nur, wieviel Tuben unserer Pasta»Migränin" Sie haben wollen.Die Firma stellt fie Ihnen ins Hans zu."»Entschuldigen Sie." sagte ich,»aber ich bitte Sie, mich zu der-lassen. Ich habe leine Zeit. Ich bin sehr müde und es steht mirnoch eine ermüdende Arbeit bevor. Ich mutz einen Artikelschreiben.".Ermüdend?" fragte er mitfühlend.„Ich werde Ihnen waSsagen, sie ist nur deshalb ermüdend, weil Sie bis jetzt nicht unserauseinanderlegbares Pult zum Lesen und Schreiben besitzen. Nor-male Haltung, bequeme Stellung. Das Paar kostet sieben Rubel.Dreizehn...»Heraus I" schrie ich, vor Wut zitternd,»oder ich zerschmettereIhnen den Kopf mit diesem Bne'beichwerer 1 1"»Mit diesem Briefbeschwerer?" sagte er spottend und betrachteteden Briefbeschwerer, der auf meinem Schreibtisch stand.»Mit dieiemBriefbeschwerer... pusten Sie und er fliegt fort! Nein, wenn Sieeinen richtigen schweren Briefbeschwerer haben wollen, so kann ichIhnen eine ganze Schreibtischgarnitur aus Malachit..Ich läutete.„Sogleich wird mein Diener kommen.— Er wird Sie hinaus-werfen I"Herr Zazkin lietz traurig den Kopf hängen und sah schweigend da,alS ob er die Erfüllung meines Versprechens erwartete.Es vergingen ein paar Minuten.- Ich läutete wieder.„Schöne Glocken." sagte Herr Zazkin kopfschüttelnd.»Wie» kann man nur solch scheutzliche Glocken haben, die nicht läuten?Darf ich Ihnen vielleicht Glocken anbieten, die mit Einrichtung undElementen nur 7 Rubel SO Kopeken kosten? Sehr geschmackvolleDruckvomchlung.Ich sprang auf, ergriff Herrn Zazkin am Bermel und schleppteihn zum Ausgang.»Gehen Sie oder mich trifft der Schlag."»Gott behüte Sie dafür, aber seien Sie ganz unbesorgt! Wirwerden Ihnen«in ganz anständiges Begräbnis zweiter Klaffe zuTeil werden lassen. Es wird zwar nichrso pompös sein wie erster,aber der Katafalk..."Ich wart die Tür hinter Herrn Zazkin zu.s riegelte sie ab undkehrte zum Schreibtisch zurück.Im nächsten Augenblick merkte ich, dah die Türklinke sich be-wegte, die Tür ging langsam auf und— Herr Zazkin trat schüchternein. Er sagte, indem er die Augen zukniff:»Ich mutz Ihnen wenigstens noch mitteilen, datz Ihre Tür-schlösser nichts taugen und sich mittels«infachen Drucks öffnen!Durch mich können Sie gute englische Schlöffer kaufen— das Stück2 Rubel 40 Kopeken, drei Stück 6 Rubel bO Kopeken, siinf Stück...Ich zog aus der Schublade meines Schreibtisches einen Revolverund schrie zähneknirschend:„Gleich schietze ich I"Mit vergnügter Miene lächelte Herr Zazkin und sagte:»Das wird mich ungemein freuen, denn Sie werden dannGelegenheit haben, sich von der grotzartigen Qualität des Panzer?,den ich zur Probe»rage, zu überzeugen. Ich kann Ihnen denselbensehr empfehlen. Dos Stück kostet 18 Rubel, zwei kosten bedeutendweniger und drei noch weniger. Bitte überzeugen Sie sich I"...Ich legte den Revolver beiseile, ergriff Herrn Zazkin und warfihn mit wütendem Gebrüll zum Fenster hinaus.Beim Fallen halle er noch Zeit, mir zuzurufen:»Sie haben recht unpraktische Manschettenknöpfe I Scharfe Ecken,die die Kleider zerreitzen und mir die Wange zerkratzt haben. Ichkann Ihnen welche aus afrikanischem Golde mit Inkrustation an-bieten, das Paar 2 Rubel, 8 Paar..Ich schlug daS Fenster zu.Vom IMiTcK und feinem GeweihtVon Wilhelm B ö l s ch e.Durch das Brausen, Heulen und Klingeln des BerlinerStrassenverkehrs käurpft sich in gewiffer Gegend und gewisser Zeitein seltsamer Laut. Wenige beachten ihn. aber wer ihn einmalbewußt vernommen, in gewissen Abständen immer wieder ver-nommen hat, dem ist er unvergeßlich In das ungeheuer« Chaosder Geräusche von Autos, Elektrischen. Merischenstimmen» Kirchen-glocken mischt sich der Schrei des liebenden Hirsches.Er kommt aus den dunkelnden Gcländen des ZoologischenGartens. Während die Großstadtstraßc nur immer heller zufunkeln beginnt, macht sich hier die Dämmerung eines feuchtenHerbstabcnds geltend. Schemenhaft stapfen die riesigen Tierc� hinund her, werfen den Kopf zurück, daß das Geweih gegen den Rücken') Aus dem dritten Bande des TicrbucheS: Der Hirschund seine Geschichte.(Verlag von Georg Bondi in Berlin.)— Ganz anders als die naturwissenschaftlichen Bücher wie früherund auch zumeist von heute behandelt Bölschc daS Tier. Ersieht seine weit in die Vergangenheit zurückreichende Geschichte.Die Probleme der Entwickelungsgeschichtc, die es bietet, greift erheraus und behandelt er lichtvoll, klar und trotz aller Wissenschaft-lichkeit populär und mit der Meisterschaft des Darstellers. Derneue Band dieser»Naturgeschichte in Einzeldarstellungen" wirdjedem Naturfreunde willkommen sein, der in die Zusammenhängeeindringen will.' sinkt... und dann kommt der Schrei, laut genug, um über alle-die nebeligen Buschgründe bis in die Welt des blauen elektrischemScheins da drüben vorzudringen.Aus allen Römertagen ist die Legende überliefert von der.Armee, die Züchtete, weil aus nahem Korst plötzlich die gräßlicheStimme des Waldgottes laut aufschrie. Das Straßenleben dermodernen Großstadt fürchtet keine Götter, in ihm geht auch dieserRuf des Waldes mit anderem hin. Trotz all seiner urwüchsigenKraft hat er fast etwas klägliches darin, und mit einer leisenRührung denkt man, wie hier die Kultur absolut dominiert undwie die alte Natur schon zur Rolle eines kleinen geduldeten Busch»Winkels hinter vier Mauern herabgesunken ist. Man vergegen-wärtigt sich im Gegensatz die grenzenlose heilige Stille eines echtengroßen Waldreviers zu dieser Stunde. Kein Laut sonst in alldiesen endlos dahinflutendeN schwarzen Wäldern. Dann aber jähdaraus anschwellend wie der Orgelton in einer nachtverhangenenKirche dieser gleiche Schrei des liebenden Hirsches. König seinerWälder ist hier dieser Hirsch, das letzte übrig gebliebene ganKimposante Waldtier der deutschen Erde.Sie schreien verschiedenartig, die unterschiedlichen geweih»tragenden Recken des Zoologischen Gartens. Wie in so vielem»ist man aber dicht vor den' Hirschgittern im Garten selbst denDingen zu nah, um das eigentlich Wirksame des Klangs auch indieser besten Leistung zu erfassen. Es gehört Raum, gehört großrNaturperspettive mit ihrer Schallweite dazu. So in der Nähebemerkt man zu stark die leise Komik, die darin liegt, daß indem kolossalen Laut die Brüllstärke eines Löwen eigentlich er-reicht wird durch äußerste Steigerung, Verlängerung und Modu-lation eines unwillkürlichen Naturlauts, den wir Menschen halbanstößig, halb komisch zu werten pflegen, nämlich des Aufstotzens.Es ist das drichnende Ausatmen einer Kraft, die das ganze Wesenzu zersprengen, zu ersticken drohte. Menschlich verglichen hat eretwas von einem ungeheuren Seufzer, bloß daß ein höchstes über-quellendes Kraftgesühl hier fast zum Schmerz wird.Es hat aber dieser über Berg und Tal erdröhnende LiebeS-seufzer auch vom Standpunkt gewöhnlichen tierischen Lebens aussein überaus Eigenartiges. Ein sonst scheues Waidtier ruft dieInbrunst seiner Gattungsgefühle mit einer Aufdringlichkeit indie Welt hinaus, daß die gemeine Nützlichkeitslinie weit über-schritten scheint. Das Liebeslcben ist in der oberen Tierwelt jadurchn>eg ein Sturm. Aber ganz besonders scheint man hiervor einem Gescböpf zu stehen, das dieser Sturm wie ein Orkandurchschüttert. Tiere mit ausfällig gesteigertem Liebesleben findaber immer besonders interessant.Man kann nicht vom schreienden männlichen Licbeshirschreden, ohne an das Geweih dieses Hirsches zu denken. Augen-blicklick, aber packt uns damit auch ein zoolagisches Rätselallerersten Grades, so verwickelt, wie es kaum im ganzen Säuge-tierbcreich noch einmal ähnlich vorkommt. Von der einfachenExistenz des Geweihs wissen wir alle; es bedeutet für den schlichtenAesuck?er des Zoologischen Gartens das Charakteristikum deSHirschs, wie ihm der Rüssel den Elefanten, der lange HalS dieGiraffe, der Buckel daS Kamel macht. Ein in den Verhältnissenunbedingt schönes Tier, wie unser Rothirsch oder Edelhirsch füruns ist, bildet die Krone dieses ornamental verzweigte Geweih»in dem uns unverkennbar eine jener»Knnstsormen der Natur"entgegentritt, in denen ein reines. Naiurgebilde sich mit gewissenästhetischen Empfindungen der rhythmischen Wohlgefälligkcit in unSbegegnet.Gleichwohl ist der Laie guch vor solcher„Naturschönheit"durchweg zunächst für Nützlichkeitsbetrachtungen zu haben. ImZoologischen Garten kann man immer wieder die Frage hören.wozu die schwarzweiße Streifung dem Zebra diene, wozu derprachtvoll« Schivcif dem Pfau? Mit Befriedigung wird derNutzen des GiraffcnhalseS beim Abweiden hoher Baumkronen,des Elefantenrüssels beim Greifen hingenommen. So erscheintauch vor dem ornamental schönen Hirschgeweih plausibel, daß esim praktischen Leben einfach eine Verteidigungswaffe bilde. Manbort, daß d!« verliebten Hirsche damit aus Tod und Leben kämpfen.Ein energischer Stoß gegen das Gitter, dem der Besucher zu nahe,kommt, belehrt auch deutlich genug, was«in Angriff mit diesem„Ornament" unter Umständen bedeuten könnte.Indessen wir müssen vom Hirschgeweih tatsächlich noch etwaSganz anderes und Uebcrraschendercs lernen. Nicht nur daß seine„Waffe" mit einer einzigen Ausnahme allen Hirschweibchen fehltund daß eine nahe liegende Erwägung zeigt, daß eigentlich geradedas Ornamentale daran, das, was uns so gefällt, zum praktischenStoßzstveck größtenteils Ballast oder besten Falles belanglose Zutatist; ein paar einfache kurze, ober solide Spieße täten's ebensogut,ja besser. Viel wichtiger ist die Tatsache, haß dieses ganzeGeweih alljährlich einmal abgeworfen wird und von dem so langehilflosen, ja positiv noch über den Verlust hinaus geschädigtenHirlcb erst unter großer organischer Körperleistung vollständig neuersetzt werden muß. Erst mit den Stationen dieses ewigen Neu«ersatzes erhält das Geweih allmählich seine volle Kraft, falls sieüberhaupt erreicht wird, seine ganzer ornamentale Pracht. Selbstauf der Höhe dieser Pracht aber muß es immer noch so gewechseltwerden, mit allen Mißlichkeiten, allem Risiko des Verlustes.Die meisten Besucher eds Zoologischen Gartens find Städter,die den lebenden Hirsch also hier zum erstenmal kennen lernen.Die Geschichte des Geweihabwerfens muß also den meisten von nnSeinmal wirklich als Neuheit erzählt werden.