SBeim ein solcher ausgewachsener Aapitalhirsch mit den Stange« gegen da? dröhnende Gitter arbeitet, scheint auf der Welt nichts solider, al» der Zusammenhang zwischen seinen Geweihtnocken und dem harten Schabet. Tatsachlnh brechen sie bei wirklichen Gewalt» anfüllen an jedem anderen Punkte leichter ab als gerade in der AnschlußsteLe an die Schädelzapfen. ES sei etwa jetzt Herbst. Im vorigen Jabr um diese Zeit habe« wir den Garten besucht, und dieser Prachtkerl stand schon ganz im gleichen Flor seines Seweihs. Trotz seiner gelegentlichen gründlichen Rempelei gegen da» Gitter haben damals olle Zinken de» Hauptschmucks standgehalten, wie sie eS heute tun. Wer könnte abnen. waZ fich zwischen damals und jetzt tat» fächlich mit dem Geweih zugetragen hat! Bor knapp Halbjahre». frist, im Frühjahr, ist etwas über jene» vorigjährige Geweih gc» kommen wie eine geheime zehrende Krankheit. Au einer bestimmt markierte« Stelle, da. wo lederseitS die Geweihstange verdickt aus dem warmen Kopfkell tritt, um in ihrer weiteren Entfaltung dann als nackte Knochenfigur zu ragen, hat ganz selbsttätig eine innere Auslösung. Zerklüftung. Lockerung der soliden Knochensubstonz stattgesunden. Ihr überraschendes Endergebnis war. daß eines Tages jederseitS da» ganze nackte Stück Geweih plötzlich herunter- fiel. Zurüa btieb am Schädel bloß das kurze Stückchen noch vom Fell umwachsenen Knocken vorsprungs unterhalb der Zerstörung»- stelle, ein wahrhast klägliches Rudimentchen der stolzen Pracht. Und alSbald begann auch über der AbstostungSwunde noch die Haut zusammenzirwachken. ganz so. als solle es nun für immer mit dem eigentlichen Geweih zu Ende sein. Indessen: noch war di» Wunde nicht vollkommen geschlossen, da regte sicb von unten. von dem kargen Stummel her. ebenso geheimnisvoll selbsttätig ein entgegengesetzter Werdeprozeh-, statt zerstörender Krankheit jetzt eine Neubildung. Sckau. wie eine Knospe drängt eS sich empor au» dem alten Wurzelboden, ein dicker Kolben wird sichtbar, innen erneut später von erhärtendem Knochengewebe gefestigt, das über die Stummelzapfen fort fich direkt wieder aus der lebendigen Körpersubstanz herauSzuspinnen scheint, aussen aber zunächst auch wachsend und sich länaend noch vollkommen in eine weiche Haut mit sammetartigem Wollvaar knospenhaft eingeschlossen. Der Kolben verzweigt fich. reckt fich weiter und weiter, treibt abermals da. dort eine Zacke: kurz, nach nicht allzu langer Frist ragt in vollkommener Grösse von neuem die ganze frühere Geweihstange jederseitS in die Lüfte. Und von Stund' an, dass fie ragt, trocknet auf ihr auch die zunächst mit herausgenommene Haus wieder ein. rasch nach» helfend scheuert der Hirsch selber die Duckenden Reste an Wald» stämmen und Aeslen herunter, der allenthalben vortretende nackte Knochen bräunt fich: und vorhanden ist alles wieder wie früher, als läge nicht» von all dem Spuk dazwischen. So ging eS im letzten Jahr, so geht es schon lange bei diesem stolzen Recken. Immer im Frühjahr gleichsam einmal Bankerott und immer wieder im normalen Falle glänzende, vollkommene Restitution. Natürlich muss die seltsame Geschichte einmal ange- fangen haben, indem dem sehr jungen Herrn ein erstes Geweih wuchs. Diese» erste Geweih wat aber eine Komplizicrung der Sache mehr damals noch nicht da» prachtvolle, das gegenwärtig Jahr um Jahr zerstört wird und wiederaufersteht. Nachdem fich bei dem Huschkinde zunächst jene hautumwachsene Stummel al» Auswüchse de» Schädel» gebildet hatten, die auch jetzt noch bei jedem Wechsel bestehen bleiben, also eine Art winzigen Dauer- gehörns darstellen l»Rosenstöcke nennt sie der Jäger), wuchs dem jungen Hirsch s eventuell noch im ersten Lebensjahr) darüber hinaus ein Pärchen zierlicher einfacher Spiesse als erstesGeweih" vor. Roch fehlte allerding« jede Spur der ornamentalen Sprossen daran, die wir heute al» Hauptschmuck bewundern. Zu einem ersten Termin sielen dann auch diese Spiesse wieder ab. Indem da» Geweih sich aber zum erstenmal ersetzte, ersetzte e» tn normalem Verlauf diesmal«ich» bloss wieder den schlichten Spiess. sondern es lieferte je eine ne« Stange mit einer schon mehr oder minder stark einsetzenden Verzweigung. Nach Fall diese« ersten Sprossen. gweih» folgte nächstjährig dann abermals ein in den Sprossen gesteigertes und so fort, vis der heute wiederkehrende Prachtstand erreicht war. Es erscheint ersichtlich also eine Beziehung zwischen dem Alter und Wachstum des Hirsches und der ornamentalen Ausgestaltung seiner Geweihschönheit. Aber diese Beziehung erschöpft und klärt an sich noch nicht das Wunder des Geweihwechsels selbst. Dass da» Geweih erst mit den Jahren auf seine volle Grösse herauswächst, erscheint fast selbstverständlich. Rätselhaft bleibt, warum da» Geweih nicht einfach am gleichen Stück mit jedem Jahr sein Ende »veiterwächst. Andererseits ist sicher, dass in dem Hergang auch irgend eine Liebesbeziehung stecken muss. Die verliebten Hirsche balgen sich mit diesem Geweih. Es ist jedesmal prompt da zur Liebeszeit. Wenn die Brunststimmung abfällt, beginnt auch bei ihm der Verfall. Mehr noch: eine Verletzung des Geschlechtsorgans Sri das ganze Neuaufsetzen oder verkrüppelt da? Ersatzgeweih. i den Rehböcken kennt jeder Jäger das sogenannte Perücken» gehör«: einem Bock der am Samenapparat, am.Kurzwildbret", »vie die Waidmannssprache   sagt, angeschlossen oder sonst beschädigt ist. rinnt Geweihmasie wie ein schwammiger Teig, der unter Haut bleibt und nicht mehr abgeworfen wird, ttef über den Kopf herab. Aber auch dieser Bezug dibt nur wieder eine Richtung und löst Sticht selber das Geheimnis. Mit was für einem wunderbaren zoologischen Fall, einzig in Berantwortl. Redakteur: Albert Wach», Berlin.-- Druck u. Verlag: seiner Art und unerwartet, man eS zu tun hat. erhellt am besten schon daraus, wie viel Zeit e» gebraucht Hai und wie mühsam die Arbeit gewesen ist. bi» auch nur der ungefähre Umriss der objektive» Tatsachen dabei wissenschaftlich feststand, obwohl e» sich doch um unser seit alterSher beliebteste» Jagdtier handelte. Roch jetzt besteht über Einzelheiten Streit und Unsicherheit. Da» ErklärungS  » bedürfni» aber hatte lange, wie überall in der Tierkunde, nur daS Wunder. Endlich find wir auch hier heute so weit, eine ernstere Art der Fragestellung zu wagen. Wir suchen natürlich« Zusammen- hänge der Geschichte, suchen die Dinjje aus Stufen ihrer eigene« Entwickelung zu verstehen. Wenn e>ne Enträtselung dieler und anderer Geheimnisse auch beim Hirsch schon heute möglich seta soll, so kann sie uns jedenfalls nur seine Geschichte geben. Wie interessant verspricht aber allgemein die Geschichte eine» Tiere» Zu werden, da» so der Rätsel voll ist. Kleines Feuilleton. ikulturgeschichtlicheS. Jean Paul   und der Zop s. In Nr. 240 de» llnt.-Blattr» hless e» in einem Aussatz.Au« den Glanztagen de« Zopfe  »' am Ende:.Jean Paul   jammert über die.häfstick« Nacktheit" der Köpie.. D-niack könnte e» scheine», al» wäre Jean Paul   ein besonder» eitriger Anhänger de» ZovfeS gewesen. Genau da» Gegenteil trifft aber zu. Jean Paul   ist einer der ersten gewesen, die da« unerdörte Wagestück begingen, ohne Zopf z» leben. Ernst törfter. fem Schwiegersohn, erzählt darüber in seiner biographische» krzze bei Gelegenheit der.Grönländischen Prozesse"; Was inzwischen dem Bücke eine« besonderen Wert in der Geschichte der Literatur verleiht. ist. dass sich der Versaffec damit tn bezug aus die Fragen der Zeit mit Entschieden» heil auf die Seit« der freien Bewegung stellt... Er tritt auf al» erklärter Gegner de« blinden Glauben« in der Theologie, der Vorrechte des Adel», der Bevormundung der Presse,»er beschirmten Henckelei und Schmeichelei und grosser und kleiner nun z««n Test veralreler Torheiten So aber trat er auch im Lebe« lächerlichen Borurreilen entgegen und war unter den ersten, die die deengend« Halsbinde und den Zopf ablegten. Aber so gross ist dir Macht der Gewohnheit, dass Richter wegen dieser Neuerung nicht nur seine bequeme und reizende Gartenwohnung in Leipzig   verlor. die ganze kleinstädtische Bevölkerung von Hos und Schwarzenbach, wohin er in den Ferien zum Beiuck ging, wider sich aufbrachte, sondern selbst seines freistnnigen und ehrwürdigen Freunde« Bogel Freundschaft aufs Spiel ieyie. E« ist sehr zu beklagen, dass Jean Paul   selbst nie aus den Einfall gekommen, diese seine tragilomtichen Zopfleiden zu schildern, wie er während der täglichen Modeorbelt de» Friseurs und der gleichzeitigen eigenen literarischen sich und ihn veraessend tn die Locken fuhr und die kaum geschaffenen Kunstwerke zerstörte! wie er der fremden Not und der eigenen Plage überdrüssig. Zopf und Puderquaste zum Teiisel warf und dir Ha Wind« zur Geieil» schaff mit-; wie der ffeie Hat« und da« fliegende Haar ihn in eine diplomalische Verwickelung mit seinem Bartennachbar brachte, aus der er fich zog, indem er mit stolzer Nachgiebig» keit seinen Platz räumte; wie Mutter und Brüder. Geist» ltchkrit und Bürgerickaff. Weiber und Kinder tn der Vaterstadt (Hos) Ach und Webe über ihn schrien und er selbst tn der ländlichen Einsamkeit von Reha« keine Ruhe fand, wie er mtt Freunden zer» fiel und mit Feinden in Fehde geriet und über den Zopf und seine ererbten Rechte einen siebenjähngen Krieg führen musste, au» dem er nickt wie der grosse König al« Sieger, aber doch wie er mtt einem ZopfZhervorging." Forstnt�reilt dann eine.Proclamation" vom Offober 1T88 mit, die folgen de rmassen lautet: .EndeSunterschrtebener steht nicht an, bekannt zu machen, dass. da die abgeschnittenen Haare so viel Feinde haben, wie die roten; und da die nämlichen Feind« zugleich e» von der Person find, worauf fie wachsen: da ferner so ein« Tracht in keiner Rücksicht christlich ist. weil sonst Personen, die Christen find, sie haben würben; und da besonder» dem Endesunterschriebenen seine Haare so viel geschadet wie dem Absalon die seinigen, wiewohl au« umgekehrten Gründe»; und da ihm unter der Hand berichtet worden, dass man ihn in« Grab zu bringen suckle, weil da die Haare unter keiner Scher« wüchsen: so macht er bekannt, dass er freiwillig so lange nicht pasien will. E» wird daher einem gnädigen, hochedelgeboeenen uiw Publikum gemeldet, dass Endesunterzeichneter gesonnen ist, am nächsten Sonntage in verschiedenen wichtige» Gassen Hof» mit einem kurzen falschen Zopff zu erscheine» und mtt diesem Zopfe gleichsam wie mit einem Magnete und Seil« der Lleb« und Zauberslab« sich in den Befttz der Lieb« ewe« jeden, er heisse wie er wolle, gewaltsam zu setze«. J. P. P. R UebrigenS hielt Jean Paul   nicht Wort, und noch l7gS erregte er in dem gesitteten Weimar   durch den entblössten Hat» und da» frei flatternde Haar unliebsame« Aussehen. Sem.Jammer" aber über die.häßliche Nacktheit" ist ironisch oder bezieht fich auf die Glatzen. Jedenfalls gilt e«. diesen Dichter, der erner der ffeiheit» ltchswn und radikalsten seiner Zeit war. von dem«erdacht de» Zopf» mm« zu reinigen._ vorwärtSBuchdruckerei u.BerlagSanstaU Paul SingerchEo.,Berli« SW.