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Diefes Lob feiner strategischen Fähigkeiten war Nitolaus ganz besonders angenehm, obschon er im Grunde seiner Seele fühlte, daß fie gar nicht vorhanden waren. Ee legte nun einmal Wert darauf, auch als großer Statege zu gelten, und wollte das ihm ge­spendete Lob recht ausgiebig genießem

Wie denkst du eigentlich über meinen Plan?" fragte er den Minister.

Ich denke, daß der Kaukasus   längst unterworfen wäre, wenn man den Plan Ew. Majestät, allmählich, wenn auch langsam, bor­zudringen, indem man die Wälder niederschlägt und dem Feinde die Möglichkeit der Verproviantierung benimmt, schon früher zur Ausführung gebracht hätte. Daß Chadschi- Murat sich ergeben hat, führe ich nur darauf zurück. Er ist zu der Einsicht gelangt, daß er sich nicht länger halten fann."

Ganz richtig," sagte Nikolaus.

Als im Anfang des 18. Jahrhunderts die Naturforschung be gann, die geologischen und paläontologischen Erscheinungen Europas  wissenschaftlich aufzunehmen, erschien es selbstverständlich, zunächst nach den Zeugnissen jener gewaltigen Katastrophe zu suchen, die nach den übereinstimmenden Eagen der Kulturvölker und der Auto­rität des hebräischen Berichts die älteste Periode der menschlichen Entwickelung von der vergleichsweise modernen Zeit trennen sollte. Die Alte Welt erzählte sich von gewaltigen Wasserfluten, die Berg und Tal übergossen und die alte Menschheit vernichteten, ein Unter­gang, aus dem sich nur wenige, die Ahnen des heutigen Menschen. geschlechts, zu retten vermochten; die altgermanische Sage berich tete, daß aus dem schmelzenden Eise das Leben der neuen Zeit sich erhoben habe. Die große Flut", das Diluvium, schien in verständ­licher Weise jene längst beachteten Reste in Stein verwandelter Organismen, welche die Gebirge überall bergen, und die wunder­bare Mischung von Land- und Meertieren zu erklären, die in den geologischen Schichten der Talgehänge ebenso wie auf der Höhe der Berge gefunden worden waren. Das sind die Anfänge der wissen­schaftlichen Geologie und Paläontologie, auf welche die Jektzeit ztvar mit Lächeln zurüdzubliden liebt, in der aber schon Probleme angeregt und Antworten darauf gesucht wurden mit einer wissens schaftlichen Energie, wie eine solche für die betreffenden Fragen die Wissenschaft erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wieder­gewonnen hat. Vor allem gilt das für das Problem vom dilu­vialen Menschen".

Der Plan, mur allmählich, unter Ausrodung der Wälder und Abschneidung der Zufuhr, in das Gebiet des Feindes einzudringen, stammte tatsächlich von den Generalen Jermolow   und Weljami­now, und er stand zu dem Kriegsplane des Zarer in schroffem Gegenjak, der vielmehr darauf abzielte, Schamyls Residenz durch einen großen Coup in russische Gewalt zu bringen und dieses Räubernest zu zerstören. Nach diesem Plane des Zaren war auch die im Jahre 1845 ausgerüstete Expedition gegen Dargo unter nommen worden, die so viele Menschenleben gekostet hatte. Gleich wohl schrieb Zar Nikolaus auch jenen andern Plan, das Land in Jangsamem Vordringen, unter ällmählicher Niederlegung der Wäl­War der Mensch wirklich, wie die Mythen übereinstimmend der und Aushungerung der Bevölkerung, zu erobern, sich selbst zu. Man hätte meinen sollen, daß, wenn er diese lettere Art des Bor- berichten, Zeuge des Diluviums, ein Begriff, unter dem damals gehens zu der seinigen machte, er unbedingt wünschen mußte, fein noch die gesamte geologische Urzeit zusammengefaßt wurde, so lebhaftes Gintreten für die auf einem ganz entgegengejekten Ge- mußten sich, ebenso wie die Reste so zahlreicher anderer animaler danken beruhende Expedition von 1845 vergessen zu machen. Er Wesen, auch die feinigen in den Erdschichten verborgen und er= Tegte hierauf jedoch nicht den geringsten Wert, sondern war aufhalten noch auffinden lassen. Da brachte der gelehrte Schweizer  beide Pläne, die nach seiner Meinung ihr persönlich zum Urheber Naturforscher Scheuchzer im dritten Jahrzehnt des 18. Jahr­hatten, in gleicher Weise stolz, obschon sie beide miteinander in hunderts in seinen unter Leitung von Johann Andreas Pfeffel   in schroffem Widerspruch standen. Die beständige, der Tatsachen ins Augsburg   von ausgezeichneten Künstlern mit mustergültigen Geficht schlagende, grobe Schmeichelei, deren sich seine Umgebung Supferstichen illustrierten Folianten der Physica sacra" unter ihm gegenüber befleißigte, hatte ihn so weit gebracht, daß er die anderen vortrefflichen Abbildungen paläontologischer Objekte auch Widersprüche in seinem Handeln nicht mehr sah, daß er nicht merite, die geradezu klassische Darstellung einer Platte aus den an Ver­wie seine Worten und Taten aller Logit und alles gesunden steinerungen reichen Deninger Schieferbrüchen, auf der er die Menschenverstandes spotteten, und fest davon überzeugt war, daß Knochen eines menschlichen Kindes zu erkennen glaubte. Der alle seine Anordnungen, so unvernünftig, ungerecht und unlogisch Mensch, der Zeuge des Diluviums gewesen, schien gefunden, und sie auch sein mochten, einzig dadurch, daß sie von ihm ausgingen, im Geschmad jener Zeit der später vielbelachte Vers: über der näheren Beschreibung seiner vermeintlichen Reite steht vernünftig, gerecht und logisch wurden. Betrübtes Bein- Gerüst von einem alten Sünder, Erweiche Stein und Herz der neuen Boßheits- kinder." Gewährte nicht lange, so stieß man auch anderwärts unter den Knochen vorsintflutlicher Tiere auf Menschenknochen. Der Pfarrer J. F. Esper hatte in den Knochenhöhlen der Fränkischen Schweiz, die feit alter Zeit zur Gewinnung von versteinertem Elfenbein, webur fossile", dienten, als welches die Knochen vorweltlicher Tiere ein vielgesuchtes und teures Arzneimittel darstellten, bei der wissen­schaftlichen Ausbeutung derfelben zweifellose Menschenknochen ge­funden. Seine Beschreibung der Fundgeschichte vom Jahre 1774

Das trat auch jetzt wieder bei seiner Entscheidung in Sachen jenes Studenten der medizinisch- chirurgischer Akademie zutage, über deffen Affäre ihm Tichernhschen nach seinem Bericht über die taukasischen Angelegenheiten Vortrag hielt.

( Fortschung folgt.)

Die frage nach dem diluvialen it so einfach und natürlich, daß wir an der Genauigkeit seiner

Menfchen.")

Mitteilung nicht zweifeln dürfen. An einer vollkommen unver­sehrten Stelle, geschützt von einem Steinvorsprung der Höhlen­wand, fand er in demselben Lehm mit Knochen des Höhlenbären und anderer diluvialer Tiere einen Unterfiefer und ein Schulter= Soweit uns die Geschichte in die Vorzeit zurüdbliden läßt und in den alten Kulturländern Aegypten   und Babylonien   reichen blatt des Menschen; später fam auch ein ziemlich wohlerhaltener die historischen Dokumente bis in das fünfte, ja jechite Jahrtausend heute vollkommen brauchbare Abbildungen der von ihm entdeckten Menschenschädel zutage. Esper argumentiert in seinem durch noch vor unserer Zeitrechnung finden wir sichere Anzeichen dafür, diluvialen Höhlentiere gezierten Werte Ausführliche Nachricht von daß damals schon die gleichen Unterschiede zwischen den verschiede­nen Völkern und Rassen bestanden haben, wie sie uns heute ent- neuentdeckten Zoolithen" ganz im Sinne der modernen Wissenschaft: gegentreten. Es sprach sich das Selbstgefühl der herrschenden Kul- der Mensch, dessen Reste mit denen der diluvialen Säugetiere in turrassen in einer Geringschäßung und Berachtung der Barbaren dem Höhlenschlamm begraben wurden, muß auch mit diesen Tieren in ältester Zeit faum weniger scharf aus als in unseren Tagen, gelebt haben, er war jonach ein Zeuge der großen Flut". und wenigstens aus dem vierten Jahrtausend vor uns stammen Aber schon hatten sich für die Beurteilung seines Fundes die schon plastische Abbildungen und graphische Darstellungen auf den allgemeinen wissenschaftlichen Anschauungen und Verhältnisse un­Wänden ägyptischer Denkmäler, die uns mit einer gewissen Treue günstig gestaltet. Cuvier  , der Begründer der modernen, auf und Realistik des Vortrags die Körper- und namentlich die Gesichts- bergleichende Anatomie aufgebauten Paläontologie, dem seine Zeit verhältnisse verschiedener Stämme zeigen, mit denen die Aegypter mit Begeisterung nachrühmte, er berjtehe es, aus einem einzigen in Beziehung traten. Ein flassischer Zeuge, G. Fritsch, hat mit Knochen das wahre Bild eines vorweltlichen Tieres mit Haut und voller Bestimmtheit diese Uebereinstimmung der ältesten ägyptischen Haar" wieder zu ergänzen, erfannic zwar die wissenschaftliche Nich­Porträtdarstellungen mit den heutigen in und um Aegypten   leben- tigkeit der sonstigen Esperschen Funde achtungsvoll an, aber für den Menschentypen erst neuerdings wieder hervorgehoben. Das den diluvialen Menschen war in seinem Weitsystent fein Raum. persische Weltreich herrschte über Böller aller Hautfarben und Seine Katastrophentheorie, die bis gegen die Mitte des 19. Jahr­führte auch Stämme schwarzer Haut, die Aethiopen aus Südindien hunderts die allgemeine Anerkennung der Wissenschaft bejas. und Nordafrika  , gegen die jugendfrische Geisteskultur Griechenlands   bajierte auf der Annahme gewaltiger Erdrevolutionen, ins Feld. Um den Urmenschen, aus dessen Bariierung die welche die organischen Schöpfungen der je vorausgehenden geologi­verschiedenen Typen der heutigen Menschheit hervorgegangen find, ichen Periode vollkommen vernichtet haben sollten. Durch Neu­zu finden, müssen wir viel weiter in ältere geologische Epochen schöpfung von Organismen habe sich dann nach jeder der­zurüdgeben, gegen deren nur nach Lichtzeit zu mejende Aeonen artigen Revolution die Erde neu bevölkert. Man hatte es an der die wenigen Jahrtausende, deren Anfänge das Dämmerlicht der Hand der Bergleichung der vorweltlichen Organismen schon ge­ältesten Historie erleuchtet, nur als eine verschwindend turze Zeit- lernt, die geologische Vorzeit in verschiedene zeitlich aufeinander spanne erscheinen. folgende Epochen zu scheiden, die man Schöpfungsepochen zu nennen pflegte, da sich eine jede durch die in ihr lebenden besonderen Or­ganismen scharf von der anderen trennen lassen sollte. Die beiden jüngsten geologischen Epochen sind Alluvium und Diluvium. Der Epoche des Alluviums, in der die Menschheit gegenwärtig lebt, geht die Epoche des Diluviums voraus, aber nach Cubiers Ansicht von der jüngsten Epoche, dem Alluvium, durch eine jener vernich tenden Umwälzungen der Erdoberfläche getrennt, die es undenkbar

*) Durch das Entgegenkommen des Bibliographischen Instituts in Leipzig   find wir in der Lage, unsere Lejer mit einem inter­essanten Abschnitt aus Prof. Dr. Joh. Rantes neubearbeiteter Anthropologie Der Mensch bekannt zu machen, die durch das Erscheinen des zweiten Bandes demnächst in dritter Auflage voll­ständig wird,