Wieder schlug ihm etwas ans Ohr... Und diesmal täuschte er sich nicht: der verflogene Ruf einer Menschenstimme war es dort und dort ja... er sah recht: dort traten die Zwei aus dem Wald heraus, kamen näher und näher. Lang und schwarz gingen ihre Schatten neben ihnen her. Jury traf noch tiefer ins Schilf zurück. Wie mach' ich es? dachte er. Wart ich bis er im Kahn ist und nicht mehr ans Land kann, oder... für jeden Fall hielt er das Gewehr in Anschlag. Als er wieder den Blick hob, sah er plötzlich, daß nur einer der beiden herankam. Wollte der Graf doch erst in die Hütte gehen? Aber nein, es war der Heiner, der dort stehen blieb. Wahrscheinlich, um den Proviant einzustellen.. Schlank und leicht kam der andere heran. Moardal" knirschte Jury. Das Schilf um ihn begann keife zu zittern, als ginge ein Traum über das Herz der Erde, daß sie heimlich erbebte vor dem, was da nahte. Und das Opfer kam näher und näher leicht, heiter. ahnungslos. Mit einem Sprung setzte der Graf in den Kahn, nahm Platz und sah dem Diener entgegen, dessen langer Schatten schon wieder über dieOedung " heranglitt. Der Mond sah ihm jetzt gerade ins Gesicht. Der Mond und der Tod? Hund!" rief es plötzlich an seiner Seitewos lhost mit mein' Kind'ton?" Mit einem Satz fuhr der Graf empor, sprang aus dem Kahn, die Hand am Schloß der eigenen Flinte.Heiner!" hörte ihn noch der Nahende rufen. Dann verschwand er plötzlich. Er hatte in seiner Todesangst in einer der feind- lichen Stimme entgegengesetzten Richtung vom Rückteile des Kahnes aus das Ufer zu gewinnen versucht und war fehl- gesprungen. Rasch und gurgelnd zog ihn der Sumpf hinab der Sumpf, der auch die Annaliese verschlungen! Der Leibjäger stand noch immer wie erstarrt. Was war geschehen? Da wankte Jury hervor, kreideweiß auf dem Antlitz ein Lächeln, das nichts Irdisches mehr hatte. Ihr?" schrie der Heiner entsetzt. Unser Herrgott," kam es verhauchend zurück. Wia ist's denn g'scheh'n," fragte der Heiner, den Blick auf das von dem versunkenen Körper bewegte Wasser gerichtet. Da brach der alte Mann vor ihm zusammen, noch immer die Waffe in der Hand, die er nicht gebraucht. So red'ts doch!" versuchte Heiner ihn aufzurütteln. Umsonst. Jury blieb stumm. Das Gericht Gottes, das er wie einen Blitz herabfahren gesehen, hatte sein Leben in den tiefsten Wurzeln getroffen. Georg Jilly war tot. Aber die Antwort, die er einem gräflichen Leibjäger nicht mehr geben konnte die Antwort kam plötzlich durch die Stille der Nacht daher, mit den Stimmen der Glocken, die im Dorf zum Sturm läuteten. Und als der Heiner sich erstaunt zurückwandte, stand der Nachthimmel im Schein einer weitbin sichtbaren Feuersbrunst. Es waren die herrschaftlichen Speicher, die dort drüben in Rauch und Flammen aufgingen, die Speicher, die den Schweiß und das Brot der Vcniem verschlungen fast tausend Jahre �flng._ So hat ein jeder feinen Kummer. 2] Von D. A i S m a n. Deutsch von Werner Peter Larsen. Lasar...!" stammelte sie,ist es denn wahr? Nun bist Du also wirtlich Konsul?" Ja..." hauchte Herr ZipkeS nur. Mehr brachte er in diesem Augenblick nicht fertig. Und vor dem. Hause Lasar Mironowitsch' erschien alsogleich ein Flaggenmast, noch achtungheischender und himmclragender als der vor dem Hause des belgischen VizekonsulS Chazkelcwitsch. Lasar Mironowitsch aber sah mit seine? Gattin über den Chilenischen Kalender gebeugt und stellte mit fliegenden Händen ein Verzeichnis der chilenischen Festtage auf. jener Tage, an denen der Konsul vor seinem Hause die chilenische Flagge hitzt. Alles dies trug sich in den letzten Tagen des Novembers zu. Am 6. Dezember aber schon sollte Lasar Mironowitsch als offizieller Vertreter Chiles dem aus Anlaß des Namenstages Seiner Majestät im Dom stattfindenden hochseierlichen Dankgattes- dienst beiwobnen. III. Versteh mich recht," sagte Lasar Mironowitsch in der Frühe zu seiner Frau, während er vor dem Spiegel aus- und abstelzte und pch sorglich schniegelte und striegelte,ich wohne za dem Gottesdienst nicht als �beliebiger bei, wie sagen wiv wie Jinkclstcin oder die anderew«.. nein, ich bin ja nun kraft meines Amtes hazu verpflichtet. Ich meine, als offizielle Persönlichkeit«» Selbstverständlich..." Als Mitglied des diplomatischen Corps.. Gewiß." Folglich bin ich verpflichtet, im Frack zu erscheinen," setzte Lasar Mironowitsch hinzu. Ja, wie dachtest Du denn?° Frau Zipkcs kämpfte mit irgendeinem widerspenstigen Bügck im Schrank, dabei ächzte und stöhnte sie, und ihre weißen Brüste drängten wie schwere überreife Meloirav über den Hemdausschnitk hervor. Endlich aber hatte sie den Frack mit vieler Mühe gefaßt und hielt ihn Herrn Zipkes hin. Nein, so hör doch bloß mal sieh doch bloß," sagte der Konsul und stieß erregt mit dem Finger auf das Zcitungsblatt.Seine Exzellenz Horfi Du denn? also: Seine Exzellenz der Herr Stadthauptmann geben sich hiermit die Ehre... die Ehre, zu dem am<3. Dezember im Dom aus Antaß des Namenstages Seiner Majestät unseres Kaiserlichen Herrn stattfindenden Dankgottes- dienst« die Vertreter sämtlicher Militär- und Zivilbehörden, einen erlauchten Adel, die Herren Konsuln der auswärtigen Mächte, die Herren... ja, hörst Du denn überhaupt?... Hast Du gehört, was ich lese? die Herren Konsuln der auswärtigen Mächte!" Herr ZipkeS hob bedeutsam den Zeigefinger. Auf dem Finger schrie und winkte«in Ring mit einem großen meergrünen Stein. Die Konsuln der auswärtigen Mächte!" Na. so zieh Dich doch aber etwas schueller anl Dil kommst ja zu spät! Bist Tu denn ganz und gar von Sinnen? Da schnür mir mal das da zu!" Dachte ich's mir doch!" sagte Herr Zipkes.Da ist CS dann allerdings kein Wunder, wenn ich zu spät komme." Wenige Augenblicke darauf sehen wir Herrn Zipkes bor dem Spiegel; er ist nun in voller Gala und dreht und wendet sich graziös... er probt ein gönnerhaftes Lächeln die ernste Amts- miene eine feine Nonchalance; er stülpt den Zylinder auf und lüftet ihn unerwartet mit kafwollem Schwung, wie auf manchen Bildern der smarte Herr Roosevelt , dem er diesen Gruß abzu- lauschen sucht. Wirklich famos, der Frack", denkt er selbstgefällig.«Und vor allem: überaus feierlich." ..Nein, wie der Frack Dich kleidet", sagt nun auch Klara Moissejewna, als habe sie seine Gedanken erraten.Wie ein Minister sieht Du auS..." «Na. und was ist denn schließlich ein Minister?" Lasar Mironowitsch schlägt die Frackhälften zurück und schiebt die Daumen herausfordernd in die Westentaschen. Das goldene Messerchen in Form eines Damenschuhs funkelt und glüht auf seinem gewölbten Bauch. Ein Minister ist schließlich auch nur ein Mensch.. Er durchwandert gemächlich das Zimmer. Bald aber unterbricht er seine Wanderung, tritt abermals vor den Spiegel und beginnt sich abermals zu betrachten. Also wirklich kolossal feierlich, so ein Frack! Ich werde jetzt häufiger den Frack anziehen. Da ist der Wagen. Bist Du nun fertig? Na, also vorwäriSl Sonst kommen wir wirklich noch zu spät." IV. Nun werde ich etwas für die hiesigen Chilenen tun müssen". meinte Lasar Mironowitsch auf der Fahrt zum Dom.Eine Stiftung oder Spende... für die Kranken und Armen..." .Gibt es denn hier solche?" .Was fürsolche"?" Na. Chilenen." .Ach so. Wir werdet! jedenfalls sehen. Ich will mich morgen erkundigen." Seiner Gattin jedoch, die diesem Pkan mehr in die Tiefe nachging, kamen bei näherer Betrachtung etliche Bedenken. Man wird Dir wieder Vorwürfe machen," sagte sie,.ganz wie damals, wegen der Heilstätte.. .Heilstätte?" .Na ja, die für die Polizisten.. .Polizisten? Ja, sind denn die Chilenen Polizisten?" jCbet man wird sagen, die eigenen Verwandten läßt Dl» verhungern, und für Fremde wirft Du es hinaus." Fremde?" schrie Lasar MironowitschJa, Gott der Ge» rechte, sind denn das Fremde? Uinere Chilenen?I" Nein. Fremde waren es sicherlich nicht. TaS leuchtete Klara Moissejewna ein. Gewiß ein schöne? Land, dies Chile ..." meinte sie nach einer Weile. Ein herrliches Land!" sagte Lasar Mironowitsch.Und vor allem so viel Kultur. So diel Bildung..." .Na ja, das Ausland... da müssen sie ja Bildung haben. .Ausland! Als wenn da schon alle Bildung hätten!" .Nicht .Gewiß nicht. Abessinien zum Beispiel." .Haben sie denn da kein? Bildung?" In Abessinicn? pahl Bildung! Hosest haben sie nicht mall" Lasar Mironowitsch hüllte sich fester in seinen Pelz.