Anterhaltungsblatt des Torwärts Nr. 234� Sonnabend fen 2. Dezember 1911 WaiSintS»ertofeit.J i5] Die Guten von Gutenburg. Von Hermann Kurz . Da kam an Simon das Bedauern. Das war auch eine solch alte arme Seele, arm und wertlos wie er. Hastig schob er ihr das Glas hin. Trink, es soll Dir gut tun," sagte er mitleidig. Die Beitel setzte sich hin zu ihm und begann zu reden. Da die Beitel herumkam unter den Leuten, wußte sie, daß dem Simon im Gemüte böse war. Und da sie den Simon kannte, dachte sie sich, was und wo's dem fehlte. Sie fragte nach allerlei Gered: Brauchst Du Geld, Simon?" Simon schaute das Judenweib an und dann kam ihm der Gedanke, was Christen nicht tun, tut ein Jude. Hast Du Geld, Beitel?" ..Wiediel?" Zweihundert", sagte der Simon rasch. Hundertfiinfzig Hab ich, das-ist mein alles, wenn ich es verliere, kann ich nicht mehr einkaufen. Hundert kann ich Dir geben davon." UUd Simon nahm das Geld, und von diesem Tage an dachte er über mancherlei anders denn früher. Die Doktorin schrieb dem Simon eine Quittung aus und versprach, mit dem Rest zu warten. Aber kaum war Simon weg, da gab sie Bescheid aus dem Amt, daß man für den Rest beim Simon pfänden müsse. Denn sie hatte für die Seligkeit ihres Abgeschiedenen eine Stiftung von tausend Mark ge- macht. Und diese Stiftung wollte die Doktorin an faulen Rechnungen aus dem Buche ihres Seligen herausschinden. Als der Simon die Anzeige bekam, daß er gepfändet würde, wenn nicht bis zum Termin der Rest der Doktor» rechnung eingezahlt sei. da stieß er einen greulichen Fluch aus aus die Treulosigkeit der Menschen. Doch faßte er seinen Entschluß. Jetzt wußte er, was tun. Das Geld der Beitel durfte nicht verloren gehen. Und auch nicht den Kindern das Dach über den Häuptern. Er schritt aus zum Bleicher. Der schaute mißtrauisch zu Simon auf: Hast Du Dir's überlegt. Simon?" Gih die zweibundert Mark, Bleicher," sagte der Simon mit rauher Stimme,und dann schlag das Holz! Aber kein Reislein mehr als ich gesagt habe." Der Bleicher gab in aller Eile das Geld. Freude und Gier waren aus seinem Gesicht zu lesen. Das war doch etwas anderes. Für diese Bagatelle konnte er ein ganzes Jahr ungesorgt leben. Als der Simon das Geld hatte, schaute er den Bleicher ernst an. Dann sagte er langsam: Hör', Bleicher! Ich bin in Rot . Sonst hätte ich nicht mitgemacht. Schlag' das Holz. Du hast meine Hilfe. Aber komm' nicht mehr zum zweitenmal. Und wenn Du ein Wort ausbringst, dann denk' an meine Büchse, dann bist Du mein. Denk' daran, Bleicher, und komm' kein zweites Mal!" Simon zahlte auf dem Amt die Schuld und das Dach blieb ihm sicher über seinem Haupte. Doch war seit diesen Tagen eine Bitternis wie noch nie in sein Herz gekommen. Er grollte den Menschen und seinen Rachsten zuvor. Als er der Beitel ihr Geld gab. sagte er zu ihr:Beitel. wenn Dir jemand etwas zu leid tut oder wenn Du kein Dach hast, komm' zu mir." Da verwunderte sich die Beitel baß. Denn bis jetzt hatte sie für das wenige, das sie auslieh, nur Prozente und Grob­heiten bekonimen, sonst nichts. Der Findling aber hörte von den harten Reden seines Vaters Sinion. und in seinem Gerzen erwachte das Mit- gefiihl. Er hatte den Trieb zu Helsen und wußte nicht wie. So stolperte und zögerte er ain letzten Missionstage der Schule zu. Der Mond stand noch am Himniel und er schaute darein, denn er battc einen eigenen Gedanken. So stand er und grübelte, und er konnte nicht klug werden aus dem, was er dachte. Da machte der Seppetoni: Hoi Qchs! Halt, wenn der Lausbub uns nicht sieht!" Der Findling sprang mit einem hurtigen Satz zur Seite. Der Ochs hatte ihn unverhofft hinterni Ohr mit rauher Zunge geleckt. Und wie er os dastand, kam einer der PatreS der Mission daher i er faßte den Seppetoni am Rockknopf: Seid Ihr ein Christ?" fragte er. Ja," machte der Seppi. Wißt' Ihr, was heute ist?" Samstag. Pater." Nein, ein heiliger Tag, ein sehr heiliger Tag. Mission, und Ihr Heide, Ihr arbeitet, ja, schämt Ihr Euch nicht, heh?" Der Seppetoni kratzte sich am Ohr. dann schaut? er den Pater an und kratzte sich wieder. Darauf sagte der Seppi gelassen: Hoi Ochs, vorwärts! Pater, wenn Ihr mitfahren wollt, Holz holen, seid Ihr höflichst eingeladen!" Und vorwärts ging der Ochs, und der Pater hatte das Nachsehen. Aber er griff an seinen Rosenkranz und ging zum Waldhiiterbaus. Dort machte dere Pater Anisette, er bieß so, weil er süße Schnäpse liebte, sehr schlimme Erfahrungen. Näher ließ er sich nie darüber aus. Auf jeden Fall gab er dem Simon auch nicht auf alle Fragen Antwort. Und der Simon kam nach wie vor nicht mehr zur Beicht, seit der Missionswoche erst recht nicht. Als der Findling so am Straßengraben saß. kam der Altenbergcr Bürgermeister. Der Findling wollte sich rasch drücken. Aber der Altenberger Herr faßte ihn am Kragen: Hallo, Strolch, die Schul geschwänzt?" Verlegen schaute der Findling nieder: Nicht mit Fleiß," sagte er. So, warum denn?" Da blitzte im Findling sein Gedanke wieder auf; erregt fragte er: Wißt Ihr, wie viele Leitern man braucht, um auf den Mond zu kommen? Glaubt Ihr, es gebe überhaupt so viel, heh?" Verwundert fragte der Altenberger. Warum willst Du denn auf den Mond, Bub, warum?" Der Findling meinte weinerlich: Weil's dem Vater Simon nimmer gut gefällt hier unten." So, wer sagt denn Dir, daß es ihm nimmer gefällt?" Er selbst." So. so." Nach einer Weile Besinnen hieß der Altenberger Bürger- meister den Findling rasch nach der Schule lausen. Er selbst ging zum Simon und hatte eine lange, lange Unterredung. Wäre der gute und eifrige Pater Anisette nach dem Altenberger Bürgermeister zum Simon gekommen, die Fragen wären nicht so hart gewesen, und er selbst hätte lieber als jetzt an den Simon gedacht. Der Ketzer, die Nachwehen der Mission und des Erhard Freitegang zur Liesi. Nach acht Tagen war die Missionswoche�in Gutenburg glücklich zu ihrem Abschlüsse gekommen. Am Sonntag hielten sie die letzte große Predigt. Die Patres ermahnten die treuen Schafe Roms, auch in Zukunft Schafe zu bleiben und Irr» lehren nie anzuhören. Hölle, Schwefel, Teufel und Seelen- Pein waren die Aussicht der Abtrünnigen. Kreideweiß horch- tcn die Leute von Gntcnburg, welche Schrecken ihrer nach dem Tode harren konnten. Denn der Pater Anisette hatte zu den schon bestehenden noch einige neue entdeckt. Und darum warfen sie sich hin, tief neigten sie ihre Häupter und gelobten festzuhalten an ihrem Glauben. Am Montag gedachten die Missionspatres von Dübels- bach in einer Frühandacht der Verstorbenen. Und mit einem großen Pomp und Gepränge rückten sie in Prozession aus durch das Städtlein nach dem Kirchhof. Und da geschah es gcradff, daß der versoffene Totengräber ein Grab ausschaufelte, gleich breit, lang und tief wie alle die anderen, wie das sein nmßte nach dem Gesetze. Dennoch