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erscheinen ließe, daß fie ein lebendes Wesen überdauern follte. Idem Lichte neuer Erfahrungen in jener Epoche der ganze ento Wie Erdschichten Europas , die dem Diluvium, in dieser damals päische Kontinent, ja wohl die ganze Erde, von Eis zu starren. neuen Definition Cuviers, angehörten, charakterisiert werden durch An die Stelle der großen Flut" und als unmittelbare Ursache der die Knochen des Mammut- Elefanten, des Nashorns und des Fluß- zweifellos auf Wirkungen mächtiger Wassermassen hindeutenden pferdes, des Löwen , der Hyäne und des telossalen Höhlenbären, Erscheinungen des geschichtlichen Diluviums war die Annahme der so sollten die Menschenknochen die Leitfossilien" sein für die Eiszeit getreten, die zunächst als allgemeiner Schüttelfrost der neuesten, dem Alluvium angehörenden Erdschichten. Erst nach dem Erde " aufgefaßt wurde, der auf die Fieberhibe eines vorausgehenAussterben der großen diluvilen Dickhäuter, so lautete das Dogma, den allgemein wärmeren Klimas in der Tertiärepoche gefolgt wäre. ist der Mensch in Europa aufgetreten. Und wie lächerlich hatte sich Das einstige Paradies der europäischen Urmenschen erschien in eine des guten Scheuchzer angeblicher Fund des Homo diluvii testis, froststarrende Eis- und Schneewüste verwandelt. d. h. des Menschen als Zeugen der Sintflut, entlarvt: Cuvier ertannte ir. ihm die Knochenreite eines etwa 1 Meter langen Wassermolches, der an Größe und Gestalt dem japanischen Riesenjalamander ähnlich ist. Man lachte. Und nichts bringt sicherer und dauernder eine Meinung zum Stehen und bald zum Rückgang und Verschwinden als der Fluch des Lächerlichen.
An Espers Entdeckungen, an die sich noch eine Reihe ähnlicher aus anderen Höhlengegenden anschlossen, konnte an sich nicht gezweifelt werden; aber waren sie für die Anwesenheit des Menschen in Europa während des Diluviums denn wirklich beweisend? Es wurde die Parole ausgegeben, daß es troß Espers gegenteiliger Angaben ein Grab aus späterer Zeit gewesen sei, in dem alle jene Gebeine lagen, und noch in neuester Zeit hat Boyd Dawkins diese Meinung wiederholt. Das Suchen nach dem diluvialen Menschen hörte auf, die" Anthropolithen", nach denen man früher so eifrig geforscht hatte, wurden, wenn sie sich gelegentlich fanden, als zweifellos jünger nicht nur nicht beachtet, sondern meist als wertlos beseitigt. Die Herrschaft der Cuvierschen Meinungen war eine absolute. Um für den diluvialen Menschen in dem naturwissenschaftlichen System wieder Platz zu schaffen, mußte erst dieser dogmatische Bann, der die Forscher so lange gefesselt hielt, gebrochen werden.
Die neueste Zeit ist von so extremen Ansichten wieder zurückgekommen. Die gewaltigen Eisbedeckungen, von denen man den Begriff der Eiszeit abgeleitet hatte, erscheinen uns jetzt nicht mehr als ein gleichzeitig und allgemein über die Erde verbreitetes, son= dern als ein überall lokal beschränktes und in der nördlichen und südlichen Erdhemisphäre vielleicht zu verschiedenen Zeiten aufgetretenes Phänomen. Damit werden uns auch die Verhältnisse des Menschen während der Eiszeit verständlicher.
Kleines feuilleton.
Aus dem Pflanzenleben.
Die Sinne der Pflanzen. Daß Pflanzen sehen, fühlen und schmecken und auch ein elementares Richtungsempfinden haben, erscheint dem Biologen Coupin, der hierüber in La Revue"( Paris ) berichtet, unzweifelhaft. Natürlich sollen diese Eigenschaften: Sehen, Fühlen, Empfinden usw. nicht in menschlichem Sinne auf gefaßt werden; man spricht davon ohne diese Uebertragung auch Es war vor allen der große englische Geologe Sir Charles bei der niederen Ordnung tierischen Lebens. Das Sehvermögen hell, der eine Wandlung der allgemeinen Anschauungen von eines Insekts ist von ganz anderer Art, als das eines Menschen; dem Wesen der Schöpfungsepochen anbahnte und durchsetzte. Er noch geringer natürlich ist das Sehvermögen einer Pflanze. Was kam zu der Ueberzeugung, daß, wenn nur eine genügend lange der Gelehrte meint, ist dies: Pflanzen reagieren auf die sie um Zeit gegeben sei, dieselben umändernden Einflüsse, die heute lang- gebenden Anreizungen und unterscheiden sogar zwischen diesen, so sam und in ihrem Einzeleffekt kaum merklich, aber unaufhaltsam daß man bei ihnen auf ein gewisses Empfindungsvermögen die Erdoberfläche umgestalten, hinreichen würden, um die Ver- schließen kann das Wort im weitesten Sinne gebraucht. änderungen der Erde und ihrer Bewohner in den vorausgehenden geologischen Epochen im wesentlichen zu erklären, wozu Cuvier und nach ihm der gesamten zünftigen Wissenschaft die Annahme plößlich hereingebrochener gigantischer Erdrevolutionen notwendig erschienen war. Im langsamen Uebergang, im Laufe einer fast unendlich erscheinenden Zeit haben sich nach und nach und allmählich bie Umwandlungen bollzogen, deren Größe Zeugnis ablegt nicht von der Gewalt unbekannter, plötzlich wirkender Kräfte, sondern von der Länge der Zeit, während welcher die uns bekannten, nur scheinbar fleinen und ohnmächtigen Ursachen tätig waren. Ganz wie einst Cuvier , so herrscht gegenwärtig hell in den Anschauungen der Zeit, und man pflegt dabei zu vergessen, daß die Katastrophentheorie doch nicht so lange zur Befriedigung der besten Forscher und Denker zur schematischen Erklärung der geologischen Tatsachen hätte verwendet werden können, wenn sie sich nicht doch auch auf eine Summe sicherer Tatsachen hätte stüßen können. Auch hier Liegt die Wahrheit zwischen den Extremen der Theorie.
Durch den Sieg Lhells war der Theorie Darwin& Bahn gebrochen. Der präzise Ausdruck, den Darwin selbst in seinem epochemachenden Werke seiner Lehre gegeben hat, lautet:" Ich bin vollkommen überzeugt, daß die Arten( Spezies) nicht unveränderlich sind, daß die zu einem sogenannten Genus zusammengehörigen Arten in einer Linie von anderen, gewöhnlich erloschenen Arten abstammen in der nämlichen Weise, wie die anerkannten Barietäten einer Art Abkömmlinge dieser Art sind." Wenn aber die Ahnen der jetzt lebenden Arten( Spezies) als gemeinsame, das Genus repräsentierende Stammformen auf der Erde in früheren geologischen Epochen gelebt haben, muß sich da nicht auch für das Genus Mensch, das jetzt in so verschiedenartige Varietäten zerfällt, die gemeinsame Stammform, der Urmensch, in den Erdschichten früherer Weltalter nachweisen lassen? So lautet die neuerdings wieder aufgeworfene Frage nach dem Urmenschen: Nun erinnerte man sich wieder, daß schon lange Funde von Menschenknochen und sogar von rohen, doch zweifellos vom Menschen herrührenden Artefakten signalisiert worden waren, aus denen man auf eine Gleichzeitigkeit des Menschen mit den wichtig sten diluvialen Tieren schließen durfte. Bald gelang es der wissenschaftlichen Forschung, mit aller Bestimmtheit zu beweifen, daß der Mensch wirklich schon in der der jebigen geologischen Epoche, dem Alluvium, vorausgehenden Diluvialepoche trob des Cuvierschen Dogmas gleichzeitig mit den großen diluvialen Dickhäutern und ihren Genossen in Europa gelebt habe.
Am höchsten entwickelt in diesem Sinn ist wohl das Gesicht der Pflanzen; es ist ja bekannt, daß Pflanzen unter den schwierigsten Verhältnissen immer das Streben zeigen, ihre Blätter dem Licht zuzuwenden. Dieselbe Sensibilität dem Licht gegenüber haben die Wurzeln, jedoch mit dem Unterschied, daß sie das Licht meiden. Es gibt da ein verblüffendes Beispiel für den Einfluß des Lichts auf die mikroskopische Alge, die zahlreich im Wasser vorhanden ist und die Macht der Bewegung hat. Wenn etwas von dem grünlichen Wasser, des in Sümpfen steht, in eine durch Lampenruß äußerlich geschwärzte Glasröhre getan wird, auf die man ein Wort schreibt, derart, daß der Lampenruß, die Linien der Schriftzeichen vers folgend, ausgefragt wird, so wird man folgende Wahrnehmung machen: das Licht fällt durch die Buchstaben in die Glasröhre, die Alge wird sich an diesen Stellen sammeln, und wenn man die Möhre nach ein- bis zweitägigem Stehen in der Sonne von dem übrigen Lampenruß reinigt, so wird das Wort durch grüne Algen geschrieben auf dem Glas erscheinen.
Start entwidelt ist auch das Gefühl der Pflanzen. Es gibt solche, die bei der leisesten Berührung ihre Blättchen zufammen. schließen. In neuerer Zeit hat man die empfindungsfähigen Pflanzen eingehend studiert und dabei ein fein verzweigtes Gewebe von Zellen entdeckt, die miteinander durch winzige Uebergänge aufs wunderbarste verbunden und zusammengefügt find, wie ein Neß von Nerven, das jeden fühlbaren Eindrud der übrigen Pflanze übermittelt. Das Blatt der„ Venusfliegenfalle" schließt sich beispiels weise sofort, wenn ein Injekt sich plötzlich darauf niederläßt und fängt somit den Eindringling. Es ist jedoch festgestellt, daß die Bewegung nur dann entsteht, wenn eins der drei feinen Härchen im Innern des Blattes berührt wird. Man tann also mit Recht sagen, daß die Pflanze fühlende Organe befibt, genau so, wie sie sich in der Epidermis der meisten Tiere befinden.
Was den Geschmad betrifft, so besteht nach Coupin fein Zweife! darüber, daß er bei den niederen Pflanzenarten, wie der Alge, existiert. Wenn man beispielsweise dem Wasser, in dem sie leben, andersartige Teile beifügt, so werden nur einige davon von der Alge aufgenommen. Es zeigt sich, daß sie die Fähigkeit befibt, Gerüche wahrzunehmen und zu wählen, was bei den höher fultivierten Gewächsen schwerer festzustellen ist. Man kann auch die Beobachtung machen, daß, sobald man auf das Blatt einer fleischfressenden Pflanze( 3. B. Sonnentau) ein Insekt ſezt oder ein Stüdchen Fleisch legt, die ühlfäden, mit denen es bedeckt ist, diese Dinge erfassen, während sie gegenüber nicht nahrhaften Stoffen völlig bewegungslos bleiben.
Schließlich kann man neben diesen Eigenschaften noch von einem besonderen Richtungssinn sprechen. Man bringe eine verti tale Wurzel in horizontale Lage und sie wir alsbald ihre äußersten Spigen dem Mittelpunkt der Erde zuneigen. Tut man das gleiche mit einem Stengel, so wird er sich in entgegengesetter Richtung dirigieren, gegen den Zenith. Die Physiologen nennen diese Erscheinung Geotropismus. Dieser Sinn ist hochentwickelt in der Pflanzenwelt und die Gewächse reagieren auf empfindliche Anreizungen mit unfehlbarer Sicherheit.
Aber wie sehr hatte sich inzwischen in den Anschauungen der Wissenschaft der Begriff des Cuvierschen Diluviums verändert! Wenn es einst aus der Anwesenheit von Tierformen, die heute nur noch in tropischen Gegenden gefunden werden, wie Elefant, Löwe usiv., festgestellt scheinen konnte, daß in der Diluvial- oder Quartärepoche, wie man sie in der Reihe der vier großen geologischen Weltzeitalter nennt, Europa ein warmes, ja tropisches Klima besessen habe, so daß man sich den europäischen Urmenschen in einem Paradiefe unter Palmen wandelnd denten durfte, schien nun in Berantwortl. Redakteur: Albert Wachs, Berlin . Druk u. Berlag: VorwärtsBuchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.
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