»nähiger Äaturbeobachtung geführt hak. Wie er selbst sagt, wäre er Naturforscher geworden, hätte ihn nicht der Wille seiner Eltern, gegen den er nicht weltstürmerisch aufgebäumt hat. in die juristische Laufbahn gedrängt. Uebrigens hat er diesen unerfüllten Jugend- plan noch reichlich nachhol», können; er hat in fünfzehnjähriger tzorscherarbett seine Beobachtungen über das Leben der Bienen ge- sammelt und das Fazit daraus in einem Buch gezogen, dessen »vissenschaftllcher Wert durch die Preiskrönung der französischen Akademie eine offizielle Bestätigung erfahren hat. Studien über die Pflanzen(.Die Intelligenz der Blumen" u. a. m.) schlössen sich an. Hier wie dort strebte der Dichter eine mystische Vertiefung unseres NaturerkennenS auf Grund exakter Forschungen an, indem erspekulative Resultate auf mduktiver Grundlage" gab. das genaue Gegenteil der alten, verrufenen Naturphilosophie Schellings und Okens, die von vorgefaßten Abstraktionen ausging, um die Einzelerscheinung in ihr Schema zu zwingen. Als dritter bedeutsamer Einfluß auf den Dichter tritt seine Wekanntschaft mit einer hochstehenden Frau hinzu, der Sängerin und Schauspielerin Georgette Leblanc , die er 1896 kennen lernte und die ihm fortan eine klug« und treue Lebensgefährtin sein sollte. Es war zu einer Zeit, da er selbst einen Ausweg aus der »nystischen Versunkenheit seiner ersten Epoche suchte. Schon der Schatz der Armen", der philosophische Schlußstein dieser Epoche, ist ihr gewidmet, und bereits hier steigt das Gestirn der Weisheit, das den Einfluß des finsteren Schicksalsgestirns niederhält, am Be- griffshimmel des Dichterphilosophen auf. In dem folgenden Buch Weisheit und Schicksal"(1893) ist der Umschwung zu einer neuen, lebensfreudigen Weltanschauung innerlich vollzogen. Fortan steht dieser Frauentypus im Mittelpunkt seiner Dramen. Schon inAglavaine und Selysette"(1896) sehen wir ihn auftreten. Dies Seelendramo voll tiefer Symbolik verkörpert den Kampf zwischen einer scheidenden, nordisch-mystischen, instinkt- mäßigen Weltauffassung uno einer kommenden, südlich-klaren, weis- lheitsvollen Weltanschauung, die sich das Herz des Dichters streitig machen, wie sich Aglavaine und Selysette die Liebe Meleanders streitig machen, die eine mit ihrer naiven Zärtlichkeit, die andere mit ihrer hoheitsvollcn Weisheit. Dieser Kampf aber führt« not- wendig zu einer tragischen Lösung, und der Tod, den der Dichter hier, nach eigenem Geständnis, entthronen wollte, bleibt zum letzten- mal Sieger. Erst der HeroineMonna Vanna" gelingt es. den Tod zu ent- thronen; sie bietet einem ungewissen Schicksal in Behauptung des eigenen Ich kühn die Stirn. Den völligen Sieg über das Schicksal aber auch den äußeren erreicht erst ihre Geistesschwester Joyzelle und der alte Zauberer Merlin: in diesem Drama(Joy- zelle") sind Gemüt und Welt, nach dem tiefen Worte des Novalis , zusammenfallende Begriffe geworden. Zu dem inneren Glück des Gerechten, das der Dichter inWeisheit und Schicksal" ergründet und an der Figur des alten SilanuS(inMaria und Magdalena") veranschaulicht hat, tritt hier das äußere Glück des Starken, Klugen und seiner Seele Bewußten. Das ist des Schicksalsdramatikers letzter Schluß und zugleich die Nutzanwendung seiner letzten philo» fophischen Werke. Wie Maeterlinck selbst eine geradlinige Entwickclung von Lebensfurcht zu höchster Weltbejahung durchgemacht hat, so glaubt er auch an den Fortschritt und die Entwickelung des Weltganzen aus einem Chaos zum Kosmos. Er verfolgt dies Entwickelungs- gesetz als Naturforscher an einem außermenschlichen Gemein- Wesen, dem Bienenstaat, und erkennt dessen allmähliches Werden aus dem anarchischen Urzustände der wilden Urbiene(Prosopis) bis zu dem strenggeregcltcn geflügelten Staatswesen unserer Hausbiene. In einer seiner letzten philosophischen Schriften, der Intelligenz der Blumen", hat er diese große Linie der Entwicke- lung auch in einer niedrigen Sphäre ausgedeckt. Gerade die Pflan- gen, sagt er, die wir für so resigniert und fatalistisch halten,geben uns ein wunderbares Beispiel von Unbotmäßigkeit, Mut und Be- harrlichkeit gegen das feindliche Schicksal". Er erkennt die geistige Einheit der Welt, die ihn zur freudigen Hingabe des Jndviduums an den Weltprozeß, zu einem Goetheschen Pantheismus bestimmt. Beruhigung, das ist das letzte Wort von Maeterlincks Lebens- Philosophie: Beruhigung, daß sein Verstand, seine naturwissen- fchaftlichc Weltbetrachtung, den Intuitionen seines Dichterhrzens recht gegeben hat, daß sein Geist und Wille im Einklang mitein- ander und mit dem Weltganzen stehen. Und in seinem letzten philosophischen AufsatzVom Tode" nimmt er auch den Tod, der ihm «inst so unheimlich aus allem Leben entgegenschaute, als ewiges Werdegesetz mit stiller Gefaßtheit hin: Gelassen hingestüht auf Grazien und Musen, Empfängt er das Geschoß, das ihn bedräut, Mit freundlich dargebotnem Busen Vom sanften Bogen der Notwendigkeit.'' kleines Feuilleton. Eine Tiersage der Hottentotten. Einen interessanten Einblitk E« die Volksseele der Hottentotten gewährt eine hübsche alte Tier- Lage, durch die die Hottentotten die Hasenscharte erklären. Da? «erantw. Redakteur: Richard Barth . Berlin. Druck u. Verlag: poetische Märchen, das imState" veröffentlicht wird, laulei:Vor langer, langer Zeit, als Hie Welt noch ganz jung war, wollte Frau Mond den Menschen eine Botschaft senden. Sie versuchte es erst mit einem Geschöpfe und dann mit andere», aber ach. sie waren alle zu eifrig beschäftigt, sie konnten nicht gehen. Da rief sie schließlich das Krokodil. DaS Krokodil ist sehr langsam und nicht sehr gut, aber Frau Mond dachte: ich werde es in den Schwanz kneifen, da» mit es schnell geht. So sagte sie dann zu dem Krokodil:Gehe schleunigst hinab zu den Menschen und bringe ihnen diese Botschaft: Wie ich sterbe und sterbend lebe, so werdet auch ihr sterben und sterbend leben." Da machte sich das Krokodil auf den Weg; s» lange Frau Mond es sehen konnte, lief es eilig dahin, und wen» Frau Mond eS nicht sehen konnte, ging es ganz langsam und ge» mächlich Da kam der kleine Hase und fragte:Wohin läufst Dl» denn so eilig, Onkel Krokodil?" Das Krokodil aber antwortete: Frau Mond hat mich mit einer Botschaft zu den Menschen ge- fandt:Wie ich sterbe und sterbend lebe, so werdet auch ihr sterben und sterbend leben"." Da sagte der Hase:Du bist so langsam. gib mir die Botschaft, ich werde sie zu den Menschen bringen." Schön," sagte das faule Krokodil. Da lief der Hase wie der Wind davon, und endlich kam er zu den Menschen und rief sie zusamnien und sagte:Hört, o Söhne Babuns, ein weiser Mann kommt, Euch eine Botschaft zu künden. Mich sendet Frau Mond, um Euch zu sagen:Wie ich sterbe und sterbend zugrunde gehe, so werdet auch Ihr sterben und es wird mit Euch ganz zu Ende sein." Da sahen die Menschen einander an und beteten, und plötzlich war das Fleisch ihrer Arme wie Gänsefleisch. Und während die armen Menschen so in schlimmen Schrecken zitterten, ging der Hase zu Frau Mond zurück und erzählte ihr von der Botschaft, die er überbracht hatte, und lachte vor Vergnügen, weil die Menschen vor Angst ganz steif waren. Da wurde Frau Mond sehr zornig und nahm einen großen Stock und schlug den Hasen. Aber der Hase duckte sich und ent» wischte ihr, und der Schlag mit dem Stocke traf ihn nur auf der Rase. Da vergaß der Hase, daß der Mond eine Dame war, und ritsch ratsch schlug und zerkratzte er das Mondgesicht, bis die Stücke davonflogen. Und darum geht der Hase noch heute mit einer ge- fpaltenen 5!ase durch die Welt, und darum hat das goldene Antlitz der Frau Mond so lange dunkle Narben." Kulturgeschichtliches. Die Erfindung des chinesischen Porzellans. Al» Böttger in Dresden im Jahre 1709 daS Porzellan erfand, kam er hinter daS technische Geheimnis, das China schon lange besaß, jedoch vor Unberufenen ängstlich verwahrte. Entsprechend dem Interesse, daS die Europäer an dem schönsten aller keramischen Stoffe seit jeher bekundeten, war auch die historische Forschung nicht minder bemüht, die ersten Anfänge der Porzellanproduktion in China fest- zustellen. In einer lehrreichen Abhandlung, die im Oktoberbest des Orientalischen Archivs" veröffentlicht wird, stellt der Kunsthistoriker E. Zimmermann die Ergebnisse dieser Forschung zusammen. Die Erfindung des Porzellans vollzog sich nach dem Muster vieler andern technischen Erfindungen so, daß man die Zusammen- setzung dieses kostbaren Stoffes auf einem Wege fand, auf dem man zunächst etwa» ganz anderes suchte. Denn das Porzellan ist in seiner Zusammensetzung so eigenartig, daß man mit den gewöhnlichen keramischen Mitteln niemals zu seiner Herstellung gelangen konnte. Es stellt ein Gemisch zweier Bestandteile dar. die sich im Feuer deS Brennofen? genau entgegengesetzt verhalten, eines glasartigen, der dort schmilzt, und eines mehr keramischen, der fest bleibt. Dadurch nimmt daS Porzellan eine Mittelstufe ein zwischen Glas und Keramik. Wie kamen nun die Chinesen darauf, so ein Mittelding zu fahrizieren? Darüber erzählt eine chinesische Chronik:Ho Chou, der Vorsitzender deS Ministeriums der öffentlichen Werke während der kurzen Zeit der Suidynastie(681617 n. Chr.) war. besaß eine aus« gedehnte Kenntnis von alten Gemälden und war sehr vertraut mit Altertümern. China hatte schon seit langer Zeit die Kunst, Glas zu machen, verloren, und die Arbeiter wagten nicht, neue Versuche zu machen, aber ihm gelang eS. aus einem grünen Porzellan Gefäße herzustellen, die nicht von wirklichem GlaS zu unterscheiden waren." Gestützt auf dieses Zeugnis und noch auf einige andere quellen- geschichtliche Hinweise, sieht Zimmermann in dem genannten Ho Chou den wirklichen Erfinder des chinesischen Porzellans, dem diese Erfindung dadurch gelang, daß er bemüht war, mit keramischen Mitteln Glas herzustellen. Genau so wie eS Böttger 1100 Jahre später versuchte. Es ist nicht uninteressant zu erfahren, daß die geschichtliche Forschung in diesem Punkte mit einem sonderbaren Märchen zu kämpfen hatte. Im Jahre 1834 entstiegen altägqptischen, scheinbar ganz unberührten Gräbern, die nach ganz sicherer Zeitbestimmung schon 1300 Jahre vor Chr. Geb. angelegt waren, eine ganze Reihe von kleinen, mit chinesischen Inschriften versehener Fläschchen, die zum Erstaunen aller nichts anderes al« chinesisches Porzellan dar- stellten. Und obgleich es recht bald gelang, den frechen Betrug zu entdecken, der hinler diesem Funde steckte, lebt das Märchen vom mehrtausendjährigen Alter des chinesischen Porzellans teilweise sogar noch heute fort. In Wirklichkeit aber besitzt da» chinesische Porzellan ein im Vergleich mit dem europäischen allerding» ehrwürdiges Alter von etwa 1300 Iahren. vorwärtSBuchdruckerei u.VerlagSanstalt Paul SlngertCo.,BerUn S W.