Kräfte in ihm zusammenflössen. Er war wie der Leithammel des Schiffes, die ganze Kraft ging mit ihm vor. Er fing an. sich zurechtzufinden als Ausdruck für etwas Größeres: er war zu etwas ausersehen. Der Pelle, der tlug und ruhig mit Meyer verhandelt und festgenagelt hatte, was er wollte, ohne auch nur ein böses Wort zu sagen, war nicht der gewöhnliche Pelle! Ein größeres Wesen arbeitete in ihm, mit mehr Verantwortung, als er selbst es ahnte! Er prüfte sich selbst, um sich dies Bewußtsein anzueignen, er fühlte, daß dort Kräfte waren. Dies Höhere stand in mystischem Zusammenhang mit so Vielem, bis ganz zurück in die früheste Kindheit konnte er «s als eine reiche Verheißung verfolgen. So viele hatten auch unwillkürlich etwas von ihm erwartet: er hatte ihnen nur verwundert gelauscht, jetzt ward es zur Prophezeiung. Er achtete genauer auf die Worte in seinem persönlichen Verhältnis, jetzt, wo ihre unbegrenzte Tragweite sich ihm ofsenbart hatte. Aber bei der Agitation waren ihm die stärksten Worte die natürlichsten, sie kamen wie ein Echo aus dem leeren Raum, der unbegrenzt hinter ihnen lag. Er be- schäftigte sich mit feiner Persönlichkeit. Alles das, was er bisher sorglos einen freien und unbeherrschten Spielraum gegeben hatte, mußte jetzt am liebsten eingefriedigt werden und einem Zweck dienen. Auch sein Verhältnis zu Ellen lprüfte er, entschuldigte sie und gab sich Mühe, ihre Ansprüche on das Glück zu verstehen. Er war sanft und gut gegen sie, über unbeugsam im wesentlichen. Wegen des Hofschuhmachers machte er sich kein Gewissen. Er hatte lange genug seine Uebcrmacht auf allen Gebieten mißbraucht: durch sein großes Geschäft hatte er die Zustände geschaffen und beherrscht, die schlechten Verhältnisse mußten auf ihn zurückgeführt werden. Es war jetzt Sommer und eine gute Zeit für die Arbeiter, und sein Geschäft ging stark gurück. Pelle sah seinen Fall voraus und fühlte sich als ge- xechter Rächer. Der jahrelange Kampf nahm seinen ganzen Sinn in An- spruch. Immer war er unterwegs, kam nach Hause gestürzt gu der Arbeit, die dalag und auf ihn wartete, schaffte sie bei- feite wie ein Wütender, und eilte wieder von dannen. Von Ellen und dem kleinen Lasse sah er in dieser Zeit nicht viel, sie lebten ihr Leben ohne ihn. Er wagte nicht, sich bei der Tatsache zu beruhigen, daß Las Zusammenhalten jetzt stark war. Beständig war er unterwegs, um noch mehr zu stützen und zu unterbauen: er wollte dem Unvorhergesehenen nicht zum Opfer fallen. Seine Unermüdlichkeit steckte die Kameraden an, sie wurden eifriger und eifriger, je mehr sich der Kampf in die Länge zog. Er wuchs für sie durch die Opfer, die er erforderte, und durch die Kraft des Widerstandes: Meyer wuchs allmählich zu einem Koloß heran, den niederzuhauen jeder feine Wohlfahrt ein- fetzen mußte. Familien gingen dabei zugrunde: aber je mehr Opfer der Kampf erforderte, um so sorgloser schienen sie drauflos zu gehen. Und sie jubelten vor Freude an dem Tage, als der Koloß fiel und einige von ihnen unter seiner Masse begrub.! lFortsetzung folgt.) < Na«dru<I v«rbolea.1 dkacllcbi-�Iurat. 23s Von Leo Tolstoi . .Wo stecken eigentlich die Burschen?" fragte Butler . Sie werden irgendwo in der Schenke sein," sagte Maria Dmitrijewna.Warum fragen Sie?" Sie sollen die Tür aufschließen: eine ganz« Schar von Berg- bewohnern hält vor dem Hause. Chadschi-Murat ist angekommen." Was für Geschichten erzählen Sie dal" sagte Maria Dmitri« jewna lächelnd. Ich scherze nicht, es ist wahr. Er hält draußen an der Treppe." Wirklich?" fragte Maria Dmitrijewna höchst erstaunt. Meinen Sie, ich würde mir das aus den Fingern saugen? Sehen Sie doch selbst nach, er steht draußen." Nun sag' einer! So was!" sagte Maria Dmitrijewna, streifte ihre Ltermel herunter und steckte die Haarnadel in dem dicken Zopfe fester. Dann will ich doch gleich Iwan Matwjejewitsch wecken. Und Du. Bondarenko," sprach sie zu dem Burschen des Majors, der soeben auf der Vildfläche erschien,schließ die Tür auf." Nun, meinetwegen mag er dastehen," sagte Maria Dmitri- jewna und mach/: sich wieder an die Arbeit. Der Major hatte schon davon gehört, daß Chadschi-Murat in Erosnaja angekommen sei. Als nun Butler ihm erzählte, daß er draußen vor dtm Hause halte, war er durchaus nicht besonders er- staun k, sondern brummte Nurjsrgerlich in Cen Bart hinein, warum ihm die Vorgesetzten diesen Satan auf den Hals schickten. Lang- sam erhob er sich von seinem Lager, drehte sich eine Zigarette zu- recht, zündete sie an und begann, während er abwechselnd sich räusperte und schimpfte, seine Toilette zu machen. Als er ange- zogen war, befahl er seinem Burschen, ihm die Medizin zu reichen. Ter Bursche wußte, daß er unter der Medizin den Branntwein verstand und reichte ihm die Flasche. Nichts ist schlimmer, als wenn man alles durcheinander trinkt," brummte er, nachdem er ein großes GlaS Branntwein her» unlergetrnnken und ein Stück Schwarzbrot nachgegessen hatte.Da Hab' ich nun gestern diesen Rotwein versucht, und nun tut mir der Kopf weh.... Na, jetzt bin ick fertig," sagte er und begab sich nach dem Wohnzimmer, wohin Butler inzwischen Chadschi-Murat und den ihn begleitenden Offizier geführt hatte. Der Offizier, der mit Chadschi-Murat gekommen war, über- brachte dem Major den Befehl des Oberstkommandierenden deS linken Flügels, Chadschi-Murat bei sich unterzubringen und ihm den Verkehr mit den Bergbewohnern durch Sendboten zu ge- statten, ihn jedoch nie anders als unter einer Kosakenbedeckung aus der Festung herauszulassen. Iwan Matwjejewitsch las die ihm übergebene Order, sah Chadschi Mnrat durchdringend an und vertiefte sich dann wieder in die Lektüre des Schriftstückes. Nachdem er in dieser Weise seine Augen mehrmals zwischen dem Schriftstück und Chadschi-Murat hatte hin und her wandern lassen, ließ er sie schließlich auf seinem Gaste ruhen und sagte:Jakschi, bek, jakschi. Er kann hier bleiben. Segen Sie ihm, daß ich Order habe, ihn nicht hinauszulassen. Und solch eine Order ist ein Heiligtum. Was seine Unterbringung an- langt ja, was meinst Du, Butler : vielleicht richten wir ihm die Kanzlei ein?" Noch hatte Butler keine Zeit zur Antwort gefunden, als Maria Dmitrijewna, die ans der Küche herbeigekommen war und in der offenen Tür stand, sich zum Major wandte:Warum denn? Er kann doch hier bleiben. Wir richten ihm das«Gastzimmer und die kleine Kammer ein. Dann hat man ihn wenigstens unter den Augen," sagte sie und warf dabei einen Blick aus Chadschi-Murat- sah jedoch sogleich wieder fort, als sie seinen Augen begegnete. Ich meine, daß Maria Dmitrijewna recht hat.'' sagte Butler . Nun, nun, geh schon, das sind hier keine Weibergeschäste," versetzte Iwan Matwjejewitsch stirnrunzelnd. Während dieser ganzen Unterhaltung hatte Chadschi-Murat» die Hand auf dem Dolchgriff und ein feines, spöttisches Lächeln um den Mund, dagesessen. Er sagte, es sei ihm ganz gleichgüllig- wo man ihn unterbringe. Es komme ihm nur darauf an, mit den Bergbewohnern in Beziehungen zu treten, was ihm der Sardar erlaubt habe. Er wünsche daher, daß man ihnen den Zutritt zu ihm nicht verwehre. Der Major sagte, den, stehe nichts entgegen- und bat Butler , den Gast so lange zu Unterbalten, bis das Frübstück aufgetragen würde und die Zimmer für Chadschi-Murat in Ord- nung wären. Er selbst müsse nach der Kanzlei, um seinen Bericht zu machen und die nötigen Anordnungen zu treffen. Chadschi-MuratS Verhältnis zu seinen neuen Bekannten nahm von vornherein einen ganz bestimmten Charakter am Gegen Iwan Matwjejewitsch hegte er vom ersten Augenblick an eine auSge- sprochene A-bneigung und Geringschätzung und behandelte ihn von oben herab. An Maria Dmitrijewna, die ihm das Essen bereitete und auftrug, fand er einen ganz besonderen Gefallen,. Ihr ein» fache S Wesen, der eigene Reiz ihrer ihm fremdartigen Schönheit und das Gegengefühl, das ihr offenkundiges Interesse für ihn in ihm hervorrief, machten ihm ihre Erscheinung überaus angenehm. Er bemühte sich, sie nicht anzusehen und nicht mit ihr zu sprechen- unwillkürlich jedoch wandten sich seine Augen ihr zu und verfolgte» jede ihrer Bewegungen. Zu Butler trat er sogleich votn Beginn ihrer gegenseitigen Bekanntschaft an in sehr freundschaftliche Beziehungen. Er unten- hielt sich gern mit ihm, fragte ihn über seine Vergangenheit ans. erzählte ihm mancherlei von seiner eigenen Person, teilte ihm mit- was die bei ihm erscheinenden Landslente von dem Schicksal seiner Familie berichteten, und fiagte ihn sogar um Rat, was er tun solle. Die Nachrichten, die ihm die Sendboten aus dem Gebirge brachten- waren nicht die besten. Zweimal erhielt er während der ersten vierzehn Tage, die er in der Festung verbrachte. Besuch von drüben- und beide Male war es schlimme Kunde, die sie ihm zutrugen, 19. Chadschi-MuratS Familie war bald, nachdem er selbst sich zn den Russen begeben hatte, nach SchamylS Residenz gebracht worden- wo sie unter strenger Bewachung gehalten wurde, bis der Jmam ihr Schicksal entschieden hätte. Die Frauen die alte Mutter Patimat und die beiden Gattinnen Ehadschi-Murais wohnten samt der» vier jüngeren Kindern unter strenger Aufficht in dem Hanse des Untcranführers Jbrahim-Raschid, während Chadschi-Murats acht- zehnjähriger Sohn Jussuf im Kerker saß. Dieser Kerker bestand aus einem mehrere Ellen tiefen dunklen Loche, in dem Jussuf mit sieben Verbrechern, die gleich ihm der Entscheidung ihres Schicksals harrten, festgehalten wurde. Die Entscheidung über das Schicksal der Gefangenen verzögerte sich darum, weil Sckmmyl abwesend war. Er war«ruf einem Kriegs- zuge gegen die Russen begriffen. Am 6. Januar 1852 kehrte Schamyl nach einem Zusammenstoß mit den Russen zurück, bei dem er nach der Meinung der Russe»