dehnen, um so mehr, als sich nach der Wahrscheinlichleitsberechnung weit mehr als das Doppelte der angenommenen Summe ergeben haben würde. Sicher entging ihm nach der sprichwörtlichen Kurz- ficht, gleit mancher Fachgelehrten, die sich in irgend eine Spezialität vertiefen über dem Studium fremder Sitten die Wahrnehmung des heimischen Brauches. So legt man z. B. heute noch in der Altmark dem Toten ein Fünfpfennigstück rmter die Zunge, in der Nemnarl sogar ein Fünfzig­pfennigstück. In manchen Teilen Thüringens gibt man dem Ver- storbenen auherdem die übrig gebliebene Medizin niit in den Sarg, damit er in der anderen Welt die Kur fortsetze selbstverständlich fehlt auch da» Fährgeld nicht, das aber in dem sächsischen Dorfe Grotz-Keula auf einen Pfennig zusammenschrumpft. In der Ober- Pfalz ist man splendider, da werden dem Toten drei Pfennige unter die Zunge gelegt. Im sächsischen Erzgebirge fügt man dem Gelde Brot bei und in der Oberlausitz entlohnte man einst den unter- weltlichen Fährmann in derselben Weise wie den Piarrer und Küster beim ersten Kirchgang der Wöchnerin: man opferte ihm zwei Groschen und zwei Dreier. Aber der Aberglaube ist schüchtern und entzieht sich zumeist der Beobachtung, weil er unerquickliche Vorstellungen und Einreden fürchtet, die er nicht zu widerlegen vermag, gegen die sich aber sein zäher Konservatismus sträubt. Kein Wunder deshalb, wenn Elhno- logen derartige Volksbräuche oft erst nach langen Studien und rein zufällig entdecken. Wie zahlreiche andere heidnische Bräuche mit Beginn deS Christentums ein frommes Mäntelchen umhingen, in dessen Schutz sie ungefährdet fortdauerten, so auch der, den Toten bei der Be- erdigung eine Münze mitzugeben. Aus dem antiken Obolus wurde eine Sankt Peterssteuer, auS Charon Petrus , der Torwart der Hintmelspforte, der auch nicht unentgeltlich die Seelen bedient, kein Geld, kein Schweizer ". In verschiedenen Christengräbern, die man in Trier aufdeckte, und zwar in solchen aus dem 3. wie auch aus dem 16. Jahrhundert, fand man Schädel, in deren Mundhöhle kleine Silbermüiizen lagen. Dag Reiche einen slandeSgemätzen Peterspfennig" zahlten, ergibt sich aus einem Funde, der in den zwischen V-vel, und La Tour gelegenen Burgundergräbern gemacht wurde i man fand ein Goldstück mit der Inschrift: Tributrin, Petri. Auch daS fränkische Totenlager zu Solzen in Rheinhesse» lieferte Schädel, deren unterer Kinnlade der Altertumsforscher Lindenschmitt Goldstücke entnahm, darunter»iermal Münzen mit der griechischen Chriftuschiffte im Palmzweige. Die moderne katholische Kirche mag gegenüber der Fortdauer diese« heidnischen Brauches um so eher ein Auge zugedrückt haben. als sie selbst geflissentlich die dem Sterbenden vom Priester gereichte KommunionWegzehrung"(Viatikum) nannte. Kein Wunder, wenn der bigotte katholische Bauer diesen kirchlichen Ausdruck in sein massives Deutsch überträgt und den PeterSpsennig zumTrinkgeld" macht. Die Toten, so ist die Anschauung des Oberpfälzers, haben ihr letztes Rendezvous imNobiskrug ", dem Wirtshaus der Unter- Welt, und vertrinken dort ihren letzten Heller. Beiläufig sei be- merkt, dafi NobiS ein mundartlich verstümmeltesNachbar" ist. Menrock meint, im Grenzwirtshause(Nachbarkrug) fanden einst ge­meinsame Opfern, ahle statt, und im Robiskruge, wie in Norddeutsch- land die Schenke genannt wurde, kehren die Einwohner der be- uachbarten Gemeinden auf ihr« Heimkehr vom Markte noch einmal ei», um einen Abschiedstrunk zu nehmen. Neuerdings hat dieser altheidnische Brauch, der namentlich bei dm Griechen und Römern eingebürgert war bei der Aufdeckung alter Gräber in Rom und Griechenland hat man bekanntlich in un- zähligen Fällm in der Nähe des Schädels eine kleine Münze ge- fitnden eine andere Deutung erfahren. Der dem Toten mit­gegebene Obolus soll dazu gedient haben, ihm seine Besitztümer abzukaufen. so dafi er fürderhin keine Ver« anlassung hat. auS der Unterwelt zurückzukehren. um die zu peinigen, die sein Hab und Gut in Besitz genommen haben. Der Erbe bietet dem Verstorbenen eine Münze für daS Besitztum; der Tot « erhebt keinen Widerspruch, d. h. sein Stillschweigen wird als Zustimmimg angesehen. Die Münze, das ist der Kaufschilling, wird ihm mit ins Grab gegeben, somit ist er abgefunden und kann keinen Einspruch mehr erheben. Daß diese Allffassung ctwaS für sich hat. wird durch einen Brauch bewiesen, der bis in unsere Zeit hinein in Deutschland bestand und hier und da wohl noch besteht. Nach ihm tritt der Erbe an den offenen Sarg de» Toten, legt ein Geld« stück auf die Leiche und spricht mit so lauter Stimme, dag es alle Leidtragenden hören:Hier hast Du einen Zehrpfnmig, last mir einen Nährpfennig." Offenbar ist dieser Brauch von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzt worden, und bei der Zähigkeit, mit der solche Bräuche festgedallen werden, lassen sich die jüngsten Vorkommnisse gut mit den ältesten vergleichen und zur Aufklärung benutzen. Kehren wir nochmals zum Fährgeld zurück, so ist noch mitzu- teilen, desi dieses mancherorts nachweisbar zum Trinkgeld für den Leichenbitter und die Leichenbegleiter geworden ist. In katholischen Dörfern Süddeutschlands erhalten Knaben und Mädchen, die sich gemäfi der Landesfitte am Begräbnistage im Sterdehause einfinden, Scheidemünzen und ein Stück Brot: sie müffen dafür den Rosenkranz ribbele». In protestansischen Gegenden wurde dereinst den Kurrende- schülern, die die Leiche auf den Friedhof begleiten, derLeichemveck" zu teil, ein Backwerk in das der herkümnilicheGrabkreuzer" ein- gebacken war._ C. S. Berantw. Redakteur: Richaris Barth, Verlin. Druck u. Verlag: Liemes Feuilleton. Archäologisches. Römische Porträts aus dem ersten Jahrhundert. Einen höchst merkwürdigen Fund hat der berühmte Prof. FlinderS- Petrie nach seinem Bericht an die MonalsschriftMan"(Der Mensch) in Hawara , einem Ort am Ostrande der Oase von Fajum, gemacht. Er besteht in einer Anzahl von Römerporträts, wie sie gegen daS Ende des ersten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung in Mode kamen. Vis dahin war es Sitte gewesen, die Mumien in vergoldete Stuckgehäuse einzuschließen. Nach der Zeit der Ptolemäer aber nahm man daS Por» trät des Toten auf Kanevas, wie es gewöhnlich eingerahmt die Wand der Behausung geziert hatte und deckte es über das Geficht der Dkumie zum Ersatz für den alten Stuckkopf. DaS Porträt war un» zweifelhaft mit einer Wachsfarbe gemalt, die entweder mit einem vollen Pinsel oder in einem teigigen Zu» stand mit kurzen schrägen Strichen aufgetragen wurde. Die Porträtsammlung aus den Gräbern von Hawara ist recht gut erhalten und kann sich wohl rühmen, einzigartig zu sein. Die dargestellten Personen sind nach ihren Gesichts- zügen ohne Zweifel Europäer , und zwar meist Römer. ES sind aber auch andere Typen darunter, nämlich eingeborene Aegypter, Syrier und Vertreter noch anderer orientalischer Volker, die wohl zu Handelszwecken nach der Oase von Fajum ge- kommen und dort gestorben waren. Auch damit ist die Fülle dieieS FundeS noch nicyt erschöpft. Ueber dieser Mumien schick» findet sich eme andere Begräbnisstälte, die ausschließlich für römische Beamte bestinimt war, deren Reste als zu vornehm betrachtet wurden, um mit den Leichen von Eingeborenen vermischt zu werden. Schließlich sind auch noch Reste eines spanisch-maurischen TypuS in dieser Toten» stadt erhalten geblieben. Verkehrswesen. Die tranSafrikanische Bahn. ImMatin" veröffent« licht Andrö Berthelot, der Sohn des berühmten Chemikers, der die akademische Laufbahn des Geographen frühzeitig mit kapitalistischer Gründertätigkeit verrauscht hat. einen intereffanten Anikel über das Projekt der nansafrikanischen Bahn, die Algerien mit dem Kap ver- binden soll. Sie wird am Tschadsee vorbei zum Kongo führen und am Katanga die englisch « Linie erreichen, die sich schon von, Kap der guten Hoffnung 3000 Kilometer weit nach Norden erstreckt. Berthelot legt dar. daß die Wafferstraße des Kongo und Ubangi infolge der Langsamkeit und Kostspieligkeit deS Transports und der Notwendig- keit des odiosen und untauglichen TrägrrdiensteS(lies Sklaverei) ein lächerliches Provisorium" darbiete.(Da» ist offenbor eine Pille, womit den Patrioten der Kongoschacher versüßt werden soll, aber zugleich werden die glorreichen Errungenschaften Kiderlen» WaechterS die beidenFühlhörner" am Kongo und Ubangi im ganzen doch richtig bewertet.) Wie Berthelot ausführt, soll die Linie Oran-Kap oder Algier » Kap dem Projekt Kairo -Kap. daS von Ungewissem Nutzen ist, er» gänzend zur Seite stehen oder sie überhaupt ersetzen. Sie folgt der Achse des Konlinents, ist leichter auszuführen und verfprickit mehr Profit. Zwei Abzweigungen von ebenso hervorragender Bedeutung für Kriegs- wie HandelSzwecke sollen sie vervollständigen. Die eine, die in der Zone der Sahara beginnt, geht zum Niger . Sie soll Westafrika wirtschaftlich und militärisch an Algerien anschließen. Die zweite gebt von gemio im französischen Ubangi auS und erreicht am oberen Nil die englische Uganda-Bahn. Diese französisch- englische Durchquerungsstrecke wird die schnellste Verbindung zwischen dem westlichen Mittelmeer und dem Indischen Ozean schaffen. Dir tranSaftikanisckie Bahn ist für die wirkliche Erschließung der Weltteile unentbehrlich. Denn die große» Wasscrläufe sind infolge der Stromschnellen stromaufwärts nicht befahrbar, wie die Geschichte aller afrikanischen Flußforschunqen bezeugt. Der Bahnbau bietet dank der Flachheit deS Kontinents sehr wenig Schwierigkeiten dar. Von der Oase Figig bis zun» Katanga, auf einer Strecke von 6000 Kilometer, übersteigt die Bodenerhebung nicht 700 und sinkt nicht unter 250 Meter. Die Bahn wird die längste der Erde sein und über 10 000 Kilometer messen. Die tranS« sibirische Bahn hat, von Moskau bis Wladiwostok , nur eine Länge von 8600 Kilometer. Berthelot versichert auch, daß sie ein gutes Geschäft sein wird. In den imerkontineittalen Verkehrs» bedinguugen wird die Bahn eine wahre Umwälzung herbeiführen. Von Soulhampron zum Kap brauchen die schnellsten Danipfer 17 Tage, zioei»veitere Tage braucht man bis Johaunesburg. Wenn die Bahn fertig sein wird, wird man Jl>hamiesb»»rg von London über Calais und Marseille in n e u» Tagen erreichen. Heute dariert die Fahrt von Antwerpen nach Stanleyville , dem wichtigsten Platz im belgischen Kongo , 3640 Tage. Sie wird nur fünf Tage dauern und viel billiger sein. UebrigenS sind bedeutende Teile der Strecke schon ausgebaut, in Algier 600, im belgischen Kongo 600 und im englischen Südafrika 3000 Kilometer, so daß»»ur etwa 6000 Kilometer fehlen, also etwa die Länge der sibirischen Bahn, derep Bau aber ungleich größere Schwierigkeiten darbot. In vier Fahren, meint Berchelot, kann die Bahn über den Tschadsce hinaus fertig fein. .BorwärtsVuchdruckerei u.VerlagSa!ljtaltPaulSt»gcrz:Ev.,VerlinS�.