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fernerhin ein höchst vorsichtiger Gefelle ist, auf den das Jägerwort: Jauch die Schlagworte: Ruhm, Vaterland, Ehre nicht mehr ziehen, er ist ein Nachtgespenst, das du nicht siehst, das du nicht kennst", dann wird der französische Arbeiter nicht mehr auf deutsche Kollegen ebenso wie auf den Feisthirsch angewendet werden kann, so sucht schießen. man seiner durch Ausgraben habhaft za werden.

Aus den Tagen von Sedan.

( C. Lemonnier: Aus den Tagen von Sedan. Verlag Arel Juncker, Berlin .)

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Und gerade hier läuft alles Spintisieren auf das Politische hinaus. Lemonnier hat( nach Andrejew) das künstlerisch Stärkste gegen den Krieg geschrieben. Praktisch heißt es für uns, daraus die Konsequenzen zu ziehen und dem Krieg den Krieg zu erklären. R, K.

Kleines feuilleton.

Völkerkunde.

Dies Buch ist eines der weniger aus der antimilitaristischen Literatur, die künstlerisch überhaupt in Betracht kommen. Bertha b. Suttner, die sonst eine gute Seele, aber eine schlechte Musikantin ist, hat zu Lemonniers Wert eine ausgezeichnete Vorrede geschrieben. Himmlische Fußbälle. Ein Fortbestehen der mensch " Nicht das grimme Gelage wird uns vorgeführt," heißt es darin, lichen Seele nach dem Tode kündet die primitive Urreligion der nur die Anordnung der geleerten Schüsseln und der umgeworfenen Eskimos. Ja, sie weiß fogar von mehr als einem Jenseits zu Gläser auf dem besudelten Tischtuch. Bazeilles. Sedan Es ist eine alte, durch den Geschichtsunterricht eingeprägte Dent: erzählen. Zwei verschiedene Paradiese kennt sie, in denen die Ab­gefchiedenen weiterleben dürfen. Das erste liegt tief unter der Erde gewohnheit, solche Ortsnamen, an die sich eine Kriegserinnerung oder unter dem Meere; es ist ein Ort voll ewigen Sonnenscheins, fnüpft, eigentlich nicht mehr als Ortsnamen aufzufassen, sondern ein Ort, an dem es Pelz- und Federwild in Menge gibt und gutes, als die Symbolisierung großer Ereignisse und heftiger Gefühle von köstliches Wasser. Nicht ganz so hochgeschätzt wie dies Paradies in Ruhmesstolz oder Rachezorn. Man spreche das Wort Sedan aus der Unterwelt wird das obertveltliche Eden, das in einer Gegend und 100 000 Deutsche sind dabei siegesfreudig- 100 000 Franzosen zwischen Himmel und Erde liegt. Hier gibt es zwar viele schwarze, schmerzlich grollend bewegt, und die Schüler und Schülerinnen wohlschmeckende Beeren, aber die Temperatur ist etwas frisch, und bewegt, und die Schüler und Schülerinnen der ganzen Welt hören in den zwei Eien den historischen Klang. die alten Weiberseelen werden sehr belästigt durch Raben, die sich Daß es ein Stückchen Erdboden ist mrt ein paar Häusern darauf, ihnen ständig auf den Kopf setzen. Man lebt hier in Belten, wo zwei unglückselige Häuflein Menschen einander zerfleischten; die rings um einen See herum aufgestellt sind. Fließt er und wie dieser Boden, der wahrscheinlich zerstampft, wie diese über, so regnet es auf Erden. Die Lieblingsbeschäftigung der Häuser, die wahrscheinlich niedergebrannt sind, ausgeschaut Männer an diesem immerhin noch guten Orte aber besteht im- haben Lemonnier sagt selbst von seinem Buch, es bestehe nur aus losen Fußballsport. In der Nacht, so heißt es, können wir Menschenkinder gar nicht selten die Seelen dort oben am Himmel Fußball spielen Notizen. Nur" diese Aufzeichnungen sind fabelhaft scharf ge= fehen, wie gute Stizzen: unter Hinwegung alles Unwesentlichen. himmlische Fußballwerfen gekommen find, das wird dem Unkundigen sehen und zwar mit Walroßköpfen! Wie die Eskimos auf dieses Wie fein ist es, daß sich Lemonnier jeder chauvinistischen Auf­wallung enthält, daß zwischen den Zeilen nicht der Aufschrei er- zu erraten schwer sein. Wer aber das Polarlicht mit seinen huschen­tlingt: diese Deutschen ! sondern: der Krieg! Einmal, an einer den, jagenden, tanzenden Feuerwerkseffekten in seiner vollen Ent­Stelle, als er etwas Widerwärtiges von zwei deutschen Offizieren faltung am Himmel gesehen hat, der weiß, woher die Sage von berichtet, heißt es:" Die Einzelheiten, deren ich in diesen Aufzeich erklärte man die ruhelos umherfliegenden Nordlichtserscheinungen den himmlischen Fußbällen stammt. An der Ostküste Grönlands nungen Grwähnung tue, sollen nichts anderes bezwecken, als das Berhalten des Siegers in eroberten Lüsdern darzutun: sie richten übrigens für die Seelen gemordeter oder totgeborener Kinder, die fich weder gegen den einzelnen noch geren eine Nation." nun einen wirbelnden Tanz am Himmel vollführen. Auch von ihnen fagte man, sie spielten miteinander Fangball."

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Meteorologisches.

Lemonnier ist durch die Schlachtfelder von Bazeilles und Sedan gewandert, und da sah er: ein Leichnam lag da, halb verfault, mit einem grünlichen Grinsen auf dem Gesicht, seine Lider regten sich, weil Würmer auf ihm herumfletterten das Lazarett mit den Das Wetter des Jahres 1911. Das bergangene Jahr brüllenden, freischenden, fluchenden Menschenteilen, denn das waren wird in den Annalen der Witterungskunde dauernd eine besondere nicht mehr Menschen, Chloroform war nicht vorhanden, einem Stelle einnehmen. Ein solcher Sommer war für die meisten Leute Turko wurde bei boller Besinnung era Bein abgesägt, und durch in unserer gemäßigten Bone ein ganz neues Erlebnis, und auch die den scheußlichen Lärm der anderen drang das Knirschen der Wissenschaft wird noch einige Zeit damit zu tun haben. Dr. Ram Säge... die endlosen Büge zerlumpter, halbtoter Gefangener, fauer vom Nadiologisch- Physikalischen Institut an der Universität oder er ließ sich erzählen, wie sie das Mädchen in der Hütte ver- Heidelberg gibt in einer Zuschrift an die" Nature" eine Erklärung gewaltigten, fie hatten sie an den Tisch gebunden, die Eltern, die auf Grund einer elektrischen Theorie. Dr. Ramsauer hält sich fich unter die Betten verkrochen hatten, mußten dem Scheußlichen an die jetzt allgemein berbreitete Annahme, daß die Bildung zusehen Pferde trochen über das Feld, blutend mit aufge- bon Regentropfen das Vorhandensein gewisser Körperchen in der riffenen Mäulern, manchen hingen die Eingeweide heraus... die Luft verlangt, die der Wafferdampf gewissermaßen als Kern benutzt, Mutter des Neugeborenen war, taum genesen, aus ihrem Bett ge- um sich als Tropfen um sie herum zu verdichten. In dem Fehlen rissen und mit Säbelhieben davongejagt worden. Vor Schred war folcher Körperchen sieht er die Hauptursache für die ungewöhnliche die Milch in ihrer Brust versiegt: mechanisch fnetete sie ihr mütter- Witterung die letzten Jahres. Außerdem führt er zur weiteren Auf­liches Fleisch wie eine ausgepreßte Frucht." Und einmal, als er hellung des Zusammenhanges die verschiedenen Wirkungen der von von einer Sanitätsfolonne spricht, jagt er und das ist der beste der Sonne ausgehenden unsichtbaren ultravioletten Strahlen ins Vergleich des ganzen Buches: Ueber all diesem Jammer flatterte Feld. Neben anderen Folgen, die diese Strahlen in der Luft her­die schmußig- weiße Fahne des Roten Kreuzes wie die Schürze eines borrufen, wozu beispielsweise die Entwickelung von Dzon gehört, Meggergehilfen." schreibt ihnen Ramsauer eben gerade auch die Bildung solcher Kerne zu, die zur Umwandlung des Wasserdampfes in flüssiges Wasser, das heißt in Regentropfen, notwendig sind. Es ist im Laboratorium beobachtet worden, daß unter dem Einfluß von ultravioletten Strahlen aus Wafferdampf Tropfen von Wasserstoffsuperoxyd ge­bildet wurden oder auch aus Dzon und Ammoniak in Berührung mit den anderen Bestandteilen der Luft Tropfen von salpetersaurem Ammon. Diese Erzeugung von festen oder flüssigen Körperchen durch die ultravioletten Strahlen der Sonne dient nun nach dieser Auffassung als Basis der Regenbildung. Die Größe dieser Kerne, wie sie im allgemeinen bezeichnet werden, ist abhängig von der Intensität der Sonnenstrahlen und der zu ihrer Bildung verfügbaren Beit. Sie befizen ursprünglich keinerlei elektrische Ladung, aber ge­winnen eine solche, wenn sie mit den gleichzeitig durch die ultravioletten Strahlen erzeugten Elektrizitätsträgern zusammen tommen. Auch der gewöhnliche Staubgehalt der Luft ist der Regenbildung förderlich, aber die ultra­violetten Strahlen sollen doch die eigentlichen Regenten dieses natürlichen Vorganges fein. Kurz: das ständig schöne und trodene Wetter des letzten Sommers ist zurückzuführen auf eine starke Verminderung der ultravioletten Sonnenstrahlung, und diese wieder ist dadurch bedingt gewesen, daß sich die Sonne in einer Zeit geringster Tätigkeit befindet, die sich in einer besonders schwachen Daß wir hier an einen wunden Bunkt rühren, beweist das Ver- Entwickelung von Sonnenflecken und von Nordlichtern fundgibt. Daß Halten der Regierungen. Mit unerbittlicher Strenge sind sie hinter es zu einer Zeit schwächerer Sonnentätigkeit auf der Erde den Antimilitaristen her, sie fühlen, wenn die Hunderttausende erst gerade besonders heiß wird, liegt einfach daran, daß die Wärme­einmal aus diesen Büchern gelernt haben, für welche Schemen( oder strahlen der Sonne bei flarem Wetter zu stärkerer Wirkung ge­weffen Portemonnaie) fie sterben, dann ist es aus. Dann werden langen.

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Der( Tendenz-) Wert dieses Buches liegt auf der Hand. Die Suttner fagt in der Vorrede:" Es mag auf viele Leser so wirken, wie es der Friedensbewegung frommt aber dann geschieht es ohne des Autors Vorwissen." Und dann: Daß der Krieg boller Greuel ist, wissen auch seine Anhänger sie halten ihn nur für unvermeidlich." Die Suttner hat mit Lemonnier nichts zu tun. Sie hat in ihren( ein wenig fentimentalen) Büchern die letzte Ursache der Kriege, die wirtschaftliche Struktur der Gesellschaft, viel zu wenig berücksichtigt. Lemonnier, dieser große Künstler, spricht tiefste psychologische Erkenntnisse nicht aus, sondern er läßt sie uns von neuem finden.

Ich müßte das Buch abschreiben, wollte ich alles Schöne daraus erzählen. Briefe von Gefallenen sind darin, Reden, Gegenreden, die Luft dieser vergangenen Zeit ist wieder da..

Aber was nüßt das alles: es sind selten über dieses Thema bessere Bücher geschrieben worden( eins: Andrejew , Das rote Lachen, in der wundervollen Nachdichtung von August Scholz, das ge­waltigste, furchtbarste von allen), Goethe hat zu Eckermann oft über den Chauvinismus aburteilend gesprochen, seitdem haben fast alle Großen den Krieg mit verabscheuenden Worten bedacht-: alles ist geblieben.

Berantwortl. Redakteur: Albert Wachs, Berlin . Druck u. Verlag: VorwärtsBuchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.

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