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an dem mit grauem, furzgeschnittenem Haar bedeckten Kopf des Beugen, die fich beim Sprechen ein wenig bewegten. Der Mann sprach mit leiser, kaum hörbarer Stimme, so daß der Vorsitzende, esp der auf die Trauer des Schwarzgekleideten Rücksicht nahm, ihn freundlich ermahnte, etwas deutlicher zu sein.

Hatten Sie Verdacht auf das Mädchen, Herr Schwarz?" " Verdacht?... Nein. Das heißt, wie der Herr Kriminal­beamte das Gift fand, da natürlich!"

Und Sie haben gehört, daß die Angeklagte Ihrer Frau gegen­über schwere Drohungen ausgestoßen hat?"

In diesem Augenblick warf das in der Anklagebant stehende Mädchen den Kopf auf, wie ein Tier, das die Gefahr wittert. Der Zeuge antwortete sehr leise.

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" Lauter!" sagte der Richter, die Herren Geschworenen wollen uns auch verstehen! Sie haben also gehört, wie die Angeklagte fagte:" Das tränk' ich Ihnen ein, Frau Schwarz!: Sie sollen an mich denken!" und Ihnen wird Ihr Kaffee bald nicht mehr so gut schmecken nicht wahr?... so steht's wenigstens hier in den

Aften!"

"

Die Angeklagte hatte sich, die Hände auf die braune Holzbank gestüßt, etwas vorgebeugt. Ein ungläubig hilfloser Ausdrud lag auf ihrem geröteten Gesicht, sie lauschte.

Der Beuge hatte zu Anfang seiner Aussage rasch nach ihr hin­gesehen, jest sprach er fließend mit gedämpfter Stimme. Er er­zählte, wie ihm die ja meistens nur stumme Gegnerschaft des Mäd­chens schon immer Angst gemacht hätte. Aber er habe ihren Drohungen tein so großes Gewicht beigelegt. Seine Frau sei auch oft schlechter Laune und jähzornig gewesen.

Sie widersprechen sich da in etwas," meinte der Präsident, einmal fagen Sie, Sie hätten schon immer für Ihre Frau ge­fürchtet, und dann wieder, Sie hätten den Drohungen der Ange­flagten fein Gewicht beigelegt, wie ist das nun? Die Aeuße­rungen haben sie jedenfalls doch bestimmt gehört?"

" Ja," sagte der Zeuge, das Mädchen hat meine Frau bedroht!" " Nun, wir werden ja auch noch eine andere Zeugin darüber hören, die unverehelichte Neumann, die befunden wird, die An­geklagte habe gesagt: man müßte der Alten Rattengift in den Kaffee machen!"

" Das hat er gefagt!"

Das Paradoxe

( Nachdruck berboten.

und das Wunderbare.

Bon Prof. Ernst Mach .

Die Körper unferer Umgebung find nicht nur sichtbar, sondern auch greifbar und in der Regel auch unsern übrigen Sinnen wahr nehmbar. Wir fühlen sie beim Betasten heiß, warm, fühl oder talt; wir hören sie, wenn wir daran stoßen oder klopfen, und zu weilen zeigen sie noch einen gewiffen Geruch oder Geschmack. Biele dieser Körper sind starr, d. h. von unveränderlicher oder wenigstens schwer veränderlicher Form und Größe, andere wieder weich und biegsam. Die meisten fönnen von einem Ort zum andern bewegt werden. Wir finden sie dort, wo wir sie gelassen haben, mit allen ihren Eigenschaften wieder vor. Dieser Inbegriff der Körper mit ihren bekannten aneinander gebundenen Eigenschaften macht unsere gewohnte, behagliche Umwelt aus, die wir kennen, nach der wir uns einrichten, in der wir uns zurechtfinden. Ihre Kenntnis macht das Leben nicht nur bequem, sondern überhaupt erst möglich. Wäre unsere Umwelt jeden Augenblick eine andere, so könnten wir sie weder tennen lernen, noch benußen, noch in irgendeiner Weise mit ihr vertraut werden. Die Beständigkeit der Umwelt bedingt auch unsere leibliche und geistige Beständigkeit. Eine bedeutende Aende rung in unserer Umwelt, z. B. nur ein Wärmegrad, der alles Wasser dauernd zu Eis machen, oder alles Wasser in Dampf ver wandeln würde, das Fehlen oder die starke Verminderung des Sauerstoffs in der Luft, ein großes Uebergewicht der Kohlensäure in der Atmosphäre usw., würde auch unsere Beständigkeit in Frage stellen bezw. aufheben. Kleinere Schwankungen der Umgebung, etwa den Wechsel von Sommer und Winter, lernen wir durch unser Verhalten ausgleichen; wir lernen die Umwelt in einem weitern Spielraum kennen und beherrschen durch Vergleichung auch geistig die Bedingungen des Wechsels.

Für uns Menschen ist nicht nur ein gewisser Grad von Bestän digkeit notwendig, sondern auch ein Grad von Veränderung förderlich. Ein Knabe, der mit einer Weinflasche spielt, hat

Die Aeußerung aus dem Munde des blonden Mädchens kam den Eindruck eines Körpers von recht unveränderlicher Größe und so plöblich, daß alles auf sie hinblickte.

"

Wer?" fragte der Präsident. Der Herr Zeuge?" " Ja!" schrie die Angeklagte. Der da!"

Ihr Gesicht erlitt bei diesem Ausruf eine furchtbare Verände­rung. Die dunkelrote Farbe hatte einer Leichenbläffe Plaß gemacht; Auguste schwankte und stürzte mit dumpfem Gepolter in die An­flagebant.

Der neben ihr sikende Schuhmann sprang zu. Die fachvec­ständigen Aerzte näherten sich und konstatierten eine tiefe Ohn macht. Man trug die Ohnmächtige ins Beratungszimmer.

Darf ich vielleicht jetzt geh'n?" fragte der Zeuge Schwarz mit scheuem Umblick, ich fühle mich so angegriffen."

Sie müssen bleiben!" erwiderte der Vorsitzende mit taltem Blick auf das fahle, schweißbedeckte Gesicht des kleinen, dickbäuchigen

Mannes.

Bald darauf trat einer der Aerzte wieder in den Saal und redete, von hinten an den Vorsitzenden herantretend, leise mit ihm. Die Geschworenen redten die Hälse, der Zeuge stand noch immer dicht vor dem grünen Tisch. Er atmete schwer.

Der Richter fixierte ihn einige Sefunden lang mit krauser Stirn und zusammengefniffenen Lippen.

Mir wird foeben gesagt, daß die Angeklagte schwanger ist und daß Sie sie als den Vater angibt. Stimmt das, Zeuge?"

Der kleine dicke Mensch antwortete nicht, er zitterte nur. Und nun will ich Ihnen etwas sagen!" Der Vorsitzende stand plötzlich auf und richtete sich zu seiner vollen, stattlichen Höhe empor. " Nicht das arme Mädchen dadrin, Sie selbst haben den Mord an Ihrer Frau begangen! Sie sind der Mörder!!"

Nein! nein!" heulte Schwarz." Ich... ich es is nich wahr!... Die lügt!... Die!. Das is alles nich wahr!" Aber der Vorsitzende, hoch aufgerichtet und mit starter Stimme, ließ den sich Windenden gar nicht zur Besinnung kommen. " Ich will Ihnen sagen, wie das war: Sie haben dem Mädchen heimlich das Giftbüchschen, das sie von ihrem Liebsten hatte, aus dem Korb genommen und die Baldriantropfen damit präpariert! Die Tropfen hat die Auguste Balz dann ahnungslos Ihrer Frau gegeben! Sie aber, der das Mädchen erst in Schande und Unehre gebracht hat, Sie haben sich durch diesen unerhörten Schurken streich von der Frau und von dem Mädchen zugleich befreien wollen! Das ist ein so grauenvolles Verbrechen, daß Sie nichts tun können, als Ihre Seele Gott befehlen, und sich von dieser furchtbaren Last durch ein offenes Geständnis erleichtern!"

Bis dahin hatte der dicke Mann mit irrem Entsetzen in den Augen zu dem Richter aufgeblickt. Jebt war's, als risse ihn eine unsichtbare Hand plötzlich an der Schulter herum, er stürzte vor­wärts, nach der Saaltür zu.

" Halt! Schußmann! fesseln Sie diesen Menschen!" Und während der laut Heulende und Schreiende mit Hand­schellen geschlossen und abgeführt wurde, trat, von den Aerzten gestützt, das blonde Mädchen wieder herein. Sie wußte gar nicht, warum alle diese Menschen, die doch eben noch ihr Leben verlangt hatten, ihr nun auf einmal zujubelten.

Form. Versenkt er aber etwa die Flasche zur Kühlung in Wasser, f scheint sie fich zu verkürzen. Diese Erfahrung macht ihn stubig und auf Aehnliches aufmerksam. Er merkt auch, daß ein flarer Bach weit weniger tief erscheint, als er sich bei dem Versuch, durcha zuwaten oder beim Sondieren mit einem Stab, erweist. Bei dem Bersuch, einen Fisch im Wasser zu treffen, muß er mit der Flinte oder mit der Gabel tiefer zielen, als der Fisch zu stehen scheint. So sindet der Knabe sich zunächst praktisch mit den Variationen der Umstände seiner Umgebung ab. Auf den reiferen Menschen wirken nun derlei Erlebnisse als Paradoxien( auffallende Sonderbarkeiten), die das Denken nicht mehr zur Ruhe kommen lassen. Er wundert sich, daß er gewöhnlich die Objekte in der Seh richtung, d. h. in der Richtung des Lichtstrahls trifft, im Falle der Versenkung der Gegenstände ins Wasser aber nicht. Er bemerkt schließlich die Ablenkung des aus Luft ins Wasser oder umgekehrt übertretenden Strahles und versteht nun beide Fälle, den ge­wöhnlichen und den ungewöhnlichen, nach derselben Regel, durch die Richtung des ins Auge gelangenden Lichtstrahls. So ergeben sich in unscheinbaren Beobachtungen die Anfänge der Wissenschaft und Technit, die den Menschen intellektuell und praktisch zugleich fördern.

So

Der Erfahrungskreis des Menschen ist von Haus aus größer, als jener der Tiere, und ist zudem durch die Kultur mächtig ge­wachsen. Wir sehen voraus, daß greifbare Körper auch sichtbar, sichtbare auch greifbar sein müßten, kurz, daß Körperliches im all­gemeinen allen Sinnen zugänglich ist. Doch haben wir Körper fennen gelernt, denen manche sinnliche Merkmale fehlen. Ein­zelnen Körpern fehlen fast alle sinnlichen Merkmale; diese können nur durch besondere Veranstaltungen herbeigeführt werden. wird die Luft nur durch heftige Bewegung oder durch Einschließen in einen Schlauch tastbar, durch Glülen in einer elektrischen Röhre sichtbar. Der Mensch kennt auch als Kulturprodukt das Glas, durch das er zwar hindurch sehen, durch das er aber nicht hindurch greifen tann. Ein solches Kulturprodukt ist auch das Feuer, um nur das wichtigste und auffallendste zu nennen. Wenn selbst der Mensch zum erstenmal einem Ding gegenübertritt, das nur einem Sinn zugänglich ist, wie das Bild im Planspiegel, oder noch mehr das reelle Bild im Hohlspiegel, das nur sichtbar, aber nicht greifbar ist, so bedingt dies einen ganz ungewöhnlichen, wunderbaren, er­schütternden, ja gespensterhaften Eindrud. Besonders stark können wir diesen bei Kindern der Wildnis beobachten, aber auch bei Tieren mit ausgebildetem Gesichtssinn, bei Vögeln, Kaben, Affen. Diese Tiere wollen erst durch das Glas hindurch, suchen dann hinter dem Spiegel nach dem vermeintlichen Gefährten, verlieren aber meist bald das Interesse, wenn sie diesen nicht finden. Nur der Affe st aunt noch ein Weilchen über diesen Fall. Der flügste Affe", der Mensch, fängt aber gerade hier erst an nachzu­denken. Hunde, deren Hauptorate! die Nase ist, verhalten sich gegen dieses Wunder meist gleichgültig.

Da nun selbst der Mensch gegen Objekte, wie das Glas und das Feuer, wenn sie ihm noch unbekannt wären, einfach anrennen würde, so dürfen wir uns nicht wundern, daß Tiere, besonders