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und dem chaotischen Wirrwarr tauchten jekt Linien auf, ein wäre Europa ohne mich!" und er gedachte feines Schlagers, gemeinsames Bewußtsein sammelte sich auf dem Boden und des Königs von Preußen, und seiner Schwäche und schüttelte den ward zur Nichtung. Auf eine wunderliche Weise hatten sich Stopf. Tausende beruhigt und schritten mun langsam und bedächtig auffahrt den Wagen der Großfürstin Helena Pawlowna mit dem Als er nach dem Palais zurüdfehrte, sah er an der Saltyfotovor, unter dem Gedanken des Zusammenschlusses. Für einen, Bataien in der roten Livree auf dem Bock. der weniger scharf hörte, konnte es den Eindrud erwecken, als wenn nichts vor sich gehe- als hätten sie sich wieder bei ihrem Schicksal beruhigt; aber Pelle wußte, was sich da regte. Er hatte selbst die Schulter dagegen gestemmt und war im geheimen bei dem Ganzen mit dabei.
Glücklich nahm er Ellens verdoppelte Liebe hin und alles, was' er unternahm, galt ihr und dem Rinde.
Aber in ihm hallten die Fußtritte wider und ließen sich nicht zum Schweigen bringen; sie waren tiefer eingedrungen, als er selbst kommen konnte. Es war, als sei plöglich ein Lautdämpfer weggenommen, er mochte es wollen oder nicht, er hörte jeden Schritt der Wanderung da draußen. Die schlechten Zeiten veranlaßten sie, sich still zu bewegen, aber im Berborgenen arbeitete es. Die neuen Ideen waren im Begriff, ihnen geläufig zu werden, das Blatt drängte sich mit ihnen in die Familien ein, sie ertönten von den Rednertribünen des Volkes und bei den Mahlzeiten auf den Arbeitspläten. Die Ansteckung drang über Treppengänge und ging von Zür zu Tür. Organisationen, die gebildet und mehrmals auseinandergegangen waren, wurden von neuem gebildet und diesmal, um zu bestehen. Die Arbeitgeber bekämpften sie, konnten sie aber nicht niederschlagen; es war wie ein inneres Gefeß in der Masse, wonach fie sich lagern mußte. ( Fortjeyung folgt.)
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( Nachdruck verboten.)
As et in dieser Nacht in sein Schlafzimmer zurüdgekehrt war, und sich auf seinem schmalen, harten Feldbett ausgestreckt hatte, konnte er unter dem Soldatenmantel, der ihm als Bettdede diente, und den er selbst für mindestens so berühmt hielt wie den berühm ten Hut Napoleons , lange Zeit feinen Schlaf finden. Er stellte sich bald das halb scheue und halb verzüdte Gefichtchen dieses jungen Mädchens, bald die üppigen Schultern seiner ständigen Geliebten, der Nelidowa, vor und verglich beide miteinander. Der Gedanke, daß die Ausschweifungen eines verheirateten Mannes aller Sittlich feit ins Gesicht schlugen, lag ihm himmelweit fern, und er wäre im höchstem Maße erstaunt gewesen, wenn ihm jemand deshalb ein Wort des Tadels gejagt hätte. Trotzdem er nun fejt davon überBengt war, daß niemand an seiner Handlungsweise etwas aussehen konnte, hatte er doch einen etwas bitteren Nachgeschmad davon, und um diesen loszuwerden, bediente er sich eines Mittels, das ihn stets ganz außerordentlich beruhigte: er begann darüber nachzubenten, was für ein großer Mann er doch im Grunde genommen sei. Obwohl er erit jehr spät eingeschlafen war, stand er doch be. reits in der achten Stunde auf, machte seine gewohnte Toilette, rieb den großen, feisten Körper mit Eis ab und verrichtete seine Morgengebete in der von Kindheit auf gewohnten Zusammenstellung: zu erst das Gebet an die Muttergottes, dann das Glaubensbekenntnis und hierauf das Vaterunser- ohne sich im übrigen bei den Worten, bie feine Lippen murmelten, auch nur das geringste za denten. Nach dem er sich so für den Tag vorbereitet hatte, verließ er durch den Kleinen Ausgang das Palais und begab jich nach dem Newaquai, um seinen gewohnten Morgenspaziergang zu machen. Auf dem Quai war ihm ein junger Hörer der Rechtsschule, in Uniform und Hut, begegnet ein Mensch von der gleichen Riesengestalt wie er selbst. Als Zar Nikolaus die Uniform des Instituts erblickte, die er wegen der unter den Schülern herrschenden freien Gesinnung gar nicht leiden mochte, runzelte er unzufrieden Die Stirn. Aber die stattliche Erscheinung des Rechtsschülers, scine stramme Saltung und das streng vorschriftsmäßige Vorstrecken des Gbogens beim Honneur besänftigten seine Unzufriedenheit ein weng.
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Wie heißt du?" fragte er den jungen Riesen. Bolonjatow, Ew. Majestät."
„ Bist ein strammer Bursche!"
Helena Pawlowna war für ihn die Verkörperung jener hohlföpfigen, überflüssigen Leute, die nicht nur über Wissenschaft und Dichtkunst, sondern auch über die Kunst des Regierens grübelten und fannen und sich einbildeten, sich selbst besser regieren zu fönnen, als er, Nikolaus sie regierte. Er wußte, daß dieje Leute, so sehr er sich auch bemühte, sie unterzududen, doch immer und immer wieder an die Oberfläche emportauchten. Er gedachte seines jüngst ber= willens und der Niedergeschlagenheit übertam ihn. Er machte ein storbenen Bruders Michail Pawlowitsch, und ein Gefühl des Unfiniteres Gesicht und begann wieder das erste, beste Wort vor sich hinzuflüstern. Er hörte erit auf zu flüstern, als er das Palais längst betreten hatte. In seinem Schlafgemady glättete er vor dem Spiegel Badenbart, Scheitel und Schläfenhaar, drehte seine Schnurrbartspißen nach und begab sich darauf in das Kabinett, in dem er die Vorträge der Minister entgegenzunehmen pflegte.
Der Kriegsminister wurde zuerst von ihm empfangen. Tschernyichem sah sogleich am Gesichte und vor allem an den Augen des Baren, daß dieser heute ganz besonders mißlaunig war. Er wußte von den gestrigen Erlebnissen des Kaisers und errict daher auch sogleich der Grund der schlechten Stimmung. Der Kaiser begrüßte Tschernyschen kühl, forderte ihn auf, sich zu sehen, und richtete seine leblojen Augen auf ihn. Die erste Angelegenheit, die Tschernyschew vorbrachte, war eine umfangreiche Unterschlagung, die von einigen Intendanturbeamten begangen worden war; dann kam eine Dislozierung der an der preußischen Grenge liegenden Truppenteile zur Sprache, worauf noch eine Anzahl von nachträglichen Neujahrsgratififationen für solche Leute, die in der ersten Liste übergangen worden waren, zur Genehmigung gelangte. Die nächste Sache mar der Bericht Woronzows über die Ankunft Chadschi Murats in Tiflis , und zu allerlegt kam dann noch die unangenehme Affäre eines Studenten der medizinischen Akademie zur Sprache, der ein Attentat auf einen Professor verübt hatte.
Schweigend, mit zusammengepreßten Lippen, die große, weiße Hand mit dem einen Goldreif am Ringfinger über die vor ihm liegenden Papierblätter hinführend, hörte Nikolaus den Bericht über die spitbübiſchen Intendanturbeamten an, ohne auch nur einen Blick von der Stirn und dem Scheitel Tschernyschews zu ver
wenden
Nikolaus war fest davon überzeugt, daß alle Welt in Rußland tehle. Er wußte, daß er diese Intendanturbeamten bestrafen mußte, daß sie alle miteinander als gemeine Soldaten in irgendein Regiment einzustellen feien, aber er wußte auch, daß dies ihre Nachfolger durchaus nicht davon abhalten würde, gleichfalls zu stehlen. Es war eben einmal die Eigenart der Beamten, zu stehlen, wie es feine Pflicht war, fie dafür zu bestrafen, und so sehr er dessen auch schon überdrüjjig war, so erfüllte er doch diese seine Pflicht mit ruhigem Gewissen.
„ Es gibt eben bei uns in Rußland nur einen einzigen ehrlichen Menschen," sagte er.
Tichernyschew verstand sogleich, daß er mit diesem einzigen ehrlichen Menschen" sich selbst meinte, und lächelte beijällig. " So ist's, Ew. Kaiserliche Majestät," sagte er.
Gib her, ich will meine Resolution daneben schreiben," sprach Nikolaus, nahm das Aftenstück und legte es lints neben sich auf den Tisch. Hierauf hiels Tschernhjchel über die Gratifikationen und die Berlegung der Truppen Vortrag.
Nikolaus jah die Liste der vom Minister für die Gratifikationen borgeschlagenen Personen durch, strich einige Namen darin und verfügte dann kurz und resolut die Verlegung zweier Divisionen an die preußische Grenze. Er fonnte es dem Könige von Preußen nicht verzeihen, daß er nach dem Jahre 48 seinem Lande eine Konjtitution verliehen hatte, und hielt es troß aller Freundschaftsversicherungen, die er in seinen Briefen an diesen seinen Schwager zum Ausdruck brachte, doch für geraten, auf jeden Fall an der preußischen Grenge die nötige Truppenzahl zusammen zu haben. Dieje Truppen konnten unter Umständen auch Berwendung finden, falls etwa in Preußen cin Vollsaufruhr- Ritolaus wittterte überall den Aufruhr stattfinden sollte; seine Krieger würden dann den Thron des Schwagers ebenso beschüßen, wie sie seinerzeit den österreichischen Kaiser gegen die Ungarn beschützt hatten. Auch waren diese verstärkten Truppenfontingente vonnöten, um seinen Beres Gewicht zu verleihen.
Der Schüler stand mit der Hand am Hute da, ohne fich zu verwandtschaftlichen Ratschlägen beim Könige von Preußen grörühren. Der Staifer trat auf ihn zu.
Willst du Offizier werden?"
" Zu Befehl- nein, Em. Majestät."
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„ Tölpel!" jagte Nikolaus und wandte sich ab. Während er weiterging, sprach er das erste beste, Wort, das ihm auf die Lippen tam, laut vor sich hin Kopperwein, Kopperwein," wiederholte er mehrmals es war der Name des Mädchens, das er gestern fennengelernt hatte. Zu dumm, zu dumm," sagte er dann weiter, ohne über den Sinn der Worte, die er mechanisch hervorstich, nachzudenken. Ja, was wäte Rußland ohne mich!" fuhr er in seinem Selbstgespräch fort und fühlte, daß in seiner Seele wieder jenes unzufriedene Empfinden aufstieg. Jo, was wäre Rußland , was
"
Ja, wie stände es wohl jeht mit Rußland , wenn ich nicht wäre!" dachte er wiederum.
Nun, was gibt es noch weiter?" jagte er dann.
Aus dem Kaukasus ist ein Aurier angekommen," begann Tichernyschem und erstattete jeinen Bericht darüber, was Woronzow über Chadschi- Murat und seinen Uebertritt zu den Russen gemel det hatte. Sich da!" sprach Nikolaus ,, das ist ja ein ganz hübscher Anfang!" " Der Kriegsplan, den Ew. Majestät entworfen haben, beginnt seine Früchte zu zeitigen," sagte Zichernyschew.
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