Anterhallungsblatt des vorwärts Nr. 23. Dienstag den 6. Februar. 1912 lNachdruck vervolen.) pdle der Gröberer. Der große Kampf. Roman von Martin AndersenNexö. «Mer Marie, das ist doch Deine Zausmiete," sagte Pelle erschrocken. Was tut das? Das Geld werd ich bis zum Ersten schon wieder zusammen bringen." Ja, das würde sie schon fertig bringen? Pelle lachte der- zweifelt darüber. Wie leichtsinnig sie mit dem Gelde um sich warf, das ihr dreißig Tage peinlichen Sparens und Nach- denkens kostete, um es für jeden Monat zusammenzuschrapen. Was meinst Du, was Peter und Karl dazu sagen würden, daß Du so mit dem Geld um Dich wirfst. Mach, daß Du die Schachtel wieder verwahrst und zwar ein wenig schnell!" Ach�nimm Sie doch," sagte sie beharrlich und fuhr fort, ihm die Schachtel hinzuschieben.Ja, dann werf ich sie zum Fenster hinaus!" Sie öffnete schnell einen der Fensterhaken. Pelle stand auf. Das ist ja wahr, ich bin ja noch das Geld für die letzte Wäsche schuldig," sagte er und wollte eine Krone in die Schachtel stecken.Gut, daß Tu mich daran erinnerst." Sie starrte ihn versteinert an und lief dann in die Stube hinein. Da drinnen ging sie wieder umher und trällerte mit ihrer harten Stimme: nach einer Weile ging sie aus, um Einkäufe zu machen, im grauen Umschlagetuch, mit ihrem Hausfrauen- korb über dem Arm. Er konnte ihren eigentümlichen Schritt verfolgen, der zart wie der eines Kindes, und doch so alt klang, ganz durch den Tonnengang hindurch. Tann ging er in die Wohnung der Kinder und zog die dritte Kommodcnschieblade auf, dort verwahrte sie immer ihre Gcldschachtel, die sie in ihrer Wäsche einwickelte. Er besaß noch zwei Kronen, die steckte er in die Schachtel. Auf die Weise pflegte er sie immer zu bezahlen. Wenn sie dann ihr Geld nachzählte und zu viel herausrechnete, glaubte sie, der liebe Gott habe das Geld in die Schachtel gc- legt und kam dann jubelnd hin und erzählte es. Das Kind glaubte blind an das Glück und nahm es hin wie eine Ans- erwählung: dies Geld war für sie etwas ganz anderes als das, was sie selbst zusammensparte. Um die Mittagszeit kam sie und bat ihn hereinzukommen. Es gibt gebratenen Hering, Pelle, da kannst Du unnwglich nein sagen," sagte sie überredend,denn das kann kein Born- holnier! Dann brauchst Du nicht das langweilige Essen vom Höker zu kaufen und fünfundzwanzig Oere dafür wegzu- werfen." Sie hatte eine halbe Stiege gekauft und fünf davon für die Brüder zurückgelegt, wenn die heimkamen.Und es gibt Kaffee hinterher," sagte sie. Sie hatte allerliebst auf- gedeckt, mit einer reinen Serviette an dem einen Ende des Tisches. Der kleine Paul der Fabrikarbeiterin kam dazu und be- kam auch einen Mund voll ab. Dann lief er wieder auf den Gang hinaus und tummelte sich dort umher, der kleine Kerl war keinen Augenblick ruhig: von dem Moment an, wo ihn die Mutter am Morgen herausließ: da war so viel, was er nachholen mußte nach seiner langen Einsperrung. Aus dem kleinen Idioten, den die Mutter an dem Ofen festbinden mußte, weil er Wasser im Kopf hatte und sich zum Fenster hinausstürzen wollte, war ein richtiger Strolch geworden. Jeden Augenblick steckte er den Kopf zur Tür herein zu Pelle: und manchmal kam er ganz hinein, legte die Hand auf Pelles Knie und sagte:Du bist mein Vater!" Tann stürzte er wieder von dannen. Marie half ihm bei der Besorgung von Großem und Kleinem er suchte immer feine Zuflucht bei ihr! Nachdem sie ausgewaschen hatte, setzte sie sich mit ihrer Flickarbeit zu Pelle, dann saß sie da und schwatzte drauf los über ihre hansmütterlichen Sorgen:Ich muß bald Lauf- jacken für die Jungen haben, schrecklich, was sie in dem Alter verbrauchen! Ich sehe jeden Tag bei der Trödlerin vor. Tu mußte auch eine neue Bluse haben, Pelle, die eine ist bald zu Ende, und dann hast Tu nichts zum Wechseln. Wenn Tu Dir Zeug kaufen willst, so will ich sie Dir schon nähen. Ich kann nahen! Meine feine Bluse habe ich mir selbst genäht. Hanne hat mir dabei geholfen. Warum gehst Du eigentlich nie mehr zu Hanne?" Ach, ich weiß nicht?" Hanne ist so sonderbar geworden. Sie kommt nie mehr auf den Hof hinunter und tanzt mit uns, sie hat es doch früher getan. Tann paßte ich am Fenster auf und lief hinunter. Es war so amüsant, mit ihr zu spielen. Wir gingen rund um sie herum und sangen: Vor Hanne wollen wir knixen, vor Hanne wollen wir uns verneigen, vor Hanne wenden wir uns alle um. Und dann knirten wir und verneigten uns alle und schließlich kehrten wir uns alle um. Tu kannst mir glauben, das war flott! Du hättest doch nur Hanne nehmen sollen." Du magst es ja doch nicht, daß ich Ellen genommen habe, wozu soll ich denn Hanne nehmen?" Ach, ich weiß nicht Hanne das" Marie schwieg lauschend und riß das Fenster auf. Unten in derArche" knallte eine Tür und ein langes Zischen kam daher gejagt, es klang fast wie ein heiserer Laut aus des tollen Vinzlevs Flöte oder wie der Zugwind in den langen Gängen, Gleich einem abgerissenen, lächerlichen Stück Melodie flatterte der Laut da unten umher, leckte hinter dem Holzwerk empor und brach ganz oben ini Tageslicht hervor, heiser, mit einem Anklang von Ekstase.Hanne kriegt ein Kind! Die Märchen- Prinzessin erwartet ihre Niederkunft!" Wie ein Feuer flog Marie die Treppe hinab. Die Back- fische liefen kreischend auf dem Hof zusammen, die Frauen niurmelten einander draußen auf dem Holzwerk zu, hinauf, hinab. Nicht, daß das an und für sich etwas Neues gewesen wäre: aber hier war es ja Hanne selbst, die Unbefleckte, die zu beschmutzen noch keine Zunge gewagt hatte. Auch jetzt wagte man sich kaum damit hervor, so überraschend kam es. Sie hatten gewissermaßen mit ihr in ihren Schwärmen ge- lebt und mit ihr auf das Märchen gewartet: von klein auf war sie ausersehen gewesen, das Unfaßliche zu tragen, und nun sollte sie nur ein.Kind bekommen! Es war wirklich im ersten Augenblick wie ein Wunder, so überraschend kam es ihnen allen! Marie kam wieder herauf, schleppend und mit einem Aus- druck von Entsetzen und Staunen. Unten im Hofe gingen die kleinen rotznäsigen Göhren herum und trällerten, während sie Hand in Hand um den Rost der Kloake trabten, um den man so herrlich rund herum gehen konnte:Bro bro drille fein, Hanne tiecht ein Tindlcin tein!" Sie konnten noch nicht einmal ordentlich sprechen. Aber da war esGrete mit dem Kinde", das verrückte Frauenzimmer, das das Kellerfenster aufriß, sich auf den Rücken hinauslegte, mit ihrer Puppe auf dem Arm und durch den Hof hinausschrie, so daß es gellte:Tie Märchenprin- zessin kriegt'n Kind und Pelle ist Vater dazu!" Pelle beugte sich über seine Arbeit und schwieg. Er war glücklicherweise nicht der verkleidete Königssohn hier! Aber er zankte sich nicht mit Frauenzimmern. Hannes Mutter kam in die Galerie hinausgestürmt.Das sind unverschämte Lügen!" rief sie.Pelles Name soll nicht dahinein gezogen werden. Das andere mag sein, wie es will!" Oben über ihrein Kopf kam der Leichcnwagcnkutscher herausgeschwankt.Da hat sich die Prinzessin ja'nen Balken in'n Leid gerannt," brummte er in seinem gutmütigen Baß. Ein Jammer bloß, daß ich niÄ Hebamme geworden bin. Man hat das verkehrte Ende zu fassen gekriegt." Scher Tu Dich in Deine Höhle und Halts Maul, Du Leichenräuber," antwortete Frau Johnsen fauchend.In alles mußt Du Deine Schnapsstimme hineinmischen." Er stand da oben in seinem Halbrausch über das Geländer gelehnt und plapperte neckend hinunter, ohne sich an Frau Johnsens Schelten zu kehren. Aber dann riß die kleine Marie ein Fenster auf und kam ihr zu Hilfe, und oben auf die Plattform kam Ferdinands Mutter hinaus!Wieviel Schinken hast Du den letzten Monat gekauft? Hol Du Deine Bärenschinkcn raus und zeig uns die. Er schlachtet bei jeder Leiche einen Bären, der Trunkenbold." Von allen Seiten fielen sie über ihn her. Er konnte nicht dagegen an und be- gnügtc sich damit, Augen und Mund aufzureißen undBäh!"-