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schläfernd warm, und der lehte Hauch des ersterbenden Windes fühlte sich wie der weichste Flaum an Gesicht und Händen. Man war versucht, danach zu greifen, ihn festzuhalten und seine Liebfosung zu erwidern.
Unruhig jagten meine Gedanken weiter nach dem ersehnten Meere, nach der Befreiung, nach neuen Reisen; aber die" Esmeralda" ging langsam ihren sicheren Kurs, schwer und ernst wie die Wirklichkeit.
發
Einige Wochen später, genau um diefelbe Nachtzeit, waren wir fast sämtlich aus dem Logis von der„ Esmeralda" in dem niedrigen, verräuchetten Saale eines Hauses in einer der Vorstädte von Pensacola . Kisten, Säcke und Bündel lagen unordentlich vor der Tür, und hinter einem großen Tische mitten im Zimmer, der mit Gläsern und Flaschen besetzt war, stand ein starffnochiger, roter, dider Mann mit aufgeftreiften Hemdärmeln und goß Bier aus einer Blechtanne in die großen, plumpen Gläser.
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Noch ein Glas, Jungens, ein Hoch auf Amerika und die Freiheit! Von nun an sollt Ihr ein anderes Leben zu sehen belommen. Pfui, ist denn das etwas für Seeleute, hungern und fich zuschanden pumpen auf so einem alten Rattennest wie Eure „ Esmeralda"? Das ist ja der reine Selbstmord, eine wahre Schande ist's1 Geht her zum Wohle allerfeits Ady was, leg die alte Pfeife weg", wandte er sich kameradschaftlich an Lundström, hier, nimm eine Zigarre, da steht ja die Niste- taugen sie viel leicht nicht? Hier in Amerifa dulden wir keine nauserei! Hahaha, fann mir denken, was der Schiffer für ein langes Gesicht ziehen wird, wenn er morgen früh die Bude leer findet. Hahaha, schade, daß der Alte nicht mitfam, da wäre das ganze Neft leer!"
Mit dem Alten meinte er Englund, der sich nicht zum Ausreißen hatte überreden lassen. Lundström hatte schon stark getrunfen und fing an laut zu prahlen, während er plump und ungeübt seine Zigarre anzündete. Der Schiffer, ja, der wird grün und gelb werden! Profit, Larson. Du hast recht, eine Sünde ist's und Selbstmord, sich für dreißig Kronen monatlich zufchanden zu pumpen, und eines Tages platzt der ganze verrottete alte Kasten toas hat man dann!"
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Haegblom und ich faßen für uns allein in einer Ede. Wir waren beide nicht an das bittere Bier und die starken Bigarren gewöhnt. Ich fühlte mich müde, hungrig und mutlos, und es schmitt mir ins Herz. daß Lundström unsere" Esmeralda" einen alten verrotteten aften schalt.
Die Unruhe und Spannung, als wir lautlos unsere Stiften in Larsons Boot herunter fierten und im Dunkeln leise zwischen all den Schiffen auf der Neede dahin ruderten, ergriff mich mit
erneuter Gewalt.
Wenn sie sich nur etwas ruhiger verhielten", flüsterte ich Haegblom zu. Lundström schreit ja, als wäre er toll. Dent nur, wenn man uns nachspürte."
Ach, diese Nacht schlafen sie wohl sanft auf der„ Esmeralda", enigegnete er, aber morgen wird der Kapitän fich vermutlich auf die Polizei begeben."
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gemustert und waren zu den verschiedensten Zeiten, spät abends oder bei Tagesgrauen, an Bord gebracht. Unaufhörlich strömten neue Gäste ins Haus oder wurden fortgeschickt. Es war wie ein fortwährender Strom, aus dem, wie ein nimmer verstummendes Brausen, Erzählungen laut wurden von elender Kost und schlechter Behandlung, von leden Kähnen, färglichen Monatsheuern und verfürzten Freiwachen.
Haegblom wurde indeffen ängstlich und beschloß, die erste beste Stelle anzunehmen, die sich ihm böte.
„ Hab doch Geduld," meinte Lundström, eine Monatsheuer wird jedenfalls bei der Musterung abgezogen, und die können wir doch ebensogut hier aufeffen, als Larion alles zurücklassen." Und damit lieb er sich wieder einen Dollar von Larson und bot Bier aus, während die Karten gemischt wurden.
Saegblom beruhigte sich also wieder und wartetc, wie ich, auf den Hollander. Und nun sollten wir endlich an Bord gehen. Man sagte, daß die„ Esmeralda" noch im Hafen läge und mit Laden beschäftigt sei, und daß der Kapitän mit aller Anstrengung uns nachspürte. Größte Vorsicht war daher geboten. da gehen wir", sagte Larson. Ich werde Euch selbst an Bord
„ Heute abend um neun Uhr ist's finster wie in einem Sad,
begleiten."
Unten in dem niedrigen, raucherfüllten Saale wurde noch ein Glas zum Abschied geleert, und Bekannte wie Freunde schüttelten uns zum Abschied die Hände.
" Profiil" jagte Larson, der milde und hochgestimmt mit seinem Glase ringsum ging, indem er mit mir anstich. Glück auf der Ostindienreisel Gud auch wieder bei mir ein, wenn Du zurückfommst, und schreib einmal, wenn Du Zeit und Luft dazu hast. So, Jungens, nun marsch!"
Dicht neben, dem Hause lag die Schiffsbrüde, und bald schoß die Ileine Jolle, von Haegblom und mir gerudert, sowie von Larsons ficherer Hand gesteuert, nach der Neede hinunter, wo die Ankerlaternen der Schuffe Lange, regelmäßige Lichtlinien bildeten.
Nicht ein Wort wurde gesprochen. Rasch und ruhig glitt das Boot dahin, zuweilen dicht unter dem Vordersteven eines Fahrzeuges herstreichend. Mein Herz wollte zerspringen vor tausend Erwartungen..
Ein halblaules: Riemen ein!" von Larson ließ uns die Ruder einziehen, und in derselben Minute glitt das Boot an die Seite eines großen, schwarzgemalten Bartschiffes. Tas also war der Solländer! Ich versuchte zu entdecken, ob er weißgestrichene Untermasten hatte, wie ein Hollander das ja haben soll, aber wir waren zu nahe dian, als daß ich mehr sehen konnte wie das weißgemalte Gelander, über dem einige Personen auf Larsons lautes: Schiff ahoi!" zum Vorschein famen.
Eine Leine wurde ins Boot geworfen, und gleich darauf ließ man eine Fallreepstreppe nieder.
Guten Abend, Sapitan", rief Larson, hier haben Sie Ihre Jungens! Siten Sie fic quil"
Lundström war der erste, der herausging, ich folgte ihm sogleich. Als ich halb oben war, hörte ich ihn schwer auf das Ted niederLarfon hatte wieder alle Gläser gefüllt, und die ganze Gesell- springen, und in demselben Augenblick rief er mit einem Fluch: schaft tran! fich zu.
Nun, ihr Kerls da", rief er, als er Haegblom und mich entdeckte, die immer noch etwas abseits jaßen, taugt das Bier etwa nicht? Amerifa foll leben!"
Das Wort„ Kerl" übt ja ftets eine erhebende Wirkung auf einen Sechzehnjährigen aus. Ich stieß mit Larson und den Sameraden an. Das Gefühl von Freiheit und Glüd machte mich offenherzig und redselig, und alle mußten lachen, als ich erzählte, daß ich, gerade ehe wir ins Boot hinabgingen, mich in die Kajüte geschlichen und meinen leeren Brotbeutel mit der Inschrift von meinem guten Appetit an den Schlüssel von des zweiten Steuermanne Kabinentür gebunden hatte.
Von nun an taute ich auf und fonnte besonders Larson gegen= über mein Herz erleichtern. Er war ein Gentleman und hatte mich gebeten, ihn mit Du" anzureden.
" O ja, mit einem Holländer nach Ostindien, das läßt sich hören", sagte er, nachdem er mich aufmerksam angehört und mich auf die Schulter geflopft hatte. Uebrigens paßt das ganz famos, hier liegt einer, der in einer Woche segelflar ist, und ich soll die ganze Besatzung mustern."
von neuem an.
Du mit?"
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hat uns verkauft, der Schurke!"
Sch beeilte mich so sehr ich fonnte und stand faum auf Ded, als ich schon mit schallendem Gelächter vom zweiten Eteuermann der Esmeralda" begrüßt wurde.
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Es währte eine Weile, ehe ich den Zusammenhang begriff, und die Arbeit acht langer Monate gehörte dazu, bis ich die Unkosten für meinen ersten Versuch, die Freiheit zu genießen und recht in die Weite zu kommen, abbezahlt hatte.
Mehr als einmal habe ich seither die Jungen im Logis oder auf der Mache sich über etwaiges Austneifen beratschlagen hören. Ohne zu erzählen, woher ich einen solchen Widerwillen dagegen bekommen, habe ich immer gesagt: Jungens, reißt nicht aus!" -Und das sage ich auch jetzt: Nicht ausreißen! Niemals ausreißen!
Sonnenblicke.
( Nachdrud berboten.)
Verse von Karl Petersson.
Ein proletarischer Dichter, der vielen schon fein Fremder mehr Beglüdt und dankbar brüdie ich ihm die Hand, und wir stießen fein wird, flopft an die Türen der Arbeiter und bringt ein Buch, Als wir gegen Morgen, nachdem noch viel gefungen und auf das wohl mancher gleich mir mit herzlichem Wunsch gewartet hat. Nur vereinzelt fiftete Petersion bisher Irische Gaben in manches Glas Bier geleert war, die Treppe zu unserem Schlaf- die Arbeiterblätter, aber darunier war etliches, das nicht im Geflute zimmer im obersten Stod hinaufgingen, konnte ich es nicht lassen, des Tages unterging. Es blieb oben und trieb mit dem neuen Tage im Uebermaß meines Glüdes Haegblom in den Arm zu ineifen: weiter. Nam es wieder da und dort zum Vorschein, so las man es " Haegblom, ich fegele mit einem Holländer nach Ostindien, willst gern noch einmal und abermals. 3bm war in schlichter Hülle gegeben, was einem Gedichte zum Leben in anderen Herzen verhilft. Ein Ton voll Wärme klang auf, dem das Obr fich willig erschloß. Ein Weggefährte erhob die Stimme, in dessen Näbe die besten Saiten Db sein Wort mun aus der des Lebens ins Schwingen gerieten. Wirklichkeit der Millionen herfam oder aus dem besonderen persön lichen Leben, in beiden Fällen war diese Wirkung da. Immer ein Zugefellen, aus dem ein mitmenschliches freundichaftliches Hand- in- hand hervorging, ein brüderliches Zuiammenfchreiten, über dem der graue Himmel jonnige blaue Felder öffnete. Dies ist nun
Endlich war der Ostindienfahrer fegelflar, und wir hatten gemustert, oder richtiger, Larion hatte aus Vorsicht, wie es Brauch und Sitte war, drei andere auf das Seemannsamt gefchidt an Lundströms, Haegbloms und meiner Stelle.
Aus der einen Woche waren drei geworden. Die gepriesene Freiheit bebrüdte uns schon lange mit der Bleischwere des Müßig gangs. Unsere Kameraden von der Esmeralda" hatten alle längit