Ter Bürgermeister aber fagie zum Schulmeister, der als Katsherr neben dem Ratsschreiber saß, wie seines Amtes war. im Hinweis auf die Kinder: „Ja, ja, die Sünden der Väter" er unterbrach sich, BM eine Prise zu nehmen. ...„suchen sich heim an den Kindern und Kindes- kindern", vollendete der Schulmeister und strich sich über die Platte. Da bot ihm der Bürgermeister auch eine Prise an. Damit war für sie das Geschäft erledigt. (Fottsctzung folgt.) 80 bat ein jeder leinen Kummer. 6] Von D. A i S m a n, (Schlich.) Im nämlichen Augenblick aber geschah etwas durchaus Seit- ftnncs und Unerwartetes. Der General runzelte nämlich die Brauen, trat«inen Schritt zurück, japste... schnappte nach Lust... und richtete den funkeln- den Blick wütend auf den Konsul. „Oster'mahl... grunzte er zähnefletschend.»Jetzt— Osler- mahl?" Sein Schnauzbart sträubte sich gleich dem eines KaterS, seine Unterlippe bebte und mählich begann sein ganzes vergilbtes Gesicht >u beben und zu zucken. Das„reißende Tier", das stets in ihm schlummerte und ihn zu all seinen tollen Streichen trieb, fuhr plötzlich aus seinem Echlummer auf und bemächtigte sich seiner mit Haut und Haar. „Ostcrmahl?" schrie er abermals.„Habe ich etwa die Listen aufgelegt? Hobe ich die Sammlungen eingeleitet? Aha, Du bist «» also, chilenischer Esel, der die Sammlung eröffnet? Du, und Nicht Dein Stadthauptmann?!"« Lasar Mironowitsch wich entsetzt zurück. Bei diesem Rückzug stieß er gegen einen Stuhl, gegen den Tisch, gegen einen zweiten Stuhl... Der Stuhl fiel krachend um, vom Tisch aber stürzte das Tinten- faß und leerte seinen Inhalt über des Stadthauptmanns Hosen.... „Du bist es also, der mir befiehlt und diktiert?!" schrie Shel- tuchin. Er griff sich an die Hosen und versuchte die Tinte abzu- schütteln. „Ich weiß also nicht, was ich zu tun habe? Ich vernachlässige «lso meine Pflicht? Ich weiß also nicht mal, wann Ostern ist? Du mußt mich also darauf hinweisen—?!" Er tat plötzlich einen Satz, warf sich über Lasar Mironowitsch «nd erwischte ihn bei den Ohren. „Du sollst Dich um mein Ostermahl kümmern!" kreischte er. »Du— Du— Du— I Du sollst kommandieren, Du sollst be- fehlen— warte, Kanaille!" Er hob die Faust, packte jedoch, ohne zuzuschlagen, den Konsul von neuem bei den Ohren. An Lasar Mironowitsch? Weste sprangen zwei Knöpfe ab. Die Krawatte trat hervor, baumelte unentschlossen hin und her und begann schließlich mit dem Damenschuh an der Uhrkette um die Wette zu tanzen. „Raus!" brüllte Sheltuchin.„RauS, Schweinehund! Ausweisen soll man das Aas, diesen chilenischen Stelzhahn... binnen L4 Stunden..- nach Jerusalem ... nach Jericho , nach Sibirien ! In? Klosett mit ihm!..." Das Wüten und Toben im Zimmer des Gewaltigen hielt pundenlang an. Wie geängstigte Schafe drängten sich die Bittsteller im Vor- gimmer zusammen.... Konsul Zipkes war längst über alle Berge, ja selbst die abge- platzten Westenknöpfe hatten die Diener aufgelesen und beilseite geschafft, der General aber fluchte und brüllte immer noch. „Und was sein Gesuch anbelangt," wandte er sich an den Ad- iutantcn,„die Knieljosen und Patronentasche, so geben Sie ihm Bescheid. Denselben, den Sie damals im Theater vorschlugen.... Schreiben Sie ihm gleich... mag er sich freuen... dieser Esel ,.. dies Mistvieh... dieser chilenische Lauseaffe.. XI. Einige Tage darauf, als Lasar Mironowitsch bei seiner Frau im Schlafzimmer saß und trübsinnig die Chancen einer Aussöhnung mit dem Stadthauptmann erwog— ob das überhaupt je möglich? und wieviel die Sache gegebenenfalls kosten werde?— trat das Mädchen ein und überreichte ihm ein großes versiegeltes Kuvert. „Vom Stadthauptmann," sagte sie. Der Konsul fuhr zusammen. »Klara l... Von drüben... aus Chile ..." Er erbleichte. Er rang nach Luft. Er geriet in eine derartige Erregung, daß er außerstande war, das Kuvert zu öffnen. Gleich. zeitig aber kam etwas Erhaben-Majestätisches in seine aufgerichtete «estalt. „Gib her... so gib es doch her.. drängte Klara MoissejeM« und streckte beide Hände danach aus. „Grundgütigcr Gott !" stammelte der Konsul. Das Kuvert aber ließ er nicht locker. »Na. so gib es doch her.. „Ach, Klara! Das Glück! Hihi, Chazkelewitsch! Dem wollen wir schon zeigen....! So ein Dreckkerl.. „Gott sei Dank! Siehst Du, habe ich nicht gesagt, Du sollst Dich an den Stadthauptmann wenden...?" „Meine Einzige..." ..... ohne mich wärst Du nie und nimmer hingegangen.. .... mein Herz...1" „Du verstehst ja so etwas nicht anzufassen.,, Im Leben wärst Du nicht darauf gekommen..." „Aber nun ist ja alles gut!" frohlockte Zipkes. Er erbrach andachtig das Kuvert. Er förderte ein Schriftstück zutage. Und entfaltete es... Und begann zu lesen... „... in Erledigung Ihres Gesuches betreffend die Verleihung einer Ihrer Würde entsprechenden Amtstracht werden Sie hierdurch in Kenntnis gesetzt.. „Klaraherz... ich werde in Kenntnis gesetzt.. Herr Zipkes hob, ohne den Blick von dem Schriftstück zu der- wenden, den Finger. „... in Kenntnis gesetzt, daß die Mehrzahl der Bewohner Chiles , als eines streng demokratischen, zugleich aber noch völlig primitiven und wilden Landes, weder in Amtstracht noch anderer Kleidung, vielmehr bis auf den heutigen Tag wie Gott sie geschaffen— also nackt— einhergeht. Bemerkt sei. daß es hochgestellten und offiziellen Persönlichkeiten freisteht, ihren Körper nach Gutdünken für eigene Rechnung zu schmücken. Die in Chile übliche Sitte schreibt für solche Fälle im allgemeinen ein bei völliger Nacktheit des Körpers über der rechten Schulter zu tragendes Leoparden - bzw. Pantherfell vor. Ihnen, als Konsul und Mitglied des diplo- maiischcn Korps, steht, wie ausdrücklich betont sei, das gleiche Recht zu, mit der einzigen Klausel, daß Sie fraglichen Leoparden bzw. Panther, wie es das Gesetz vorschreibt, in den jungfräulichen Wäldern unseres geliebten Vaterlandes.Auge in Auge eigenhändig erlegen." Das Papier entglitt den Händen des Konsuls. Er rang nach Fassung. „Klara...1" Klara Moisscjcwna, eben im Begriff, das Blatt aufzuheben, besann sich plötzlich eines anderen, richtete sich in voller Größe auf und kreischte: „Klaral Aha? Nun soll Dir wohl Klara helfen?!" »Ich verstehe nicht..." „Du verstehst nicht—?!" „Ich... weiß nicht... ein Fell... ein Leopard..." „Esel! Idiot I" kreischte Frau Zipkes.„Verdammter Idiot, begreifst Du denn nicht, daß alles nur Spott ist? „Nein... ach... ach, Klara.. „Begreifft Du denn nicht?.. Klara Moissejewna schlug die Hände zusammen. „Grundgütigcr Vater, warum hast Du mir diesen Idioten gc- geben! Diesen unverbesserlichen Esel!..." Sie stürzte sich mit geballten Fäusten auf Herrn Zipkes. „Mußtest Du zu dem Stadthauptmann?! Mußtest Du?! Habe ich es nicht gleich gesagt?!" „Du...? Wann denn..." „Immer!... Immer habe ich gesagt: geh nicht hin, habe ich gesagt, laß ihn in Frieden, habe ich gesagt, er ist ein Lump und ein Schuft! Nein, Du mußtest hin! Du warst klüger als alle... Da- mals im Theater— habe ich nicht gesagt, er ist ein reißendes Tier? Habe ich nicht gesagt, er ist verrückt...? Ostermahl... Kamel... Idiot, der Du bist!..." Sie schrie und fauchte und stampfte auf. und ihr gewaltiger Busen hüpfte dazu im Takt. Bald stürzte sie sich auf ihren Mann, bald stürzte sie von ihm fort, bald lag sie auf dem Kanapee mit Elfenbeineinlage und ihr Jammern und Geschrei erfüllte das ganze HauS. Sie war außer sich vor Wut, Verzweiflung und Haß. Sic begriff, daß in diesem Augenblick alles zusammenbrach: alle Hoffnungen auf Amtstrachten und Ehren und Ruhm... und die Aussicht, über Frau Chazkelewitsch die Nase zu rümpfen... und die Möglichkeit, emporzusteigen, von oben herabzuschaucn... sich von allen anderen simplen Judenweibern für immer abzu- sondern... Pah— was wollte e§ denn besagen, daß ihr Mann Konsul war? Daß vor dem Hause ein Flaggenmast stand? Vor der Schwimmanstalt stand auch ein Flaggenmast... Wäre aber dieser Esel, dieser Lümmel, dieser Idiot dem Stadt. Hauptmann nicht in die Quere gekommen, hatte er ihn ein für allemal mit seinen Spenden in Ruhe gelassen, so wäre die Sache auch anders verlaufen.... Aber versteht er denn überhaupt mit jemandem zu sprechen? Er ist ja ein Idiot! Er ist ja wie vom Satan besessen! Er geht hin und beleidigt den Stadthauptmann, er sagt ihm Dreistigkeiten, wie der allerärgste Sozialdemolrat—«pie diejev
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28 (16.11.1911) 223
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