fresser heißt in Osimdien allerdings der Tiger.„Kannibalen' ist einsolches Wort. ES heißt eigentlich„Cariben". weil die Leute aberhäufig die HundStvut bekamen, deutete man den Namen um; cmusheißt der Hund. Die Russen haben den Ausdruck Kolbaßnik(Wurst-macher) für uns, da man angebliche deutsche Wurstwaren überallantrifft. Die Eskimo haben ihren Namen von den benachbartenIndianern bekonnnen, weil sie daS Fleisch nicht kochen; Eskimo be«deutet Rohfleischesser. Etlvas ähnliches sind die Samojeden, eigent-lich Selbsteffer.Weil man ihre Sprache nicht verstand, erhielten dieBarbaren von den Alten ihren Namen.„Auch die Chinesenbetrachten die Europäer und die Amerikaner als die„westlichenBarbaren"; der entsprechende chinesische Ausdruck Ya ist indessenvertragsmäßig weder schriftlich noch mündlich zu gebrauchen".Aehnlich war die Meinung, in der die Holländer den NamenHottentotten bildete«. Diese selbst nennen sich Koia-Xoin, Menschender Menschen, wie die Eskimo von sich als den Inrmit, den Menschenschlechtweg sprechen. Die Kaffern sind die Nicht-Moslemin desKoran, die„KafirZ". Auch das Giaur, das türkische Schimpfwortfür die Europäer, hängt damit zusammen, das sich die europäischenMächte ebensogut wie das chinesische„Ys" verbeten haben.«Wir ge-hören also selbst zu den Kaffern, während wir wieder unsereKaffern haben. Denn jede Orthodoxie setzt Kaffern und Anders-denkende voraus."Sahen wir oben, daß Ländernamen indirekt aus Völkcrnamenentstehen können, so haben wir auch den umgekehrten Fall nichtselten, wie bei den Badensern, den Chinesen, Japanern. Athenern usw.Die Araber heißen nach der Araba, der Wüste; die Suaheli nach derKüste, Sahel; die Kroaten nach dem Chrbet, dem Bergrücken<Karpaten).Die Zigeuner sind wohl.Tmklcr"(Kesselflicker), hatten also einenlautmalenden Handwcrkernamen, anS dem daS n verschwand wieauS dem alten„Pfenning". Die Bulgaren nennen sich nach derWolga; die Ungarn oder Ungern nach dem Jug; die Wasserpolackenflößen auf der Oder.Kleinpaul schließt mit einer resignierten Betrachtung über denHimmel:„Von diesem Lande, daS man im Mittelalter so genaukannte und so ausführlich beschrieb, ist nur noch der Nameübrig." Daß sein vortreffliche« Büchlein weit über dielangweilige„Sprachforschung" unserer Zünftigen hinausstrebtund auch hinausgeht, mag endlich seine Feststellung bezeugen:„Von der Sprachtviffenschast, der sogenannten Philologie, machensich die Laien, teilweise selbst die Gelehrten, ganz falsche Vor-ftellungen, als ob es sich dabei um Worte, nur um Worte handele.ES handelt sich um Dinge, die durch Laute ausgedrückt und ab-gespiegelt werden; und diese Laute sind Wegweiier für die Welt-geschichte und die Raturbetrackmng.... Nicht daraus, wie die Völkerheißen, sondern warum sie so heißen, kommt es an; ihre Namenstellen kleine, bedeutsame Glieder in der Kette der historischen Ent-wickelung und Reflexe von Zuständen und Verhältnissen dar, dieganz abseits von der virtuosen Lautphysiologie, auf dem Gebiete derVoltskunde und der Kulturgeschichte liegen." B. P.Das neue Stadthaus.Darüber kann gar kein Zweifel sein, daß Berlin durch daS neueStadthaus um ein architektonisches Werk von großem Wurf undstarker Monumentalität bereichert worden ist. Es fragt sich nur, obdiese meisterhaste Wiederbelebung der Hochrenaiffance späteren Ge-schlechter» als ein Dokument für das Berlin auS dem Anfang deSzwanzigsten Jahrhunderts noch verständlich sein wird. Man be-denke: die Marienkirche, das königl. Schloß. daS Brandenburger Tor.das alte Museum— ein jeder dieser steinernen Organismen wirdvon uns als die Verkörperung einer klar umschriebenen Epoche so-fort und deutlich empfunden. Wir würden lachen, wollte uns jemanderzählen, daß Schinkels Museum zu Schlüter? Zeiten gebaut wordenwäre. Ob aber etwa um 2000 die Neugierde, wenn sie über da?neue Stadlhaus Bescheid wisien möchte, eine ebenso eindeutigeAntwort ebenso selbstverständlich bekäme. Wenn NeffelS Wertheimbauoder deS Peter Behrens' Turbincnhalle oder selbst WallotS Reichstagin fernen Zeiten einmal auf das UrsprungSjahr hin angesehenwerden, so dürste kaum zu fürchten sein, daß wir nicht zu unseremRecht kämen. Das neue Stadtbaus aber wird ein schwierigesRätsel sein, die Professoren werden sich den Kopf zerbrechen überdies italienische Cinquecento mit dem Mansardendach aus derBerlinischen Zopfzeit und dem Turm, der den beiden vom Gen-darmenmarft, die Gontard baute, so verwandt ist.Wer Hoffmanns Bauten gut kennt, wird über diese Situationnicht erstaunt sein. DaS Gegenwärtige seiner Bauten wird immerund allein durch die Aufgabe bestritten. DaS Birchow-KrankenhauS,die Heimstätten in Buch, die Schulbauten: die moderne Aufgabe istes, die diese Werke unserer Zeit erzwang. Wo dieser Zwang derNotdurft aufhört, meist gleich nach der Grundrißbildung, oft schonvor der Disposition der Fenster, beginnt der wohl verproviantierteEklektizismus HoftmannS sein Wirken. Wir sind dem Stadtbau-meister ganz gewiß aufrichtig dankbar für die Liebe, mit der er dasihm vertraute Amt verwaltet; wir wissen, Ivas seinereinliche Gesinnung dem architektonischen Niveau der Stadtfür einen Nutzen bringt. Wir haben auch nie verkannt,welche starke architektonische Intelligenz, welch Gefühl für die Be-'Derantw. Redakteur: Richard Barth, Berlin.— Druck u. Verlag:herrschung der Massen, welch wägendes Empfinden für das Detailin diesem ausgezeichneten Mann lebendig ist. Darum aber geradevermissen wir um so schmerzlicher jene zeugende Genialität, die nichtnur aus der Ueberliefcrung. die aus dem Geist der Zeit die Ge-statten greift. Wir vermissen sie auch an dem neuen Stadthaus.Es wäre stinnpf, die respektable Leistung, das spezifisch Fachlichedieses mächtigen Hauses nicht zu bewundern. Das ist gebaut nachallen Regeln der Lehre, aus einem Arsenal von Erfahrungen, mitdem starken Bemühen, ein Meisterwerk zu schaffen. DaS hindertaber nicht, daß überlegt wird: was sollte denn hier eigentlich ge-baut werden? Die Stadt Berlin brauchte ein Geschäftshaus; fürtausend Beamte galt eö Aufenthalt zu schaffen. Hier liegt derKnotenpunkt deS Problems: warum baute Hoffmann statt eineSHauses der Arbeit ein Rathaus in der Art jener rcpräsentiven Vor-iäufer, wie sie in schwertklirrenden Zeiten notwendig waren! Werwird sich wobl jemals an dieser Rustika den Kopf blutig rennen?Warum versuchte Hoffmann nicht anS der schlichten Aufgabe in ihrerganzen Nacktheit eine neue Form zu gewinnen, einen Ausdruck fürdas kommunale Verwaltungsgeschäst, daS heute ohne Hellebardenund Perücken geübt wird, das heute durch die Zahl, die Statistikund nicht mehr durch romantische Gefühle sich regelt. Das olle?weiß Hoffmann genau so gut wie wir. daß er eS aber nicht übersich bekam, auf die historische Würde zu verzichten, um bedingungs-loS der Forderung des Tage? zu dienen, das deutet jedermann les-bar seine Begrenzung, seine Zugehörigkeit zu einer zwar sehrkultivierten, sehr Ichönheilsfreudigen, aber trotzdem vormodernenEmpfindungSart.Haben wir uns mit dieser Sachlage abgefunden, so müssen wirschnell sagen, wie überaus geschickt Hoffmann den Grundriß dieses(richtiger seines) Hauses löste. Der Bauplatz war zwar denmaleriscben Leidenschaften eines HistorienfrcundeS sehr günstig, dochfür die Rechnung überaus kompliziert; ein unregelmäßiges Trapez,zeigte er keine Seite der anderen gleich. So hielt es nicht leicht,den Block durch zwei senkrecht stehende Achsen aufzuteilen. Hoffmannhat darum die Nord-Südachse stark zurückgedrängt, dieAchse von Ost-West um so energischer betont, währender die eigentlichen Bureauräume ganz konsequent an die Außen«fronten legte. Die dadurch entstehenden langen Korridore, dievon eingespannten Häsen ihr Licht bekommen, charakterisieren da?verkehrsreiche Geschäftshaus. Das ist alles ganz schlicht und sachlich.Die Ost-Weftachse nutzte Hoffmann für ferne repräsentativen Absichten. Je in der Juden- und der Klosterstraße disponierte er einenHaupteingang und ein großes Vestibül. Von dem in der Juden-strahe gelangt man durch einen zweiten Vorraum in die feierlicheEhrenhalle. Dann übernehmen Korridore die Verbindung zu demVestibül in der Klosterstraße. Da nun aber die Mitte der Front ander Klosterstraße nicht lotrecht zu der in der Jüdenstraße steht, somußte Hoffmann während der Aneinanderreihung der einzelnenRäume dauernd die Achsen verschieben. Seine stark betonte Ost-Wcswchse wurde so eine sehr raffinierte Komposition. Gerade dadurchaber bat er sich eine Fülle der interessantesten Situationen,wechselreiche Perspektiven und überraschend« Raumeinblicke geschaffen.Ein Gang durch daS Tor an der Jüdenstraße hinein in die Ehren-halle gehört zu den reizvollsten architektonischen Erlebnissen, die daSneue Berlin zu vergeben hat. Diese Ehrenhalle selbst vergibt einesehr edle Raumwirkung; mit sinnlichem Feingefübl wurde die reiche,doch ganz diskrete Gliederung der Wand, die vornehme Profilierungder Pfeiler, die pathetisch anklingende Berkröpfung deS Gesimsesbestimmt.Hoffmann hat seinen Bau mit mancherlei Plastik geschmückt; erbat dabei überwiegend eine glückliche Kritik geübt. ES ist ja be-kannt, wie resolut der Stadtbnumeister Schnmckstücke, die ihm nichtzu passen scheinen, wieder abnehmen läßt; und so kostspielig zu-weilen solch Verfahren auch sein mag, so ist es doch zu loben. Umso unbegreiflicher scheint das beklagenswerte Aergernis, daß Hoff-mann sich den Steimnetzmeister Naager nicht vom Halse hält; erhat Taschner, Wrba, Rauch, er könnte Gaul und manchen anderenhaben, warum befreit er sich nicht von der inzwischen unerträglichgewordenen Allgcgenwärligkeit des erfindungsarmen und ganzmaniriert arbeitenden Italieners. Der sehr geistreiche Vorraum imErdgeschoß an der Klosterstraße, dessen Marmorpfeiler(die übrigen»sehr liederlich gearbeitet sind) mit keuscher Selbstverständlichkeit dieWölbungen der Decke ausnehmen, wird geradem ruiniert durch dieöden Marmorreliefs, die in die Wände eingesenkt sind. Und nocheinS: es stehen hier zwei reich behandelte Holzbänke. Zum Sitzensind sie ziemlich ungeeignet, man weiß darum nicht recht, was siehier sollen; zum Ueberfluß hört man, daß sie in Italien gearbeitetwurden. Wozu geschieht das? Wir sind gewiß keme Nationalisten.aber die deutsche Möbelindustrie hat eine so wundervolle Entwickelunghinter sich, die deutschen Architekten haben so Hervorragendes anMöbeln und Jnnenräumen geleistet, daß eS ganz sinnlos und un-gerecht ist, Italien zu bevorzugen.»Die Einweihung des neuen Stadthauses sollte feierlich bor sichgehen. E? geschah aber nur etwa« Klägliche» und geradezu er-schreckend Temperamentloses. Großpapa Kirschner malträtierte un»durch Ziffern über das Attengeioicht; b-rnach krähte ein preußischerMinister mit zersprungener Stimme. Es ist gewiß keine Schande.nicht reden zu können; eö ist aber wenig nett, solchen Mangel einerFestversammlmig zu servieren. Robert Breuer.ZorwärtSBuchdruckerei u.Veriagsanjtalt.PaglSingertEo..Perl>n SW,"