Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 253.

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Sonnabend den 30. Dezember.

( Nachdrud berboten.)

Die Guten von Gutenburg.

Von Hermann Kurz . ( Schluß.)

Die Tochter der Liesi aber, die nicht den tiefen Sinn der Rede verstand, jagte voll weichen Herzens und einem uner flärlichen Mitgefühl zu dem angetrunkenen Manne, der so elendsvoll vor ihr stand und bat und flehte:

Nein, ich geh' nicht, ich bleib'."

Was auch kommt, gelt, Du bleibst? Gelt, fag: ja, Mad­len!" bat er weiter.

Ja, ich bleibe, was auch fommt!" antwortete Sie Madlen der Ziefi, die andere Tochter des Erhard, des Bürgermeisters von Gutenburg.

Der Erhard aber präsidierte seine Komiteefihung und trank scharf ein Glas nach dem andern. Und als der Polizei. diener Feierabend bot, wie sich's gehörte, natürlich im Schlüffel zuletzt beim Herrn Bürgermeister, und das nur Schüchtern, da war der Erhard trunken und verwirrter Sinne. Alles, was in feinem Hirn als Resonanz des Tages und sozu jagen auch seines Lebens verblieb, faßte er in die Worte zu­

fammen:

Es ist gut, daß ich zwei Töchter habe, eine von der und die andere von jener, das ist gut, ia gut!"

Und als er im Bette lag, da murmelte er immerwährend Diese Worte, bis der Wein mit trunkener Macht auch allgemach noch diesen Gedanken löschte und nur das Wort gut, gut, gut" verblieb.

Aber die Jugend war stärker und ging zu zweit dem Glücke des fünftigen Lebens entgegen, um das Alter in Ein­

1911

Und in seinem Rausche gedachte er feinem Kinde, das er weggejagt hatte, das Erbteil ihrer Mutter auszuzahlen. Als er das Notwendige dazu geschrieben und geordnet hatte, fühlte er eine eigene Schwäche. Seine Beine wollten ihn faum mehr tragen, und auch das Weitertrinken selbst vom ältesten Weine wollte nichts nuben und frommen.

Und als er zu Bette gehen wollte, fam es an ihn wie Bergehen, und verlor das Bewußtsein und fiel hin.

Der neue Doktor machte ein bedenkliches Gesicht und sagte zur Madlen der Liesi:

Wenn der Mann so weitertriaft, bekommt er's mit den Schermäusen zu tun, che ein Vierteljahr um ijt."

Der Erhard war aber in einigen Tagen wieder flott auf den Beinen, und als ihn die nüchterne Unruhe quälte und er sich elend fühlte, lachte er den Softor aus und griff aufs neue zur Flasche. Das war sein Trost und Frieden, und den spendete er fich als Labial, das Gott wachsen ließ für den Gözen Bauch im Menschen.

Als dann der Erhard am Tage der Denkmalseinweihung noch einen Orden bekam und in der filbernen Bürgermeister­fette dazu um den Sals herumstolzierte, war Glückseligkeit auf Erden für ihn gekommen!

ging? Gar nichts. Daß man ein Denkmal nicht umsonst bekommt und niemand auf Gottes Erdboden mehr Geld braucht als Künstler, das mußten doch alle Leute wissen. Daß natürlich einige Laufende Schulden herausschauten für die Gemeinderching, was weiter? Da machte man einfach neue Steuern.

Bas fragte er da darnach, als nachher der Teufel Ios­

Und da hatte der Erhard noch einmal das Wahre ge­

Und als da die neue Stener wir ein Gespenst im Geld­So verlief der Tag in Erhards Leben, der ihm wehe tat fäcfel der Gutenburger rumorte, ging das Murmeln und und mit rücksichtsloser Eigenliebe zum eigenen Wohl der Surmeln los. Brot und Spiele wollten die guten vater­Jugend seinem Alter nahm, was er sich halten wollte in rüd- landstreuen Bürger von jeber, aber nicht Hunger leiden und fichtslojem Gedenken seines eigenen Ichs. Stenern zahlen. Das Percat und die Hochflut des Hasses, der Größen niederwirft, begann allgemach zu steigen. funden. Er warf hundert Marf hin als Stöder und ließ bei den bejjeren" Leuten für das Lefizet sammeln. Aber das reichte nicht aus. Und der Bildhauer, der den Stein zum Denkmal ausgeflopft hatte, wurde ruppig und verlangte Geld. Nicht so wie vorher mit tiefem Bückling, nein, er drohte ein­fach mit Gericht.

famkeit zu lassen.

Doch auch dieser Jugend mußte einmal das ausgleichende Alter heranreifen, allwo die Früchte des Lebens weggehen dahin und dort, und nach der Ernte im einsamen Alter nur noch die Ruhe ersehnt wird, die Ruhe in den Armen des guten Erlösers Tod, der das Erdenweh mit seiner Schwere auslöscht und auf leichten Schwingen zum Vergehen trägt alles, was einst wogte und flutete in wundertätigem Leben.

Der Findling aber und die Madlen gingen Hand in Hand durch das Städtlein dem Waldhüterhaus zu, und ber­wundert verrenften fich die guten Leute des Ortes schier die Hälfe und zerbrachen sich die Köpfe um eine für sie taube Muß.

Erbard die Art an den Gemeindewald, und die Schuld war Und wie da wieder das Bercat crscholl, da legte der bezahlt.

Die Adlerpartei aber maulte und sagte, daß mit solcher Wirtschaft die Gemeinde unter Kuratel gestellt gehöre.

Doch Brot und Spiel", was war da diese Warnung! Der Erhard war wieder der Held, und Preis und Lob" hymnete die Disharmonie zum Danke an der Spiße des jubi alierenden Bolfes.

Als der Findling mit seiner Madlen vor dem Simon stand, sagte er:

Bater, wir wollen zu Dir, der Erhard hat uns weg­gejagt, und wir müssen ein Dach haben."

Da gliterte in den Augen des Simon ein Feuer auf, das aus tiefftemi Herzen zu kommen schien. Wie befriedigte Rache war es zu schauen. Hatte der Erhard ihm sein Kind genommen einstens, jetzt nahm der Findling, den der gerechte Gott der Strafe in das Waldhüterhaus gegeben, das Kind des Erhard. Jekt waren sie beide, die Menschen, fertig mit einander, das Schicksal hatte die Rechnung ausgeglichen.

Der alte Simon jagte darum froh und erleichtert: Das Dach sollt Ihr haben; hier in meinem Sause ist auch für Dich Raum, Madlen. Das Leben bringe Euch Glück, wie hr mir Glück gebracht!"

Und als die beiden drin im Haus waren, schaute der Simon nach dem Städtlein und murmelte:

Jebt fann ich gehen, jebt hab' ich nichts mehr verloren auf der Welt. Jetzt bin ich zufrieden. Es ist recht so, Gott !" Da die Zeit gleichmütig weitergeht. auch wenn dem Menschen vor unfaßbarem Schicksal der Odem fast vergehen will, famen auch in Gutenburg die Ereignisse eines nach dem andern, wie fie mußten vom Schicksal und der Menschen vegen.

Als der Findling und die Madlen ohne jede Kirchen pier und Feft sich ehelichten, trank der Erhard am selben Tage im Schlüssel mehr denn sonst.

Am Sonntag follte diese neue Ovation dem Erhard dar­gebracht werden.

Dieweil hatte die Madlen der Liesi crfahren, daß der Erhard ihr Vater sei. Und da ging das Mädchen zu dem Schlüßichvirt und sagte:

sch gehe weg, nach Hause!" Alle Kraft wich da aus dem Manne, und wieder tat der Madlen das Herze weh.

Bleib', Kind, geh' nicht, bleib', ich bitt' Tich!"

Aber die Madlen brachte sich den Gedanken nicht zu. ſammen. Die Schande stieg vor ihr auf, und die Blicke der Menschen brannten sie erst heute, da sie früher nicht wußte, was diese wollten.

sch kann nicht, ich kann nicht!"

Warum fannst Du nicht, Kind? Du hast mir's doch versprochen!" fragte der Erhard weinerlich.

Da jagte die Madlen, leise weinend:

Ich habe es erst heute erfahren und wußte vorher nicht darum, und es ist doch für uns beide zine Schande so."

Da fam über den Erhard mit einem Male wieder ein Rest von seinem früheren dünfelhalten Stolze.

Und darum stand er auf und ging zu seinem unehelichen Kinde hin, legte beide Hände auf die Schulter und sagte:

,, Laß die Schande, und die Leute, die sind Pack! Und Kind, ich bitt' Dich, und da ich Dich lieb had', straf' Deinen