Cm Sumpfvolk in Innerafrika. Der Forschungsreisende Graf Erik Von Rosen, der Leiter der schwedischen Rhodcsia-Kongo-Expcdition, hat an der schmalen Halb- rnsel des Bangweulwsees, die sich Von der Mündung des Luapula Aach den südlich Vom See gelegenen riefigen Papyrussümpfen er- streckt, ein Sumpfvolk entdeckt, das bisher nur von einigen Weißen gesehen worden war und dessen Existenz sogar vielfach bezweifelt wurde. Nur wenige dieser Sumpfbewohner vom Batuastamm haben ihre Hütten auf dem trockenen Boden der Halbinsel aufgeschlagen; die meisten wohnen in jenen nahezu 10000 Kilometer weiten Papyrus­sümpfen, hinter deren großen Stauden sie sich beim Herannahen von Fremden völlig unsichtbar machen. Rosen hatte erfahren, daß er die Batuas niemals zu Gesicht bekommen würde, wenn er nicht waffenlos zu ihnen käme. Den wenigen Weißen, die sich bisher dem Sumpf genähert, waren sie niemals feindselig entgegengetreten; aber Schwarze, von denen sie sich beleidigt glaubten, hatten ihr Leben meist mit einem Fischspieß zwischen den Schultern beschließen müssen. Rosen beschloß daher, mit seinem Expeditionsgenossen Dr. Fries und wenigen Eingeborenen sich den Ansiedlungen der Butuas zu nähern. Er schildert in einem interessanten Rrisebrief, den die ..Umschau" veröffentlicht, wie es ihm gelang, das Sumpfvolk auf- zustöbern und mit ihm in enge Berührung zu treten. Bald erblickten die Reisenden einige kleine Grashütten im Sumpfe, aber kein Bewohner war zu sehen; sie hatten sich im undurch- 'dringlichen Rohr und Schilf versteckt. Große Schnüre verlockender weißer Glasperlen in den Händen, schritt Rosen auf die Hütten zu, aber niemand zeigte sich und der Versuch, näher heranzukommen, wurde durch den brodelnden Morast verhindert. Nach halbstündigem vergeblichem Schwenken mit den Perlenketten kommt endlich ein langes schmales Kanoe heran, das ein schwarzbrauner Junge mit einem langen groben Papyrusrohr geschickt durch das sumpfige Wasser steuert. Durch den unendlichen Sumpf mit seinen hohen Stauden und den prächtigen in allen erdenklichen Farben schimmern- den Seerosen naht so aus schlankem, lautlos durch das Schilf gleitendem Boot der erste Abgesandte eines bisher unbekannten Volkes. Als er herangekommen war, erhielt er eine Handvoll Glas- perlen und gab dafür auf Verlangen seinen großen schöngeformten Bogen, der vollständig mit Schlangenhaut umwickelt war. Er fuhr dann wieder ab, kehrte aber, nachdem noch eine Anzahl Perlen- schnüre als Geschenk bei den Hütten der scheuen Bewohner auf- gehängt waren, zurück und nahm den Grafen in sein Kanoe, einen schmalen ausgehöhlten Baumstamm, in dem man nur stehen und sehr mühsam das Gleichgewicht halten konnte. Die Insel der Batuas, an der das Boot nun landete, besteht ausschließlich aus Sumpf, der durch aufgelegte Schilf- und Grasbündel fester gemacht war; bei jedem Schritt schaukelte der Boden, Wasser und Morast stiegen bis über die Knöchel. Die Hütten, die hier zu- fammen gedrängt waren, sind bienenkorbartig, von etwa zwei Meter Höhe und Durchmesser, die Türöffnung kaum 80 Zentimeter groß. Männer und Frauen hocken vor ihnen, auf Schilfunterlagcn, um einigermaßen trocken zu sitzen. Die Kinder krabbeln wie große häßliche Frösche direkt im Sumpf herum. Es gelang Rosen ziem- lich rasch, mit seinen Wirten nähere Bekanntschaft zu schließen, und er konnte nun einen ausgedehnten Hausfleiß im Morast beobachten. In den Hütten lagen über eine Unterschicht von zu- 'sammengebundcnen gcfpaltenen Rohrstäbchen, die das Eindringen der Feuchtigkeit verhinderten, hübsch geflochtene GraSmatten. Ton- töpfe, Löffel und Näpfe aus Muschelschalen, Schildkröten und Kür- bissen bildeten das wichtigste Gerät. An den Wänden hingen mit Schlangenhaut geschmückte Bogen und Dolche; die Pfeile waren vergiftet und mit nadelscharfen Widerhaken verschen. Allerlei mit Hautstrcifen, Holzstückchcn usw. geschmückte Leckwe- und Sitatunga- hörner dienten als Jagdfetische. Die großen und kräftig gebauten Männer arbeiteten fleißig; einer ritzte auf die haarlose Seite eines Leckwefelles verwickelte, außerordentlich schöne Ornamente ein, die an orientalische Arbeiten «rinnern. Die Frauen trugen solche reich ornamentierten Felle als Mäntel; die Männer waren nur mit Schurzfellen aus Leo- 'parden- und Tigerkatzen fcll bekleidet, während die jungen Knaben zumeist nackt gingen. Mit Flußpferd- und Fischharpunen sowie mit langen Wurfspießen töten die BatuaS das Wild und führen 'gegen die im Sumpf lebenden Riesenschlangen Kämpfe auf Leben und Tod; sie verstehen es, wie viele andere wilde Völker, das Wasser im Sumpfe zu vergiften, so daß die Fische betäubt werden und an die Oberfläche kommen. Bei einem solchen Fischfang wurden 'in dreiviertel Stunden 11g Fifche erbeutet. Die Sumpfleute sprechen einen Chibisadialekt;«in charakteristisches Merkmal, um dessentwillen die umwohnenden Babisaneger sie verspotten, ist ihre Jhciscre Baßstimme . Sie können außerordentlich lange unter Wasser 'schwimmen, selbst da, wo man glauben möchte, daß Sumpf- und Wasserpflanzen alles Weiterkommen unmöglich machen. Auf dem schaukelnden Sumpfboden führen sie zum eintönigen Gebrumm Hoher schmaler Holztrommel» merkwürdige Tänze auf; sie verstehen auch, auf einem Instrument mit Saiten aus gedrehtem Gras zu spielen, worin man wohl die Urform aller Saitenmusik erblicken darf. Trotzdem sie in einem so feuchten, von Moskitos erfüllten Milieu leben, leiden sie doch selten an Sumpffieber und besitzen ein eigenartiges Mittel gegen Malaria. Es wird an der Schläfe ein Schlitz gemacht und unmittelbar darüber ein Verantwortl. Redakteur: Albert W«>chs, Berlin. Druck u. Verlag: kurzes Antilopenhorn mit durchbohrter Spitze gesetzt, an der dann ein Kamerad saugt. Das kleine Loch wird schnell mit einem pcch- artigen Stoff verschlossen; nun sitzt das Horn fest an der Schläfe des Patienten und wirkt wie ein gewöhnlicher Schröpfkopf. Graf Rosen, der bald täglich in den Dörfern der Sumpfleute seine Be- suche machte, wurde von ihnen in der freundlichsten und gefälligsten 'Weise in seinen Forschungen unterstützt. So ist es ihm gelungen, vollständige Sammlungen ihrer Erzeugnisse anzulegen, und ihr tägliches Leben, ihre Jagd- und Fischmcthoden, ihre Tänze in Photographien festzuhalten, so daß man nun zum ersten Male ein anschauliches Bild von der Kultur dieses Sumpfvolkes emp- 'fangen wird. kleines feuilleton. Sprachwissenschaftliches. Sankt Nimmerstag. Ein Tag. der in keinem Kalender steht, ist der Nimmerleinstag, Nimmermehrstag, Rimmerlstag oder St. Nimmerstag. An diesem interessanten Termin werden die Dummen gescheit, werden gewisse Schulden bezahlt usw. Dieser weh- mütig-schöne Tag, den alle Völker zu kennen scheinen, wird durch allerlei schöne Redensarten umschrieben. So sagt man in der Provence : Das oder jenes wird geschehen.in der Woche mit den vier Donnerstagen", in der Romagna aber verweist man aufdaS Jahr mit den beiden Karnevals", das leider niemals kommen wird. In England sagt man spöttisch: Wenn zwei Sonntage aufeinander fallen, trifft das oder jenes ein I Der Preuße meint: Am Zweiunddreißigsten I Unser Landvolk deutet das Niemals" an durch die Wendungen: Wenn es schwarzen Schnee gibt Wenn die Schnecken bellen Wenn die Schaben ins Salz kommen Wenn Karfreitag auf den Gründonnerstag fällt Wenn die Katzen Ganseier legen Wenn die Hennen vor sich scharren Wenn es Salz regnet, usw. Die wunderbaren Regen spielen hier überhaupt eine gewisse Rolle.Wenn es Rosinen und Feigen regnet..." lautet auch die neapolitanische Umschreibung für den St. Nimmerstag, und ein Thüringer Reck- verschen heißt:Wenn's Bratwürste regnet und Kirschkuchen schneit, dann werden die Jenaischen Mädel gescheit!" Unter den Nimmerleinsworten gibt es allerdings hier und da auch eines, das bereits veraltet und von der Welt überholt worden ist. So klingt zum Beispiel im Zeitalter der künstlichen Eisbahnen die Redensartzu Pfingsten auf dem Eis" gar nicht mehr so hoffnungslos. An Nimmermebrslvendungen hat eS übrigens auch den Alten nicht gekehlt. Die Römer liebten zum Beispiel den Aus- druck:Ad graoeas calendcs",Zu den griechischen Kalenden", weil es ja keine griechischen Kalenden gab. Auch machte man zu ähnlichem Zweck eine Anleihe bei der Astronomie. Anno maxnc» LIatonis, im Großen, Platonischen Jahr so tröstete man sich spöttisch wird dies oder jenes geschehen. Wenn das auch nicht gerade bedeutete: ES wird n i e geschehen! so war eS doch da das Platonische Jahr der Astronomen eine Periode von etwa 26 000 gewöhnlichen Jabren umfaßt ein etwaS fragwürdiger Trost stir menschliche Eintagsfliegen. Astronomisches. Der Brennpunkt der Astronomie. Nächst der Witterungskunde ist keine Wissenschaft so sehr auf eine internationale Verständigung ihrer Vertreter angewiesen, wie die HimmelSknnde. DieS Bedürfnis ist mit der Zeit immer mehr anerkannt worden, und eS gibt jetzt bereits eine größere Anzahl internationaler Ver- einigungen, die sich zur Förderung umfassender astronomischer For« schungcn dauernd zusammengetau haben. Vor allem aber hat sich die Himmclskunde schon vor längerer Zeit einen Mittelpunkt ge­schaffen, in dem sich alle Nachrichten von wichtigen Entdeckungen und einzelnen Beobachtungen sammeln, um möglichst schnell zur Kenntnis der Fachgenossen gebracht zu werden. Dieser Brennpunkt der astro- nomischen Forschung ist die im Jahre 1882 begründete Zentralstelle in Kiel . Wenn ein neuer Komet, ein neuer Planet entdeckt oder das Aufstrahlen eines neuen Fixsterns beobachtet worden ist, vollzieht der beteiligte Astronom in seinem eigenen Interesse und in dem der Wissenschaft zuerst die Pflicht, nach Kiel ein Telegramm zu senden, worin er das Ereignis nntteilt, und von dort wird die Nachricht dann sofort an alle Sternwarten weitergegeben. Als diese Ein- richtung im Jahre 1882 zuerst getroffen wurde, bestanden in Kiel bereits dieAstronomischen Nachrichten", die als die bedeutendste Zeitschrift ihres Fachs galten. Es wurde nun vereinbart, daß die Leitung dieser Zeilschrist alsZentralstelle für astronomische Telegramme" dienen sollte. Bei dieser Abmachung waren sämtliche europäischen Sternwarten nebst der von Taschkent im russischen Zentralasien und der von Algier beteiligt. Jetzt steht die Zentralstelle außerdem noch in besonderer Beziehung zu sechs Sternwarten in anderen Erdteilen. die gewissermaßen als Hilfsstellen tätig sind, indem sie ihrerseits wieder Beobachtungen aus den umgebenden Gebieten eim'ammcln. Diese Sternwarien sind die der Harvard-Universität in Cambridge bei Boston für Nordamerika , in Rio de Janeiro sür Südamerika . die Kapstcrnwarte sür Südafrika , die Sternioarte in Madras für Indien , die Sternwarte in Hongkong für Ostasien und die von Melbourne für Australien. _ vorwärtSBuchdruckerei».Verla gSanjtalt Paul SingerLEo.,BerunL',v.