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sich in Marsch gefeht, als auch die Tschetschenzen erschienen und| Starnberger See umfam, und in Otto I , der immer noch in einem Winkel des einsamen Schloffes Fürstenried als lebender König hin fie mit ihren Schüssen zu beunruhigen begannen.

Sobald die Kolonne das offene Feld erreichte, zogen die Berg - dämmert, ist gewiß nicht allein durch ihr monarchisches Amt, auch bewohner sich zurück. Butler hatte feinen einzigen Verwundeten nicht durch bayerisches Parteiwesen, preußische Macht- und Kriegs­und kehrte in der besten und heitersten Gemütsverfassung heim. politit, auch nicht durch Richard Bagner und liberale Minister­Als die Kolonne jetzt, auf dem Rückmarsch, die Furt des Flusses intrigen hinreichend zu erklären. Ebenso wenig, wie aus solchen passiert hatte, die sie bereits am Morgen durchwatet hatte, und Umständen erklärt werden kann, daß Ludwig II. an Verrücktheit nun in langem Zuge über die Maisfelder und Wiesen marschierte,( Paranoia), sein Bruder an frühzeitiger Verblödung erkrankte traten die Sängerchöre an die Spike der einzelnen Kompagnien( Dementia praecox). Auf die Erstlingsformen, auf Ablauf und und ließen laut ihre Lieder erschallen. Ei, wie schmuck und ei, wie Beschleunigung der Krankheit haben bei Ludwig II. die besonderen munter ist doch solch ein Jägersmann!" sangen Butlers Leute, und Umstände, in denen er wirkte, sicher bedeutsam eingewirkt, seine sein Pferd begann unwillkürlich nach dem flotten Taft des Liedes geistige Organisation aber war sicher von Geburt bestimmt. In einer lefenswerten Studie unternimmt es foeben der Jenaer zu marschieren. Der zottige graue Kompagniehund Tresorka lief wie ein besorgter Chef, den Schweif hoch emporhaltend, der Kom- Professor Strohmayer aus der Abstammung der beiden Wittels pagnie voraus. Immer frischer und froher ward Butler zu Mute. bacher ihr Verhängnis zu erklären.") Der Forscher geht äußerst vora Er sah das Wesen des Krieges im Spiel mit der Gefahr, mit der sichtig zu Werke. Er bindet sich nicht an die Vererbungsgesetze, die Möglichkeit des Todes, und dieses Spiel brachte ihm, wenn es glück- in der Wissenschaft heute Geltung haben, wie sehr er auch immer lich ablief, Belohnungen und die Hochachtung der hiesigen Kame- die Mendelschen Vererbungsformeln anerkennt. Er geht unbefangen raden wie der Freunde in der Heimat ein. Die andere Seite des von den Erfahrungstatsachen und einer Forschungsmethode aus, die Krieges der Tod so vieler Menschen, die Wunden der Soldaten, fich an den Ergebnissen der Pferdezucht geschult hat. Nirgends der Offiziere, der Bergbewohner tam ihm, so seltsam das schei- findet die Vererbungslehre so sicheres Material wie in den Stamms nen mag, gar nicht zum Bewußtsein. Um seine poetische Auffassung bäumen( Pedigrees) der edlen Gestüte. vom Kriege nicht zu beeinträchtigen, blickte er instinktiv niemals nach den Toten und Verwundeten hin. Auch diesmal achtete er ihrer nicht. Die Kolonne hatte drei Tote und zwölf Verwundete. Butler ging an einem der Gefallenen, der auf dem Rüden dalag, vorüber und jah nur gleichsam mit einem Aage die seltsame Haltung der wachsbleichen Hand und einen dunkelroten Fled am Kopfe, nach dem er jedoch weiter nicht hinjah. Die Bergbewohner erschienen ihm lediglich als berittene Dichigits, vor denen man auf der Hut fein mußte.

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So also geht es bei uns zu, Väterchen," sagte der Major wäh­rend einer Pause im Gesange. Nicht so wie in Ihrem Petersburg : Augen links, Augen rechts!... Na, nun haben wir unsere Arbeit getan, nun geht's nach Hause. Maschurka wird uns jezt eine gute Suppe und eine schöne Bastete dazu auftischen. Das soll ein Leben werden was? Na, nun singt mal: Als das Morgenrot er schien"!" rief er den Soldaten zu, die alsbald sein Lieblingslied anstimmten.

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Es war windstill, und die Luft war so frisch, so rein und durch sichtig, daß die Schneeberge, die wohl an die hundert Werst entfernt waren, ganz nahe zu sein schienen. Sobald die Sänger schwiegen, ließ sich der gleichmäßige Takt der Soldaten und das klirren der Waffen vernehmen, gleichsam als Hintergrund der Lieder, die der Sängerchor vortrug. Das Lied, das Butlers fünfte Kompagnie fang, war von einem Junker des Regiments zu dessen Ehren ge­dichtet; die Melodie lehnte sich an ein bekanntes Tanzmotiv an, und der Refrain lautete:" Ei, wir schmucken, ei, wir schmucken Jägers­leut, Jägersleut'!"

( Fortsetzung folgt.)

Die geistige Anormalität in alten Fürstenfamilien läßt sich weder mit dem Schlagwort Entartung" erledigen, noch durch den Fibel­begriff Juzucht" erklären. Die tatsächlichen Vorgänge find viel ver widelter. Inzucht ist nicht an sich rasseverderbend. Aber die Binnen fortpflanzung hat die Wirkung, sowohl die guten wie die schlechten Eigenschaften zu häufen. Wird die Inzucht durch Generationen ge trieben, so wächst die gefährliche Wahrscheinlichkeit, daß gleich gerichtete Gebrechen der Gepaarten verheerend wuchern. Der Ebenbürtigkeits­wahn der Dynastien leistet diesen Entartungen der Inzucht Borichub, und vielleicht wäre die Schidfalstragödie der regierenden Ebenbürtig feit noch viel graufiger, wenn nicht hier und da ein strammer Stall­necht, illegitim zwar, doch wohltätig für die Auffrischung des verpesteten Blutes gnädig gesorgt hätte.

Strohmaher geht nicht allzu tief in die Jahrhunderte der Ahnen zurück. Und doch, welche Häufung unfeliger Gestalten drängt sich schon um die verfluchte Wiege des Gefrönten: Wahnsinnige und Sonderlinge, Narren und Büteriche, Trunkenbolde und Wüstlinge weben das Geschickt ihrer Nachkommen. Syphilis, Schwindsucht, Gicht, Wassersucht vergiften den Keim des Königsgeschlechts. Nympho manen unter den Frauen, Urninge unter den männlich Geborenen ebnen die Bahn zum endlichen Zusammenbruch. Melancholie, Ber folgungs- und Größenwahn, Impotenz, moralischer Schwachfinn, delirierende Vielgeschäftigkeit weben das Netz, in dem sich die letzten Nachkommen unentrinnbar verfangen.

Die graufige Erbbürde haben Ludwig und Dito, nach der Meinung des Forschers, weniger von den väterlichen Wittelsbachern als von den mütterlichen Hohenzollern übernommen, von Marie, der Prinzessin von Preußen. Diese Frau schleppt mit sich das Ver­bängnis vielfältig und frankhaft gehäufter Inzucht. Ihre Eltern find Geschwisterkinder aus dem landgräflichen Hause Hessen- Darmstadt . Auch die mütterlichen Urgroßeltern sind Geschwisterfinder. Mit ihren Irgroßeltern väterlicherieits. Sie stammt von dem Prinzen August Wilhelm von Preußen, dem Bruder Friedrichs II.( des Großen") ab, in dem

Erbmonarchie und Pfychiatrie. Den bas traute Braunschweiger Blut in potenzierter Inzucht

Für die Erforschung der menschlichen Vererbungsgesetze gibt es gärt; August Wilhelms Mutter ist die Tochter von Geschwisterlindern, fein reicheres Material als die Geschichte der monarchiichen Familien. und sie heiratet ihren Better. Die verschlungenen Bererbungsfäden Dennoch sind gerade diese Quellen bisher nur wenig und sehr be- der Bayernkönige Ludwig und Otto laufen immer wieder auf jenen hutiam ausgeschöpft worden. Leicht erklärlich in monarchisch regierten Silhelm den Jüngeren, Herzog von Braunschweig- Lüneburg, zurüd, Ländern. Sind doch die Einzelerscheinungen in der Biologie der in dessen Lebenszeit von 1535-1592 fich das Schicksal eines großen Fürstengeschlechter ebensoviele Tatsachen zur Bekämpfung der Erb- Teils der fürstlichen Zukunftsgefchlechter Europas entschied. Wilhelm monarchie. Was die Vernunft ohne weiteres einsehen läßt, bestätigen der Jüngere endete im Wahnsinn, dessen Keim er in sieben Söhne Ans feinem Geichlecht und alle Ergebnisse forschender Erfahrung. Im Lichte der Vererbungs- und acht Töchter verpflanzt hatte. forschung wird das Gottesgnadentum zu einer Schidialstragödie feiner Art ist der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. von Gespenster Preußen, der Vater des großen" Friedrich; maßlose Wutausbrüche unheimlicher und unentrinnbarer erblicher Belastung. tausendjähriger Vergangenheit geben im Blut und Gehirn der re- wechieln mit frömmelnd menschenschener Zerknirschung. Er leidet gierenden Familien um. Die Ahnentafel wird zum Aftenarchiv an Gichtanfällen, hält pietiitiiche Predigten, will gelegentlich seine Krone niederlegen und versucht einmal, fich in seinem Rollstuhl mit psychiatrischer Merkmale. einem Strick zu erdrosseln. Mütterlicherfeits gehört Friedrich Wilhelm einer Familie von männlichen und weiblichen Säufern au; ſo iſt die Luise Juliane von Dranien im Säuferwahnsinn gestorben: Pfälzer Alkoholismus und Braunschweiger Geisteskrankheit ver ichlechtert das oranische Erbe.

Gerade auf diesem Gebiete der Forschung bat freilich äußerste Borsicht zu walten. Man darf nicht Eigenschaften auf Vererbung zurückführen, die immer aufs neue durch die besonderen Lebens­bedingungen der monarchischen Sprößlinge erworben sein können. Wo man die dunken Geheimnisse des Blutes" zu enträtseln versucht, hat man es vielleicht nur mit den zwingenden Wirkungen der staats­rechtlichen Ordnung zu tim. Im Wesen der Monarchie selbst licgen gefährliche Daseinsbedingungen nicht nur für die ihr Unterworfenen, fondern auch für ihre Träger. Sofern aber auch unzweifelhaft geistig förperliche Bererbungserscheinungen vorliegen, wo in der Tat die Summe der Ahnen das fürstliche Individuum bestimmt, muß noch be­butiam abgewogen werden, auf welche Weise die jeweiligen poli­tiichen, fozialen, gefellichaftlichen Zeitumstände die erbliche disponierte Beschaffenheit des dynastischen Familiensproffen in besonderen Meinungen, Empfindungen und Handlungen nach außen treten Lassen.

Sehen wir uns weiter in der Familie um, so finden wir Georg I. von Hannover , von dessen wunderlichem Hirnkasten" einmal seine Base, die Liselotte spricht: mißtrauisch und verschlossen bis zur Ver rüdtheit. Freilich brachten die Hannoveraner auch einen wertvollen Blustropfen in das Geschlecht der Hohenzollern , den der Eleonore ' Dibrenie, einer franzöfifchen Adligen, deren Familie tüchtige Individuen aufweist. Auf dieſen ummonarchischen französischen Ein­ichlag führt Strobmayer die geistige Bedeutung ihrer Enkelin Sophie Dorothea von Preußen und auch die Fähigkeiten Friedrichs II. von Preußen zurück.

Wir treffen ferner auf Georg II. , die Karikatur eines hohla töpfigen Bedanten, mit tollem Geiz behaftet, erblindend; fein Enkel war der geistestrante Christian VII. von Dänemait. Georgs IIL

Berücksichtigt man alle diese anderen Einwirkungen und sondert fie von der Kaufalität der Vererbung, fo bleibt immer noch ganz Bedeutsames zu erforschen, was unstreitig nur auf dem Gebiete der *) Psychiatrisch Abstammung seine Lösung finden kann. Daß die Königslinie der Wittelsbacher in zwei geistesfranken Brüdern endigt, in Ludwig II. , König Ludwig II. der bei einem Fluchtversuch oder durch Selbstmord im D. W. Strohmayer.

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genealogische Untersuchung der Abstammung Bon Professor und Otto I. von Bayerit. Verlag von J. F. Bergmann, Wiesbaden .