- 958- Der Teufel. Tu kommst zu spät!" schrie einer vom Wagen herunter. Ter Findling sagte nichts. Er biß auf die Zähne und wollte nicht fühlen, wie weh ihm jeder Schritt wurde. Er wußte, daß es gehen mußte.Au!" hätte er am liebsten geschrien. Aber da er jung war und an die Madlen dachte, die ihm Feuer gelegt hatte unters Fürtuch, sagte er nichts. Tas heißt, ganz leise, damit niemand nichts hörte, sprach er sich Mut zu und rechnete aus, daß zwölsnial vom Korb bis zu den letzten Eiern auch nicht weniger weit sei, als er noch zu lausen habe, und dann mußten auch dem andern die Beine weh tun. Ter Hirschenwirtsbub lief mit dem dritten Ei zum Korbe, als man vor dem Orte draußen den Findling hcraneilen sah. Da begannen die Leute zu schreien. Einer dem, der andere jenem. Und dieses Schreien hetzte die beiden Burschen. Immer nccher kam der Findling. Ter Hirschenwirtsbub nahm das zweite Ei vom Boden. Tas nächsiemal kam das letzte und entsernteste. Der Findling lief, als gelte es das Himmelreich, und der Hirschenwirtsblch tat desgleichen, denn als er sich unlgeschaut hatte, sah er den andern näher als ihm lieb war, und unmer noch lag das letzte Ei. Der Findling lief auf das letzte Ei zu, voui Korbe her kam der Hirschenwirtsbub. Doch ehe der Hirschenwirtsbub das letzte Ei aufnehmen konnte, nahm es der Findling, und ohne sich umzusehen, lief er dem Korbe zu, und als er dort war, legte er das letzte Ei in den Korb. Ter Hirschenwirtsbub schaute dem Findling verwundert nach, als dieser ihm sein Ei genommen. Und als es zu spät war. erkannte er, um was es sich handelte. Ter Hindling hatte ihn ausstechen wollen, nicht nur gewinnen. Tanini lief er voller Wut zum Sieger und wollte ihn prügeln. Aber er mußte sein Mütlein kühlen ohne zu schlagen. Toch blieb der Groll in ihm sitzen. (Fortsetzung folgt.) (Nachdruck Serdoten.) Oer Gutsarme. Ton A. Heinrichsen. Um Martini war es. Leer und still waren die Felder ge worden. Die Nebelfrau mit ihrem nassen grauen Mantel zog wieder durch die Holsteinischen Lande. Der Regen floß und durch die Bäume und die Sträucher der Knicks brach heulend der Nord- West... Da hielten Steffens ihren Einzug in das Armenhaus des adligen Gutes Blankenwater. Draußen vor dem Dorfe an einem Feldwege lag es; äußer- lich ein langgestreckter Backstcinllotz.�dcr mit seinen kahlen schmutzig- roten Wänden nur wenig aus der Sohle eines abgegrabenen Lehm­berges ragte. Keine Spur von der alten traulich-heimistben Bau- weise fand sich an diesem Hause. Keine Umfriedung umschloß es. Der Knick am Wege hatte schon weichen müssen, als mit dem Ab- bau des Lehmes begonnen wurde. An seiner stelle zwischen Haus und Straßengraben wucherte ein wildes Gestrüpp von Schlehen, Brombeeren, Dieftrln und Nesseln. Und von hinten her starrte di« nackte Böschung des Lehmberges. Acht Parteien konnten hier Aufnahme finden. Steffens wur- den Nummer sieben GutSarine Nr. 7! Vierzehn Jahr« hatten sie im Dorfe die Alienteilskate des HufenpächterS Klas Schneekloth bewohnt und ihm Taglöhnerdienste geleistet. Vierzehn Jahre? Dabei hatte sich Peter, das Familienhaicht, dos Reißen geholt. Die Glieder versagten nun ganz. Auch anLiesemulter" war die Zeit nicht leicht vorübergegangen; sie hustete viel und spuckte auch Blut. Johann aber, der älteste Sohn, war fern der Heimat. In Thorn stand er bei der Infanterie. Und die beiden anderen Jungen, der 13jährige Wilhelm und der lljähcige Fritz, die konnten den Kohl natürlich auch nicht fett machen. Also hatte Schneekloth eines Tages, als die stille Zeit heran- kam, alle in Gnaden aus seinen Diensten entlassen. Dagegen harte kein Bitten und kein Vertrösten auf Besserung Helsen können.»Et inut dorbi bliewenl" war sein letztes Wort gewesen. Und dann hatte Peter sich nach anderem Brot umgesehen. Alle Dörfer im Gute hatte er abgelaufen, alle Meierhöfe, doch ver­gebens. Das Armenhaus aber bot in der Regel nur Obdachs weiter nichts. Nur«in paar völlig hilflose Witwen erhielten aus der herrschaftlichen Armenkasse Mehl-, Kartoffel- und Milchgabcn. Alle anderen aber mußten sich allein durchschlagen schlecht und recht.. Der herrschaftlichen Armenkasse war eben schwer beizukommen. Das mußte auch Peter erfahren. Der Herr Gutsvorsteher als Ver- Walter der Armenkasse verstand es, alle Anzapfungsversuche, wie er rücksichtsvoll Peters Bitten und Betteln zu bezeichnen pflegte, er- fc�-eick, abzuwimmeln. 1 So wurde denn Schmalhans Küchenmeister bei Steffens. Und er waltete seiiics Amtes gewissenhaft. Trotzdem gingen die paar Kartoffeln, die aus dem Katengarten ins Armenhaus hinüber ge- rettet worden waren, bald zur Neige. Auch das Brot verschwand aus dem Tischkasten. Und es kam der Tag, an dem ein Steffen nach dem anderen hungrig sein Nachtlager aufsuchen mußte. Am Abend dieses Tag.'s saß Peter noch lange allein auf der Bank an dem riesigen'uxißgekaikten Backsteinosen. Die Hände hatte er tief in den Taschen des langen blauleiueuen Kittels ver­graben, den Kittel selbst bis unter das Kinn fest zugeknöpft, und um den mageren Hals trug er das dicke Wolltuch gewürgt, an das sich von oben her die alte graue Wintermütze anschloß. Außer der bläulich angelaufenen Nasenspitze lugten kaum noch ein paar graue Haarsträhnen hervor so hockte er da, in sich verkrochen und ver- huzzclt. Dabei brummte er allerhand vor sich hin. das nicht gerade auf besonders herrschaftstreue Gesinnung schließen ließ. Und die brau- neu Saftbombe» seinesPrüntje" zerplatzten auf dem schmutzigen Lehmfrißboden mit ungewöhnlicher Heftigkeit. Am Morgen darauf aber zeigte Peter den beiden Jungen, was mau olles aus Draht machen kann; nickt nur MauSfallen, Siebe und dergleichen, fondern auch Hasenschlcifen. Und da Fritz und Wilhelm anständige Burschen waren, und da auch der hcrrsckastliche Wildstand gut war die Felder der Pacht- dauern boten ja viele gute und ungestörte Futterplätzc so gab es in Steffens Kochtopf bald wieder Fleisch; nicht gerade ost, aber doch ab und zu. Mit ganz leeren Händen kamen die beiden nie heim. Wenn die Schleifen leer waren, so gab es immer noch irgendwo Lesen- reiscr, Korbioeiden und ähnliche Tinge. Daraus verstand Peter wieder etwas zu machen. Und der Erlös brachte Brot, Kartoffeln und Mehl. Etlras aufregend war es zwar manchmal, dies Treiben, aber es lief doch lange ohne irgendwelche unguten Zwischenfälle ab. Einmal aber erfüllte sich doch das Verhängnis. Es war zur Fastnacht, spät am Abend war es schon und die Jungen sollten langst wieder heim sein. Peter hatte schon mehrmals Ausschau nach ihnen gehalten. Unruhig rutschte er auf dcr Ofenbank hin und her, und von Zeit zu Zeit entfuhr ihm ein leises Stöhnen. Dann rieb er sich mit den großen ausge- arbeiteten Händen die Knie oder die Schultern, streckte auch wohl die verkrümmten Glieder in die Luft, wie wenn er gymnostisch-: Zwecke verfolgte. Sull ick wull die Jungs mal nahlopen möten, Liese? Wat meinst wull," wendete er sich schließlich an die große rohgezimmerte Bettstatt. Darin schob sich langsam die Decke ein wenig zurück und das bleiche eingefallene Antlitz Lieses wurde sichtbar. Sic hatte sich legen müssen, denn der Husten hatte sie untergekriegt. Gerade kam wieder ein Anfall. Nachdem der vorüber war, konnte Peter seilte Frage wiederholen. Liese nickte nur dazu. Dann wurde sie lebhafter:Ach Gott , Peiier! Wo blicwt sei bloß einmal? Mi is so bang tau Mod. Wenn ehr man nix taustött is..." Ein leichtes Zittern überlies ihn. Er arbeitete sich in die Holz- stiefel und nahm den Stock.Ick kiek noch mol rut, Liese" sagte er beim Fortgehen. Es war leidlich hell. Der Himmel hing doller Sterne und auch der Schnee spendete Licht. Ans serpeutiuartig gewundenem Pfad kletterte Peter, oft auf allen Vieren, den Lehmberg hinterm Hause hinauf. Keuchend stand er schließlich oben und überschaute die Felder in der Richtung nach dem Blanke nwater-See. Deutlich schimmerten die Lichter des Gutshaupthofcs und des Schlosses vom anderen Ufer herüber. Peter musterte scharf das Gelände Jeden Knick, jeden Hügel» jeden Schatten im Felde suchte er ab; wieder und immer wieder. Allein von den Erwarteten sah er keine Spur. Langsam und auf einem Umwege stieg er wieder hinunter. Vor dem Hause stand er still, sinnend, das Kinn in die Hand gestützt. Eine Weile verstrich, dann hinkte er sachte davon. Querfeldein ging er, durch schneebehaiigene Knicks und über gefrorene Gräben, bald hierhin, bald dorthin. Zögernd steckte er schließlich die Finger in den Mund. Einmal setzte er noch ab, unschlüsstg. Tann aber gellte ein Pfiff durch die scharfe klare Winterlust, und gleich darauf noch einer. Eine Minute horchte Peter gespannt auf. Nichts war es. Alles blieb stumm. Nirgends regte sich etwas. Eine Stunde, auch die zweite»och irrte Peter so umher, wendete sich nach rechts, wendete sich nach links, pfiff, rief auch. aber immer umsonst. Mit schlotternden Knien wankte er endllai heimwärts.-- Dcv nächste Tag führte schoßt den Amtsdienrr Zind eknen Gendarmen in das Armenhaus. Sie kamen zur Haussuchung. Aber sie brauchten nicht lange zu suchen. Mit stummem Wink deutete Peter unter das Bett. Da fand sich alles Belastende fein säuberlich beisammen. So ging das Unglück seinen Gang. Die Dorladung vor den Amtsvorjtchcr kam. Amtsvorsteher aber war der Gutsvorstcher. Dadurch erhielt das Versahren noch einen besonderen Reiz. Tas amtliche Verhör unterschied sich zwar nicht sonderlich von dem üblichen trockenen Frage» und Antwortfpiel. Desto erbau-