19- JDo kommt ja auch ein großes Schiff," sagt meine Frau, die im Wagen sitzen geblieben ist. Mit einem kleinen Bugsicrboot dicht unter dem Bug zeigt sich ein altes abgetakeltes Segelfahrzeug hinter der Reihe von hellen, blankgeputzten Prahmen. Es ist jämmerlich kreuzlahm, sein Vorder- teil sowohl wie das Achterschiff scheint fast herunterzuhängen. Jedenfalls hat es seinen Todesstoß bekommen und sieht aus, als trauerte es über sich selbst. Alles ist schwarz: der Rumpf, die kurzen Masten, die Ladeb�ume. einige aufgehängte Persenningen oder Segelreste, die Segeltuchflügel der Windpumpe, alles gleich-- mäßig schwarz. Das ist eine alte Kohlenholk, aber da sie leer ist, wird sie schnell durchgehen," sage ich, sehe noch einmal auf die Uhr und falte den Stadtplan zusammen, ehe ich mich wieder bequem in den Wagen setze.Wie heißt dieses Bassin hier?" wende ich mich an den Kutscher. Lefebvre-Dock," entgegnet er.Hier ist die Mündung zum Fahrwasser." Lefebvre-Dock. Lefebvre-Dock. Ich suche lange in meinen Erinnerungen, muß aber weit in die Vergangenheit zurückgehen, um den Namen wiederzufinden. »Heute ist der zehnte," wende ich mich endlich an meine Frau. Heute vor zwanzig Jahren und vier Monaten, also am 10. Ja- nuar l88S, kam ich hier grade bei diesem Schuppen an Bord des besten Fahrzeuges, auf das ich je meinen Fuß gesetzt habe, du entsinnst dich wohl der deutschen Bark, von der ich dir so oft er- zählt habe." Vor zwanzig Jahren!" ruft sie aus.Ach, da sah wohl vieles anders aus." Ja, das war die Zeit der Sorglosigkeit. Alles, was ich besaß, fand Platz in einem solchen Segeltuchsack." sage ich und zeige mit meinem Stock auf einen von den Scemannssäcken, mit denen der Handkarren beladen war.»Und mit dem Sack auf dem Rücken sprang man an Bord und war froh und wohlgemut, ohne etwas von der Zukunft zu ahnen und ohne mehr von seinem Schiffe zu wissen, als daß es deutsch   ist und segelklar für La Plata liegt. Heutzutage hat man mehr Bedürfnisse. Hutschachtel, Handtasche und Plaidriemen," fahre ich fort und zähle unsre neun Kolli Reise- gepäck über,wenn man auch nicht weiter will als nach Stockholm  oder Kopenhagen  . l Schluß folgt.) Deister   Grimbart  . Bon C. Schenkling. Mit den Raubtieren beschäftigten sich die Sagen aller Völker, speziell die der germanischen Stämme; fast bis in die prähistorisch« Zeit der Deutschen reicht die Tiersage hinein. Die humorvollste und lieblichste aller ist jedenfalls GoethesReinecke Fuchs". In ihr begegnen wir zum ersten Mal Grimbart  , dem Dachs, einem ruhigen, verständigen Biedermann, den selbst der zu allen bösen Streichen aufgelegte Reinecke ungeschoren läßt. Das hatte allerdings seinen Grund, dennder Dachs war Reineckens Bruders Sohn", und die Naturgeschichte gibt diesem Urteil recht, denn sie zählt Mieles taxus zur Ordnung der Fleischfresser und zur Familie der Marder. Eigentlich gehört der Dachs, wie Bussard, Krähe usw. zu den Tieren, über deren Nutzen und Schaden die Meinungen geteilt sind; denn wenn der Dachs durch Vertilgung von allerhand Schädlingen der Land- und Forstwirtschaft nützlich ist(genau wie jene Tiere), so tut er doch der Jagd auch vielen Schaden. Meister Grimbart   ist ein heimlicher, mißtrauischer, mürrischer Geselle, der draußen in dem verschwiegenen Forst, inmitten dichten Unterholzes, am liebsten in hügeligem Terrain, aber niemals in großer Entfernung von den Feldern, seinen Bau aufschlägt, in dem er, als richtiger Höhlenbewohner, den größten Teil seines Lebens zubringt; wenigstens behauptet Busfon, daß der Dachs drei Viertel seines Lebens verschlase. Zu diesem Zweck hat er sich seine Wohnung recht behaglich eingerichtet. Sie ist geräumig, weit größer als der Bau des Fuchses und besteht aus einem mit Moos, Gras und Farnkraut ausgekleideten Kessel, von dem zahlreiche, oft sehr lange Röhren in den verichiedcnsten Richtungen nach außen führe». Von diesen Röhren werden nur einigebefahren", die anderen sind teils Flucht-, teils Laufröhren. Der Kessel ist dem Dachs alles: sein Wohn- und Schlafgemach, und zur Zeit der Mutterfreuden hat hier das Weibchen ihr Bett ausgeschlagen. Bei der Ausstattung dieses Raumes wenden die Dachse ein besonderes Verfahren an. Sie schleppen vor den Eingaugsröhren allerlei Krauthaufen zusammen und lassen es eine Zeitlang zum Trocknen liegen, stemmen sich dann mit Kopf und Vorderkörper dagegen und schieben es durch die Röhre in den Kessel, den sie sorgfältig damit auspolstern. Ein., Hauptbau" wird von mehreren Dachsen be- wohnt, doch hat jedes Individuum seinen eigenen Kessel; sogar Dachs und Dächjin leben getrennt. Bewohnen Fuchs und Dachs einen solchen Bau gemeiniam, dann meiden sie sireng jede An- Näherung: wenn sie sich auch dulden, Freunde werden sie niemals; der Dachs, als der die Reinlichkeit liebende Hausherr, verabscheut die llnsauberkeit seines Nachbarn. Ebenso griesgrämig der alte Einsiedler ist. ist er auch lichtscheu. Er fährt gewöhnlich erst mit anbrechender Dunkelheit aus dem Bau und ist längst wieder daheim, wenn das erste Tageslicht int Osten zu grauen beginnt. Es kommt aber auch vor. daß man seiner einmal am Tage oder»n der Abenddämmerung ansichtig wird; das ist aber nur dann der Fall, wenn der Dachs nicht gestört wurde, weil man eben von seiner Gegenwart keine Ahnung hatte. Dazu kommt noch, daß der alteGräming",.die der altdeutsch« Name für den mürrischen Höhlenbewohner lautet, vom Gesetz eine achtmonatige Schonzeit zugebilligt bekommen hat, er also nur während der letzten vier Monate des Jahres gejagt, geschossen oder gefangen werden darf. _ Die Nahrung, die der Dachs bevorzugt, nämlich Wurzeln, Würmer, Schnecken, Obst, Trauben usw., ist derart, daß er, falls er sich damit begnügte, wenn auch nicht zu nützlicken, so doch eher zu den unschädlichen als schädlichen Tieren gerechnet werden müßte. Nützlich wird er sogar insofern, als er Engerlinge, Maikäferpuppen. schädliche Heuschrecken und andere Kerfe in großer Menge vertilgt. Diese Beutetiere sowie Pilze und Wurzeln bilden die sogenannte Erdmast, nach der er mit seinen langen Grabnägcln und der rüssel­artig verlängerten Nasenspitzesticht" oderwurzelt". Weniger spricht für ihn. daß er Eicheln, Buchnüsse, besonders aber süße Rüben aller Art, Kartoffeln und Fallobst stiehlt. Von Pflaumen, namentlich von Trauben ist er ein großer Verehrer und unter- nimmt oft, um sie zu erlangen, weite Märsche. Dies alles ginge noch an, doch weiß man längst, daß dem Dachs auch Fleisch höchst willkommen ist. Nicht nur, daß er Kriechtiere und Lurche, deren er habhaft werden kann, vertilgt, sogar die giftige Kreuzotter, deren Biß ihm nicht schadet, nicht verschmäht und Mäuse in Mengen ver» zehrt Wildungen fand im Magen eines Dachses 3g Stück, sondern auch delikateres Fleisch für sich passend erachtet. An einem jungen Häschen geht er nicht vorüber, und der Inhalt eines boden- ständigen Nestes ist ihm stets willkommen. Jungen Fasanen und Waldhühnern wird er gleichfalls gefährlich, und sogar Rehkitzchen greift er an. In den Juli fällt die Rollzeit. Dann gestattet sie seinen Besuch in ihrem Bau. Nach sieben Monaten bringt das Weib- chen 3 bis 4 Junge zur Welt, die einige Tage blind sind, trägt ihnen Nahrung zu und führt sie, sobald ihre Kräfte ausreichen, in kurzen Streifzügen auf die Weide, um sie imWurzeln" anzulernen. Nach und nach kümmert sich die Mutter immer weniger um die Jungen, doch bleibt die Familie bis zur nächsten Paarungszeit beisammen. Dann gründen die Jungen entweder ein eigenes Heim oder bleiben, wenn sie in einem Hauptbau gewölst wurden, wohl auch darin, wohnen aber in besonderen Kesseln. Mit Beginn des Winters verstopft der Dachs die Einfahrts- röhren und verfällt in einen Winterschlaf. In England, das ein milderes Winterklima hat, unterbricht er ihn wiederholt. Nach einem alten Jägerglauben soll sich der Dachs während der Winter- ruhe von der Ausscheidung einer Drüse nähren, in die er seine Nase stecke und woher die sprichwörtliche Redensart stammt: Er lebt wie der Dachs von seinem Fett. Die Drüse, die eine unan- genehm riechende weißlich« Feuchtigkeit absondert(Stinkloch), ist eine beutelartige, zenlimetertiefe und innen fein behaarte Oeff- nung, die viele drüsenartige Gebilde in sich vereinigt. Das Drüsen- sekret erhärtet an der Luft und wird, wenn es sich allzu reichlich gebildet hat, durch das sogenannteSchlittenfahren" an Steinen und Wurzeln abgerieben. Wohl zehrt der Dachs während des Winters von seinem Fett, aber von der Fcttmasse seines Körpers, die in einer Zentimeter- dicken Lage unter der Schwarte und in einer zweiten drei bis vier Zentimeter dicken Schicht unter dem Fleische aufgespeichert ist. Wie sein organischer Bau dem des Schweines sehr ähnlich, hat der Dachs mit diesem auch die Mästungsfähigkeit gemein. Dachsfett war früher offizinell und wurde als Heilmittel bei Lungenlecden ; angewandt. Heute liefert es, verbunden mit Reiherfett, eine vor- i zügliche Stiefclschmicrc und findet auch bei der Seifenbereitung Verwendung. Das Wildbret gilt hier und da als Leckerbissen. ' Das Fell, die sogenannte Dachsschwarte, ist als wasserdichtes Leder ' sehr geschätzt und dient zu Bezügen und zur Herstellung von Jagd- toschcn, Büchscnsäcken und dergleichen. Wie bekannt, haben auch ' unsere Jägerbataillone Tornister mit einer Klappe von Dachs- schwarte, weswegen der Tornister in der Kommißsprache kurzweg iDachs" genannt wird. Aus den Haaren werden Pinsel und Bürsten hergestellt. Der Dachs ist also für den Wildfänger ein wertvolles Objekt, da er nutzbar ist wie wenig apdere Tiere. Sommer- und Winterkleid des Dachses sind gleich; der Haar- ivechsel findet im Mai und September statt. Kurz davor find natürlich die alten Haare abgenutzt und von den neuen ist noch nichts zu sehen. Die weihgraue Zeichnung wird gelbgrau, ohne schwarze Beimischung. In manchen Gegenden nennt man den ! Dachs in diesem Kleide..Hundedachs", im Gegensatz zu dem aus, gefärbtenSchwcinedachs". Schon Konrad Geßner   berichtet in seinem Tierbuch(1606) darüber und gibt als besondere Merkmale an: der Hundcdachs habegespaltene Dopen wie ein Hund", der ' Scftveinedachsgespaltene Klawcn wie eine Souw". AlberwS Magnus fügt diesen Erkennungszeichen noch hinzu, daß sich auch an Maul und Rüssel Unterschiede fänden, ja, ersterer fresse. waS andere Hunde fressen, letzterer aber lebe von Wurzeln und was anderes die Souw fresse". Unterschiede in der Zeichnung deS Kopfes sind nun nicht selten, und die alten Jäger halten an der Einteilung heute noch fest. Da die Jagd auf den Dachs nichts Besonderes bietet, außer- i dem in die Stunden vor und nach Mitternacht   fällt, der Dach?