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griff nach seinem Zügel und Steigbügel. Es war Chadschi- Murats! Staate erhaltenen Amtsgebäude in Ordnung zu halten, Leibwache Blutsbruder Chanefi, der sein Hauswesen und seine Güter verwaltete.
Löscht das Feuer aus", sagte Chadschi- Murat, während er vom Pferde sticg. Die Leute am Feuer begannen sogleich, dieses auszulöschen, indem sie den brennenden Haufen auseinanderwarfen und die glimmenden Aeste austraten.
Jst Bata hier gewesen?", fragte Chadschi- Murat, auf den Filzmantel zutretend, der auf der Erde hingebreitet lag. " Ja. Er ist schon lange fort. mit Chan- Mahoma." Welchen Weg haben sie eingeschlagen?" " Diesen da", antwortete Chanefi er zeigte nach einer Richtung, die jener entgegengesetzt war, aus der Chadschi- Murat gekommen.
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" Es ist gut", sagte Chadschi- Murat und begann seine Büchse zu laden. Wir müssen Wochen ausstellen, sie haben mir nachgesezt", sprach er dann zu einem der Männer, der noch damit beschäftigt war, das Feuer auszulöschen.
Es war der Tschetschenze Hamsalo, den Chadschi- Murat angesprochen hatte. Samialo ging zu dem Filzmantel, ergriff eine im Futteral stedkende Büchse, die dort lag und begab sich schweigend an den Rand der Lichtung, nach jener Seite, von der ChadichiMurat hergekommen war. Eldar, der abgestiegen war und sein Pferd, wie auch dasjenige Chadschi- Murats, mit hochgeftredtem Kopfe an den Bäumen in der Nähe festgebunden hatte, begab sich gleichfalls mit der Büchse über der Schulter an den Rand der Lichtung. Das Feuer war ausgelöscht, und der Wald erschien nun nicht mehr so schwarz wie vorher. Am Himmel blinkten, wenn auch nur mit schwachem Schimmer, die Sterne.
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Chadschi- Murat sah zu den Sternen auf- er suchte das Siebengestirn, das bereits bis zur Hälfte des Himmels emporgestiegen war. Sie sagten ihm, daß es lange nach Mitternacht sei, und daß es längst Zeit sei, das Nachtgebet zu verrichten. Er ließ sich von Chanefi das Beden reichen, das ftets beim Gepäd mitgeführt wurde, zog seinen Filzmantel an und begab sich an das Wasser.
Er zog seine Schuhe aus und nahm die Fußwaschung vor, worauf er mit bloßen Füßen auf dem ausgebreiteten Filamantel niederhodte und zunächst, Augen und Ohren mit den Fingern zuhaltend, mit nach Osten gewandtem Geficht das übliche Gebet Sprach.
Als er das Gebet beendet hatte, fehrte er an den Lagerplab zurüd; fette sich dort neben den Sätteln und Quersäden auf den Filamantel, stüßte die Ellbogen auf die Knie, ließ den Kopf finten und vertiefte fich in seine Gedanken.
Chadichi- Murat hatte stets an sein Glück geglaubt. Wenn er etwas unternahm, war er von vornherein fest davon überzeugt, daß der Erfolg ihm sicher sei, und er hatte in der Tat während seines stürmischen, von Kampf und Streit bewegten Lebens fast immer Glüd gehabt. Und er hoffte, daß es auch diesmal nicht anders sein würde. Er stellte sich vor, daß er mit den Truppen, Sie ihm Woronzow zur Verfügung stellte, gegen Schamhl ziehen, ihn gefangen nehmen und an ihm Rache nehmen würde, daß als dann der Zar ihn dafür belohnen und er nicht nur über Awarien, fondern auch über die gedemütigte Tschetschna herrschen würde. Mit diesen Gedanken beschäftigt, war er unversehens eingeschlafen. ( Fortfehung folgt.)
Chinesisches Leben.
Bon Frit Kummer.
und eine Schar von Dienstboten zu befolden, den Unterhalt für fich und seine zahlreiche Familie zu bestreiten, Geschenke für seine Borgesezten in Beting zu kaufen und, da er eine Bension nicht bekommt, einen Notgroschen für alle Fälle zurüdzulegen. Um alle diese Ausgaben bestreiten zu fönnen, tut er, was alle anderen nicht lassen: er nimmt Geschente von seinen untergebenen an, ja ist herzlich froh, wenn ihm solche angeboten werden. Für die Bürger ist es im Laufe der Zeit selbstverständlich geworden, daß nur mit Geschenken in der Hand dem Beamten ein Anliegen erfolgreich vorgetragen werden kann.
Was die Bürger freiwillig bringen, was ihnen gelegentlich zwangsweise abgeknüpft wird, mag nach und nach zu hohen Summen anwachsen, ist aber bei weitem nicht ausreichend, die Bedürf nisse oder Habsucht der Mandarinen zu befriedigen. Sie müßten teine schlaue Asiaten sein, wenn sie nicht andere und ergiebigere Geldquellen zu erschließen imstande wären. Die Uebertragung von öffentlichen Arbeiten und Konzessionen an in- und ausländische Firmen hängt im wesentlichen von der Höhe der Gratifilation" für den Beamten ab. Am einträglichsten und dauernd ist die Brandschabung der Steuerzahler. Die von der Zentralregierung für jeden Bezirk fixierten Steuerbeträge werden um das mehrfache erhöht und eingezogen und nach eigenem Gutdünken verwandt. Justizwesen..
Die chinesische Gefeßgebung muß, wenn man den verschiedenen Autoren glauben darf, seine vielseitigen Zwede in vorzüglicher Weise erfüllen. Wir fennen taum ein europäisches Gesetzbuch, das gleichzeitig so vollständig und so folgerichtig, oder das so gänzlich frei ist von Verworrenheit, Bigotterie und Fiktion. In allem was sich auf politische Freiheit oder individuelle Unabhängigkeit bezieht, ist es allerdings schredlich mangelhaft, aber es scheint gleichweis wirksam und mild in bezug auf die Unterdrüdurg von Unordnung und fanfte Bügelung einer zahlreichen Bevölkerung." Das Gesetzbuch zerfällt in Grundgefeße( Lut) und in Nebengefeße( Lai), wovon die einen permanente Geltung haben, während die anderen alle fünf Jahre einer Wenderung unterworfen find. Das Lob, das der chinesischen Gesetzgebung gespendet wird, scheint fehr deplaziert, sobald sie mit europäischem Auge betrachtet wird. Man findet nur ihresgleichen in der Gefeßgebung unseres Mittelalters. Sie basiert noch auf Grundsägen, und wird noch von Anschauungen beherrscht, die bei uns längst aufgegeben worden sind. Nach der modernen Auffassung ist ein Angeklagter so lange als unschuldig zu betrachten und zu behandeln, als er nicht überführt und verurteilt ist, in China gilt das Gegenteil; bei uns fann auch bei geringsten Vergehen die richterliche Entscheidung angerufen werden, dort spricht oft ein kleiner Beamter selbstherrlich und endgültig das Urteil und läßt es auch gleich vollziehen. Eine gewöhnliche Strafe für kleine Uebeltäter besteht in der Durchprügelung durch die Straßen. Im Machtbereich der Mandschus ist die Tortur noch allgemein in Anwendung. Die Folterfnechte unferes Mittelalters erscheinen als humane Gesellen im Vergleich mit ihren Rumpanen im heutigen China . Die nur noch in unseren Museen zu findenden Marterwerkzeuge sind heute in China noch in den Gerichtshöfen in Gebrauch und werden mit einer Raffiniertheit angewendet, wie sie nur asiatische Findigkeit und Blutrünftigkeit erfinden konnte.
Und warum wird gefoltert? So lange der Angeschuldigte nicht gesteht, tann er nach der chinesischen Auffassung nicht gerichtet werden. Den( Entlastungs-) 8eugen Glauben schenken, scheint dem asiatischen Richter zu gewagt. Es ist der Meinung, daß durch förperliche Schmerzen die Wahrheit gelodert werden kann. So wird der Angeflagte so lange gefoltert, bis er das ton ihm ber langte Verbrechen zugibt oder zugrunde gegangen ist. Der arme Teufel, der der Justiz in die Hände fällt, hat sehr geringe Ausfichten bald wieder loszukommen. Auch wenn er das gesteht, was seine Häscher von ihm verlangen, ist sein Schicksal überaus traurig. In den Gefängnissen ist von sanitären Einrichtungen nichts zu entdecken, die Nahrung ist vollständig unzureichend, und die Behandlung durch die habsüchtigen Wärter ist nur dann erträglich, wenn sie durch Geschenke milde gestimmt werden können. Gar mancher der Gefangenen wird ein vorzeitiges Opfer des Todes. In China fallen Köpfe wegen Verbrechen, die in Europa mit Einsperrung als genügend bestraft erachtet werden. In den Gerichtshöfen kann man die Folterwerkzeuge, wie Halsbretter( Cangue), Holzgestelle zum Erdroffeln, Blöde usw. allenthalben stehen sehen. Nicht selten werden Gefangene auf offener Straße oder vor den Gerichten in den Block gelegt oder mit dem Halsbrett angetan in einen von jeden Passanten sichtbaren Holzfäfig gesperrt.
Wahl und Korruption der Beamten. Der Weg zur höchsten Stelle der Beamtenhierarchie steht, theoretisch wenigstens, jedermann offen; nur die Angehörigen der verachteten Klassen( Theaterspieler, Barbiere und Bootsleute) machen eine Ausnahme. Weder Rang noch Geburt oder Kapital spielt dabei eine Rolle; Bildung allein ift maßgebend. Auf die Möglichkeit, die höchste Stelle im Staate erklimmen zu können, wird in der Schule ständig hingewiesen, um den Lerneifer anzuspornen. Freilich find im heutigen China die Aussichten eines mittellosen Kandidaten auf eine seinem Bildungsgrad entsprechende Stelle herzlich gering. Er mag noch so hoch gebildet und fähig sein und die drei vorgeschriebenen Examen bestanden haben, so wird er dennoch vergeblich auf einen Blat warten können, wenn er nicht Mittel genug aufzubringen imstande ist, um die Gunst und Fürsprache hoher Gönner zu erkaufen. Uebrigens werden In Europa ist man geneigt anzunehmen, China bilde ein auch zeitweise offizielle Stellungen von der Regierung an den einziges Sprachgebiet, das vielleicht eine Anzahl Dialekte, im Meiftbietenden losgeschlagen, um mit dem Erlös die stets leere Grunde aber doch eine Hauptsprache habe. Dies ist nun nicht Staatstaffe zu füllen. der Fall. Wenn die Sprachverworrenheit nun auch nicht so groß Ehrlichkeit ist in der Beamtensphäre eine gar seltene Pflanze. ist wie in Indien , so ist sie doch immerhin größer als in dem Auch wenn der Beamte von Haus aus charakterfest und unbestech- nationenreichen Europa . An die achtzig verschiedene Sprachen lich sein sollte, fann er es nur schwer, nein gar nicht bleiben. werden gesprochen, die wieder in Dialekte und Unterdialekte gera Das Gehalt steht in keinem Verhältnis zu den vielen Berpflich- fallen, die oft von den direkt neben ihrem Geltungsbereich tungen und Ausgaben. Der Salär des Statthalters einer Pro- wohnenden Leuten nicht verstanden werden. Der Mangel eines bing mit vielen Millionen Einwohnern ist nicht viel höher als der einheitlichen Verständigungsmittels ist eines der größten Hinder cines europäischen Bureaugehilfen. Davon hat er seine vom nisse für nationale Bewegungen. Die am weitesten verbreitete
Das Land der vielen Sprachen.