weißer Hollunder. Ein Stuck schneeglänzender Mondnacht schildert Bendrat mit vollem Gelingen in seinem„Krantor in D a n z i g"(Teubner, 2.50 M.). Der lichtleuchtende Schnee auf dem Dach zu feiten des düsteren Turmes und unten am dunklen Bau und im engen Torbogen die warme Goldigkeit des Laternenlichts, das gibt einen höchst harmonischen Zusammenklang. Die Fülle, die die Steinnatur des Baues empfinden läßt, geht den Beckertschen Bildern, der„Dresdener Frauenkirche" und des „Zwingertores"(beide bei Teubner, 2,50 M.) leider sehr ab. Zeno D i e m e r s ägyptische„Pyramiden"(Voigtländer , 5 M.) mit dem Fernblick über ein Trümmerfeld pharaonischer Herrlich- Zeit kann der historischen Anschauung gute Dienste leisten. In den Vorzugsdrucken des„K u n st w a r t s" ist in den letzten Jahren eine kleine Reihe farbiger Bilderwiedergaben heraus- gekommen, die ein seelischer Zusammenhang verbindet. Die Bilder sind im Stoffe verschieden, aber in ihrem menschlichen Jnnenlaut schwingen verwandte Töne, die aus der gleichen sphärischen Höhe zu kommen scheinen. Nebeneinander klingend geben sie eine Melodie heiligster Stunden des Lebens, die über den Alltag, die Enge der Zeit, die Abhängigkeit von aller Umwelt hinausführen und den, Men- scheu ganz seinen schöpferischen Kräften anvertrauen. Sie wollen ihr Recht, sich zu betätigen, und zeigen, ihm Weit und Zeit zu seinen Füßen, aus großer schweigender Höhe her. Nahe führen sie ihn an die großen Geheimnisse des Daseins heran. Solche Bilder waren Weltis„Penaten"(3 M.), Thomas'„Wundervogel"(1 M.), Hofmanns„Sonnenuntergang"(2,50 M.). Menschenleben und Weltenraum erschlossen sie dem Gefühl in unsagbar ernsten, rätsel- schönen Weiten. Nun ist ein neuer farbiger Druck erschienen, den 'ich in diesen Rahmen einfügen möchte. M. A. St r e m e l s Blatt „G o e t h e z i m m e r"(3 M.) gibt mehr als nur den feingestimmten Durchblick durch die seltsame Stille einiger Räume des Dichterhauses in Weimar . Hier sind Räume, die nicht mit dem Tode dessen, der sie bewohnte, leer wurden von den Wesen, die seinem Denken und Fühlen verkettet waren. Die Schönheit und Tiefe der plastischen Werke, die dort aufgestellt sind, die Bildnisse vertrauter, geliebter Menschen, die heitere Sicherheit der stillen, farbig abgestimmten Räume, die'ns Gartengrün hinausschauen, all das geht in einem Klang zusammen, der ein Leben bezeugt, das unfaßbar gegenwärtig .ist. Die Arbeit, die sich in der Herausgabe dieser Bilder ausdrückt, gipfelt in der mächtig gelungenen Feuerbach-Mappe, dem großen ,.Kunstwart"-Ereignis dieses Jahres. Von den Gestalten der Feuerbachschen„Kunst der Sehnsucht" sagt Avenarius, sie seien „ganz Erscheinung eines Gefühls von Leben, und für die künstle- rische Verarbeitung der Bildinhalte prägt er das Wort vom„Ein- sänftigen des Reichbewegten in Harmonie". Feuerbach ringt sich über alles irdisch Aeußerliche und Bedrenzte empor zu der Sphäre der letzten, höchsten Entwickelungsmöglichkeiten menschlicher Lebens- anhalte. Er malte das Gedankengefühl, das vom Wirklichen sich zu jenen idealen Zielhöhen hinanarbeitete. Die„Kunstwart"-Mappe spricht von den Hemmungen, die bis heute herauf der Verbreitung Feuerbachscher Kunst im Wege gewesen sind: von dem„unbedingten Widerspruch des Eigentümers der Urheberrechte" und von den inneren Widerständen, die noch jetzt zwischen vielen Suchenden und dieser Zkunst stehen. Vielleicht darf man sagen: wenn einmal Schiller seinem größten kulturellen Werte nach weithin begriffen und empfunden sein wird, so werden auch die Tore zu Feuerbach aufspringen, und dann wird wohl der Gedanke reifen, den Maler neben den Dichterdenker auf einen Sockel zu stellen. Die Feuerbach- Mappe mit ihren dreißig herrlichen großen Blättern und den etwa vierzig kleineren Bildern, neben dem Text von Avenarius, soll und mag in dieser Richtung wirken. Sie kostet 12 M., zu viel nicht für das Werk, aber doch für viele. Aber da helfen nun die M eist er- bilder((je 26 Pf.) über die Kluft hinweg: unter den 12 neuen Blättern(die auch den Goethekopf Stielers und das Schillerbild Sambergers bringen) sind nicht weniger als sechs Feuerbachbilder, und zwar bedeutende wie die„Iphigenie ", die„Medca auf der Flucht".„Dantes Tod", die„Pieta", die„Melancholie" und die „Erinnerung an Tivoli". Also genug zum Anlegen einer kleinen Feuerbach-Mappe in der Hausbilderei. Ein Bild von zartem lyrischem Reiz, das als Vorzugsdruck erschien(1 M.), ist Willibald Krains„Stille Stund e". Man schaut in ein Zimmer mit freundlich-schlichten alten Möbelstücken, duftig-weißen Gardinen und mancherlei Dingen, die mit ihren cinfach-schönen Farben die heimliche Freude dessen bezeugen, der sie in seiner Nähe haben wollte. In dem Räume webt ein Hauch der Jugend. Das würde man fühlen, auch wenn der Maler nicht die Gestalt des Jünglings in das Bild gefügt hätte, der zum Fenster hinträumt. Ein köstliches Erinnern erfüllt ihn, daS nur die un- gestörte Stille schenken kann. Und nun ist es, als haste an all den Dingen des Raumes die Bereitschaft, solch ein Erinnern an liebe Stunden und Menschen leise anzufachen. K, kleines feuilleton. Die Meinungen des Ku-Hung-Ming. Ter Sklave oder der noch nicht kultivierte Mensch tut nichts Böses, weil er in dieser Welt die Knute oder die Polizei fürchtet wie das höllische Feuer in der nächsten. Aber der freie Mann der neuen Kultur ist der, für den weder Knute noch Polizei noch höllisches Feuer mehr nötig ist. Er tut recht, weil ex das Recht? tun liebt; er kuk nichts Böses, nichk au? der Triebfeder ebner knechtisch gemeinen Furcht, sondern'weil er es haßt, BöseS zc> tun. Er' kann leben ohne Herrscher, aber er lebt nicht ohne Gesetze. Daher nennen die Chinesen einen Gebildeten Köntzu. Kön ist dasselbe Wort wie das deutsche König und bedeutet einen königlichen Mann. Ohne offene Tür des Intellekts gibt es keine wahre En- Weiterung des Geistes, und ohne wahre Erweiterung des Geistes gibt es keinen Fortschritt. Konfuzius sagt: Unter wirklich Ge>> bildeten gibt es keine Rassenunterschiede. » Der Fuchsverstand ist tauglich zum Bau von Eisenbahnen. Baumwollspinnereien und elektrischen Maschinen, aber man sollte ihm niemals Einfluß gestatten auf irgend ein Gebiet, das mit der Kultur zu tun hat, da er unmenschlich ist und nicht weiß« was Erbarmen heißt. Weil dieser Fuchsverstand ohne Feinheit und Zartheit, der gegenwärtig die Macht ist über das Leben de« Völker und das Schicksal der Kultur, nicht weiß, was Erbarmen ist, können wir verstehen, warum gebildete und zivilisierte Menschen kein Einsehen dafür haben, daß es nicht nur unmoralisch undi schlecht, sondern auch geschmacklos und unschön ist, nur auf Ver, Mehrung der eigenen Bequemlichkeit, des eigenen Luxus, dev eigenen Pracht auS zu sein, während andere menschliche Wesen ringsum tatsächlich Hungers sterben oder auf das äußerste Existenz, Minimum beschränkt sind, und weshalb sie es über sich bringen« um diese Bequemlichkeit, diesen Luxus und diese Pracht zu ver» mehren, Handel und Eisenbahnen andern Völkern aufzuzwingen ohne Rücksicht auf deren Volksleben. Der Hochmut eines Aristokraten mag einem gemeinen Haufen von Ladenbengeln oder Krämern Schrecken einflößen, aber aller Heroismus und alle Kampftüchtigkeit eines Aristokraten, der gegen das soziale Unrecht eines Volkes blind ist oder sich blind stält, kann nichts ausrichten gegen die göttliche Gerechtigkeit, die simme» einer Revolution zugrunde liegt, einerlei ob sie in Rußland aus- bricht oder in Schanghai in Straßcntumulten an die Obcrflächs steigt. Recht und Unrecht kommen so sehr durcheinander bei Tu- Multen und Revolutionen, daß man ebensosehr des Auges bedarf, um recht zu sehen, als der Hand, um recht zu treffen, sonst kann man seine gepanzerte Faust, selbst wenn der Panzer vom besten Kruppschen Stahl wäre, zerbrechen an der göttlichen Gerechtigkeit, Nach einer Revolution sind die�Leute fähig, freiere und un- abhängigere Gesichtspunkte zu wählen. * Ich war bei vielen Unterredungen gegenwärtig, die christlicho Missionare in China mit Generalgouverneuren, Gouverneure,« und allen Arten von Beamten hatten, doch habe ich nie gehört. daß die überragende Bedeutung der Gerechtigkeit im Christentum als Unterhaltungsthema gewählt worden wäre. Das gmize Gfc» rede betraf Eisenbahnen, Wissenschaft. Finanzen, Medizin. Tech, nische Bildung und Fußbindcn der Frauen. * Meine Erfahrungen mit Fremden, die sich Freunde Chinas und der Chinesen nennen, haben den Satz des Dr. Johnson bei stätigt: Patriotismus fei oft die letzte Zuflucht eines Schurkew. Hier in China ist jedenfalls die Freundschaft für die Chinese,« oft die letzte Zuflucht eines Europäers ohne Anstellung. Aus Ku-Hung-Ming, Chinas Verteidigung (Jena bei Diederichs). Geologisches. Ueber das Altern und Sterben der Gebirge hielt dieser Tage Professor Dr. Albert Heim im Schweizerischen Alpenklub einen sehr interessanten Vortrag. Früher— so führte er aus— meinte man, die Alpen müßten vom Aeltesten sein. Dann bewiesen Versteinerungsfunde, daß geologisch gesprochen, sehr junge MeereSabsätze im Innern der Alpen cingcfaltet sind und bis über 3000 Meter hoch liegen. Schon daß die Alpen noch da sind, beweist ihre geologische Jugendlichkeit. Der Vorgang der Türmung der Gebirge(vulkanische Ausbrüche oder Bewegung der Erdrinde) und der Vorgang der AbWitterung arbeiten gleichzeitig nebeneinander. Die AbWitterung besteht aus zlvei einander unterstützenden, aber ai, sich sehr verschiedenen Vorgängen, aus Erosion durch fließendes Wasser, das mittels der Geschiebe nur die Rinnen und Talgründo einschneidet und die hineinfallenden Trümmer ausspült, und auS Verwitterung, die die Gehänge abschrägt und die Oberflächen noch der Festigkeit der Gesteine modelliert. In den MuldeNfalien des Juragebirges liegen noch Reste vo,« Molasseschichtcn. Tie Molasse(Sandstein) ging einst über den ganzen Iura hinweg; sie ist von den Ketten abgewittert. Dies«! Kette» tvären sonst noch einige hundert Meter höher. In den Alpen zeigen die nördlichen Ketten(Säntis -Pilatus ) ähnliche Er- scheinungen. Schon hat die Verwitterung tiefer hinein abgetragen und die Platten der festeren Gesteine aas den weicheren Massen herausgeschält. Davon rühren die scharfen Formen dieser Bergs her. Der Mürtschenstock ist nur noch eine mauerförmige Ruine von einer etwa 600 Meter mächtigen Kalksteinplatte, die sich einst bis ins Rheintal fortsetzte. Ueber dem Tödi fehlen die Bifcrten- stockkreide, die Glarnerschiefer, der Sernifit des Kijrpsstockes, dt»
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28 (9.12.1911) 239
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