»Mensch, liege nich!... Wat liegste denn fortwährend?! Dutust am besten, wenn de de! Maul janich uffmachst! Denn Du liegstdoch bloß! So'n Liegneri"«Aber nein!"„Jawoll!... Schnauze! sag' ick! Schnauze!.., Mit Dirmutz man deitsch reden! Du dastehst et sonst nich!... Also 82und 207 lassen Dir sagen, se wer'n Dir morsen früh uff'n Hofbei'n.Rundloof" jreifen un vor alle Uffseher dcrartich vamebeln,det De Dir heite schon in't Lazarett vormelden lassen kannst, var-ftehste!...„Schnauzenschulze" will Dir übrichtens noch'n Ohrabreißen, dett De jezeichnet bist sor't janze Leben, varstehste! detseder Dir kennt, un det De nich nochmal eenen vamasseln kannst.varstehste. Du! varstehste!"Er hatte den Kleinen dabei dreimal nachdrücklich mit seinemharten Knöchel gegen den Kopf gestoßen, so daß der jedesmal einEndchen von ihm wegflog.„Wenn De wenichsten bei de Wahrheet bliebtest!" fuhr Bumkedann fort.„Du! nu sage mal, wat hat Dir denn der„Faule" daforjejeben, det De ihm die bceden Schentlemänner vapfiffen hast, wat?... Tu willst et nich sagen?... na, denn nich!... Denn nehmick'n„Pfund" an!... Und det Pfund, det sind zwanzich Merker!Det hast Du abzuarbeeten, varstehste!... Det vadienst Du ab,un wat Du davon an„Schicrig" koofst, det jehcert Plinse'n unKarl'n!... Ick wer' se't rejelmäßig ieberbringen!... Freitag,so wie det de Zukost ausjejeben is, bin ick bei Dir! denn liefersteab, varstehste!... Wat De jedesmal bestellen sollst, det bestimmeick ebensofalls!... Du wirst Da hier iebahaupt in jede Weisenitzlich machen?... Wenn eener Kostschmälerung hat, vastehste!oder Kostentziehung, denn trittste an und jibbst'n Sticke Brot ab!... Jeden Dach, solange, bis den Mann seine Strafe alle is!...Du kommst ooch mit Mee Kanten aus, varstehste!... Wenn eener'n Denunzjantc is, der braucht nich so ville zu fressen!... var-stehste?"Mut besaß der Kleine nicht. Aber er hatte mit der Zeit wohlseine Frechheit wiedergewonnen. Er suchte an dem Kalfaktor vor-beizurommen und die Klingel zu erreichen, die nach der Aufseher-zelle herabging. Aber ein schlimmer Hieb der roten, hartknochigenTatze, die einem ehemaligen Stauer gehörte, warf den Schwächlingin die Zelle zurück, gegen das aus Eisengurten geflochtene Bett-gestell, das an der Wand hochgeklappt war.„So. nu kannste mir ja ooch vadibbern! Du!" sagte Bumkeohne jede Gemütsbewegung,„aber det merke Dir, Du, wenn ickheite hochjehe und flieje in Kasten, denn hast Du hier keene ruhijeStunde nich mehr! Denn kriechste erschtens Deine Keile, dennder andere Kalfaktor hat ooch'n Schlissel, jrade sg gut wie icke!Un den finden die Affen ooch nich! Un wenn s'n finden, wird'nandrer jemacht, dafor haben wa Schloffer hier in't„Z"I...varstehste?... Aber et is noch lange nich allens, wat Dir bliehtl... Wenn de baden jehst, denn is det Wasser so heiß, det de Pelleabjeht!... un rin mußte, sonst wirste anjezeicht von den Bade-ialfaktor un fliegst rin!... Bei't Essen wirste jeden Dach'ne andreJeberraschung finden: mal haste Sand drin oder ooch'ne kleencMaus— oder ooch vasalzen, det de es nich essen kannst! Un dennspuckt der Kalaktor ooch mal rin bei Dir, wejen de Abwechslung,varstehste!...Ach ja. Du kannst et hier jut haben. Du brauchst bloß den Uff-seher een Wvcht sagen, det ick drin war bei Dir, varstehste!...jlooben tut er't nebenbei doch nich?... also, wat willste?...wirste Dir fiejen un den Schierig an die beeden Kollejen abjeben,die de unschuldijer Weise in't Unjlick jestirzt hast, wah?"Der kleine Zigarrenmacher schwieg still; er wußte sich keinenRat; und wenn auch seine feige, hinterhältige Natur in der Zu.kunft nach Auswegen suchte, vorläufig, das sah er ein, mußte erklein beigeben.„Nu setz' da mal vor all'n Dingen wieder hin un arbeete!"ermahnte Bumke,„sonst kommt der Affe un find't Dir nich an D»schsitzen und denn kriechste jleich Deine Bawarnung!.,. Du wahstwoll noch nich ofte hier?...Na ja, also, denn mach' man. wat ick da' sage, varstehste! Ickbin hier Staoimgast uw kenn de Jebräuche?... Ohne mir wer'nse janich fertig!... Un wenn ick mal'n halbet Jemmchen draußenbin, denn Weeg der Uffseher Munter vor lauter Angst nich, wat ermachen soll!... Det is iebahaupt'n Dussel!... Den mutztebloß immer nach de Oogen kieken, wenn er bei Dich rinkommt, var-stehste!... Denn looft er jleich wieder raus!... Ebenso mit'nOberaufseherl... Aber den kuckste nach de Stiebe! l varstehste!Det kann er nich leiden, der is soja schon patalogisch!... Aberdet vastehste nich. det geheert in de Piffjatrie!... Wohinjejenmit den Direkter, mit den Mann kannste'n Ton reden, wenn erbei Dir rinkommt! Der schreibt'n Buch über uns! Wird ooch'nscheener Klamauk sind!... Aber wenn de den azehlst. Dein Vaterwar Saifer un Deine Mutter hat ooch jerne een' jenomm, dennbist'n Objekt vor ihm, denn studiert er Dir un denn kannste untaUmstände Krankenkost kriejen, varstehste?...Ja. Du. det mach' man!.... von det Futter, wat de dakrichst, haste natierlich an Schnauzenschulze und Karin ooch watabzujeben!... Bloß mit'n Paster seh' Dir vor!... Der Mannis sonst'ne Seele von Mensch, un nischt iS leichter, wie den zuvaäppeln...Aber dir! Dir wird er woll uff de Riebe haben!... Mitsonne Sachen, wo Du jemacht hast, da sagt er, kann'n eenagraulich mit machen!...Ja, ja, Mensch, varstehste?... Du bist'n Vabrecher!...Det is nich bloß so aus Not oder weil'n ander mehr hat. wieDu!... Nee, mit Dir is de Sache janz anders varstehste!.,,Dir vaachtet soja de Chawruffe!...Du weest doch, wat det is... Det is die janze ausjetrageneJenossenschaft, wo sich mit fremde Sachen befaßt, ob se nu offenliegen oder hinter Schloß und Riegel!...Du!... Det merk Dir man, Du?... Wat, Du weenst?"'Der alte Zuchthäusler, der mehr Jahre seines Lebens hinterden Gittern wie draußen in der Freiheit verbracht, hatte dochAchtung vor der Reue, die über die schmalen Wangen des verkomme»neu Jungen tropfte; er schüttelte den haarlosen Kopf:„Det häitste Dir frieher überlejen sollen... Du, varstehste!Anderthalb Jahre haste, wat? Na, Mensch, die sitzte doch aus:eene Backe ab!... Da brauchfte doch nich weenen, Du!"Der Jüngere hob leicht den Kops zur Seite.Aber Bumke hatte daS Geräusch«er sich leise nähernden Auf«seherschritte auch vernommen.„Bild' da man nischt in. Du!" grinste er,„noch nich!!" unvwar draußen, die Tür lautlos ins Schloß ziehend...Dann putzte er draußen herum; der Zigarrenmacher hörte ihnmit dem vorbeigehenden Aufseher reden...Die ohne Vaterland«Im November 1908 sah ich Hermann Bang. Es war inKöln. Er sollte in der literarischen Gesellschaft lesen. Ich hattewiederholt über ihn geschrieben. Sein Werk in seiner tiefen, Schicksal-umschleierten Melancholie übte solch? Anziehung auf mich aus. Nunbesuchte ich ihn. Klein, zart, mit großen, vor Einsamkeit müden undtraurigen Augen saß er vor mir. Seine Stinnne war singend weich.leicht umslort. Wir sprachen vom künstlerischen Schassen, und erwarnte mich vor den Gefahren der Subjektivität, vor dem Allzu-wichtignchmen des Individuums.„Als ich die„HoffnungslosenGeschlechter" schrieb," erzählte er,„sprach ich nur von mir. Ich ver-wandte lebende Modelle. Kopenhagen geriet darob in Entrüstung.- Später habe ich eingesehen, daß das Individuum gar nicht so wichtig'ist. Ich habe die Zähne zusammengebissen, mich vor mir selberabgewandt und das Leben und seine stummen, tiefen Tragödien zufassen versucht. Erst viel später, nachdem ich das Leben gesehen, mitihm um sein Geheimnis gerungen, durfte ich im„weißen" und„grauen Hause", in„Michael" und in den„Vaterlandslosen" wiedervon mir sprechen, in einem tieferen, schicksalsvolleren Sinne."— Ichsah den Zusammenhang dieser Bücher, wie ich ihn aus der langenBeschäftigung mit ihnen schon herausgefühlt hatte. Das Buch vomweißen Hause, in dem er der zarten Gestalt seiner Mutter ein Denk-mal errichtete, das doch auch soviel von ihm erzählt. Das graueHaus des vornebmen, aber verbrauchten väterlichen Geschlechts vordem Zusammenbruch. Er sprach bittere Worte über Popularität undBerühmtheit und über die Hetzpeitsche des Ruhmes, die ihn immerwieder auftrieb, trotzdem er wohl am liebsten ruhen, tief ruhenmochte. Ich dachte an das Wort von„Leben und Tod", über dieNutzlosigkeit aller Philosophie!„Ein Bauernburfch hat mehr Per-gnügen von feinen gesunden Gliedern." Und ich sah den MalerZoret vor mir aus„Michael", dem die Kunst das Leben verbaut hat.der am Ende geehrt, aber einsam, mit leeren Händen, liebeSarrnvor dem Leben steht. Scheinleben, Surrogat, Beschwichtigung derSehnsucht nur die Kunst!— Und Bang sprach von seinem letztenRoman:„Die ohne Baterland", der damals noch nicht übersetzt war.Es schien etwas wie eine letzte Rechnungslegung vor dem Leber»für ihn zu sein; die Bilanz eines Einsamen, der nie eine Heimatim Leben gefunden hat. Man denkt an den Bang, der durch dieWelt hetzte und auf einer kleinen amerikanischen Station starb; derein Leben zwischen reisenden Komödianten und Künstlern in inter»nationaler, buntgewürfelter Gesellschaft verbrachte; der eine Rolleschauspielerte, die nicht seine wahren Züge trug; der vielleicht nur imSpiel leben konnte und durfte— vor sich und anderen.— Nun derDichter heimgegangen, erscheint dieses Buch in deutscher Ausgabe(Berlin, S. Fischer). Man sieht tiefer unter die Maske eines Eni-wurzelten, der ein König des Schmerzes war. Man sieht einen, derfremd in Leben und Heimat war und sehnsüchtig und glücklos daSLied seiner Schmerzen spielte. Man sieht in letzte Beweggründeeiner Künstlersrele, die vor eines ihrer Werke die Worte setzte:»Ichhabe den Menschen von meinen Schmcrzen gegeben, das hat sie ge-rührt— für mich war es nichts, ich Hab mein Herz dabei ver«schwendet, ohne zu empfangen, ohne froh zu sein."—In der Donau, von keiner Karte verzeichnet, liegt die Insel derVerfluchten. Sie ist, auf der Grenzschneide Ungarns und derBalkanländer gelegen, keiner Natwnalimt zugeteilt; ein Zufluchts-ort für die Verlorenen. Hier hat seit alters das Geschlecht derllhijazis seinen Stammfitz. Alte-serbische Sagen knüpfen sich m»dieses Stück Erde, auf dem keine Frau leben soll. Der letzte Uhijaziihat sich eine Dänin geholt. Aber sie siecht dah,n und läßt den kleinenJoan auf diesem unfreundlichen Jnselbodcn zurück. Das Gefühl derHeimatlosigkeit wird zum bestimmenden Faktor im Dasein deSKnaben. Ueberall ist er der Baterlandslose, ausgestoßen oder be-mitleidet. Seine einzige Heimat ist die Kunst, die sehnsüchtigen