen Sprachstil schuf, wie ev eine neue Art des Redens erfand. Auch dies eine rein geistige Tat. dennder Leib des Geistes war ihm das Wort", wie Friedrich Siayßler in seiner Gedächtnisrede so schön ausführt. Ein König der Sprache war erk Schon seine Zauberstimme, ein Bariton, der�in weichster Melodie Julie» aus dem Balkon sein Liebeslied sang, zu- gleich ein schmetternder Tenor, der den stählernen Klang klirrender Schwerter annehmen konnte, hatte einen Reichtum der Nuancie- rung, der die ganze Skala stimmlichen Ausdrucks umfaßte. Der Wechsel der Tonarten, der Tonhöhe, das Umkippen aus der Fistel in den tiefen Baß, dieses halsbrecherische Empor- und Herunter- klettern der Stimme boten Virtuosenstücke der Zunge und des Kehl - kopfes, die nur erträglich waren, weil sie einer tieferen Bedeutung dienten.Ihm war Sprechen nicht eine sinnvolle Kette von War- ten und Sätzen ihm war Sprache ein lebendiges göttliches Chaos von Geist, das der Künstler in Elemente zu scheiden hatte in Linien, Formen und Wesenheiten das aber dennoch niemals er- starrte, das ewig lebendig blieb, ineinanderfließend und lvallend: in jedem Augenblick ein übermächtiges Ganzes." Weite Flächen seiner Deklamation ließ er im Schotten, um dann wie mit einem Scheinwerfer eine kurze Strecke zu erhellen. Statt der vielen, ver- wirrend gewählten Wortakzente betonte er so wenig Worte als möglich, ließ aber diese mit leuchtender Wucht hervortreten; wie Berge ragten sie aus den Wellentälern seiner Deklamation heraus. Es lag eine unerhörte Fähigkeit der geistigen Konzentration in diesem Zusammenfassen langer Perioden, in diesem Herausheben eines einzigen Wortes. In genialer Weise übertrug er das reicher ausgeführte Gemälde des Dichters in den Freskostil der Bühne. ließ die große monumentale Linie erstehen, die den inneren Gehrlt der Worte unvcrlöschlich festhielt. lieber dieser abstrakten gedanklichen Gliederung der Rolle, die Kainz so scharf aus der Fülle der Worte und Verse heraushob, ver- gaß er aber auch das blühende Fleisch der Rede nicht. Sein Sprechen gestaltete er wie Gesang und schuf in dem melodischen Durchhalten einer bestimmten Klangfarbe einen musikalischen Hintergrund, aus dem die Höhepunkte, die markanten Akzente und Nuancen deutlich hervorsprangen. So waren-. all seine Gestalten in die Musik seiner: «Rede getaucht, in einen wahren Seclengcsang, aus dM einzeln«