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Rorbe waren lauter feine Sachen drin und da tamen ble Vögel und haben davan gepict. Und da hat er gesagt, was das bedeuten soll, 3 Körbe, die bedeuten 3 Tage und nach drei Tage kommste raus und denn kömmt einer vom König und hängt dich auf Ich muß hier bitten, Auge und Ohr beim Lesen solcher Sprache micht ethisch reagieren zu lassen. Vielmehr sich möglichst intensiv zu denken: man hörte dies von einem Kinde seiner Be­kanntschaft erzählen. Alsdann bekommt man die richtige Stellung. Kindersprache will zunächst als gesprochene Sprache einmal ge­wertet werden. Wie kann man aber gegenüber solcher spontanen Leistung eines Knaben im Erzählen noch sagen, die Kinder müßten die deutsche Sprache noch lernen? Jit in diesem Stück nicht eine ganz intensive Anschauung, und in der Einfachheit und Treff sicherheit des Ausdruces nicht eine mächtige Wirkung? Und denn fömmt einer vom König und hängt dich auf!".

Hier die ganz freie Grzählung eines Kindes: Es war einmal ein kleines Mädchen, die hieß Lotte, die wollte gern einen fleinen Hund haben. Da sprach sie zu ihrer Mutter, wenn wir doch einen kleinen Hund hätten, so würde ich ihn an eine Strippe binden und würde mit ihm spazieren gehn. Da sprach die Mutter zu dem Mädchen: such dir einen. Da ging das Mädchen in den Wald. Da setzte sie sich auf einen Stein und hörte einen Hund bellen. Da sband sie auf und ging weiter. Da sab sie einen Hund sißen und ging hin und nahm ihn auf den Arm. Da ging sie nach hause. Und als sie auf den Hof kam, sperrte sie den Hund in den Stall. Da ging fie in die Stube und sagte zu ihrer Mutter, ich habe den Hund in den Stall gesperrt. Da sprach das Mädchen: habt ihr Schon Mittagbrot gegessen, Die Mutter sagte, jest essen wir. Und mun aßen sie."( Aus Filo Schwerdts Schulmeister von Schöben: dorf".) Und nun noch den Anfang eines Märchens: Es war einmal ein Mann und eine Frau, und die sind ganz arm geworden, und Hatten viele Kinder. Und da wußten fie oft gar nicht, wie sie ihre Kinder satt kriegen konnten, und die hatten doch immer Hunger. Und da wußte der arme Mann gar nicht, was er mit seiner Frau und den Kindern anfangen sollte. Und da war der Mann auf einmal ganz still geworden, und war so ganz in Gedanken und dachte immer nach, was er nur anfangen könnte um Geld zu Kriegen, damit er wenigstens für seine Frau und seine Kinder was zu essen taufen fönnte. Und da fudte er immer zum Fenster raus, und da sah er auch das Abendrot, und fucte immer ins Abendrot hinein. Erst war es purpurrot und dann wurde es feurig rot, daß man glauben fönnte, es brannte am Himmelsende. Und auf eine mal, da wurde es so ganz golden und so schön und immer goldner und da dachte er, jebt wird es Beit usw." Dies lebte Stück ist nicht reine Altersmundart, sondern ein von einer Erwachsenen in ihrer Sprechsprache geschriebenes Stüd, das aber mit der Kindersprache ziemliche Verwandtschaft hat.( Aus Verena zur Lindes Märchen für Kinder und Haus".)

Selbst Kehr schreibs im Anschauungsunterricht in Schule und Haus":"... Liefer Schnee bedeckt die Erde. Die vielen tausend Blumen, die uns im Sommer auf Wiesen und Feldern durch ihre bunten Farben und ihren köstlichen Geruch ergößten(!!), sind ver­schwunden. Die befiederten Sänger( 11), die uns im Sommer in Feld und Wald erfreuten, find in ferne fremde Länder gezogen..." Mag man schließlich das Wirken jedes Schulmannes ehren, und also auch Kehrsaber: mit Verlaub, dies ist die Herrschaft der Phrase und richte anderes! Das ist kein Anschauungsunterricht, sondern eine Anleitung zum Sprechen von Zeitungsdeutsch. In Kahnmeher und Schulzes Realienbuch findet man solchen Stil: Seit der Beiten Karla des Großen besaß das deutsche Königtum dem Papste gegenüber mehrere Jahrhunderte hindurch die herr­schende Stellung. Bu jener Beit bestieg Hildebrand, der Sohn eines Bimmermanns, als Gregor VII . den päpstlichen Stuhl. Durch ihn wurde die päpstliche Macht auf den höch sten Gipfel erhoben." Man male sich dieses Phrasendeutsch einmal aus besonders, wenn man noch fähig ist, findlich zu fühlen. Denn ein Kind hat ja gar nicht alle diese übertragenen Be. deutungen der Worte in seinem Sprachbewußtsein. esas dem Papste gegenüber die herrschende Stellung" usw. Und was soll man erst sagen, wenn ein Schulmann aus seinem Unter­richt freie" Kinderaufsäße drucken läßt, in denen solche Stilblüten vorkommen:" Manchmal begebe ich mich, hauptsächlich des Sonntags, mit meinen Eltern zum Friedhofe. Vor dem Tore be. merken wir schon einige Blumen, die gerade wunderschön blühen. Wir treten ein. Stumm begrüßen die Steine und die Denkmäler den Eintretenden Stiller Friede umfängt uns. Es scheint, als wären wir die einzigen, die hier verweilen. Immer weiter Ienten wir unsere Schritte... plößlich bleibt der Zug stehen. Der Sarg wird hinabgesenkt in die kühle Gruft. Ein Schauer durchzieht mich. Der Herr Pastor hält eine Rede in herzergreifenden Worten.

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dann

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Da ist weiter nichts zu sagen als Erziehung zum Schwäßen, zur schlechten Sprache. Dieser Junge, der sich in acht Jahren eine solche Sprache angequält hat, kann ja ohne weiteres Reporter bei einem Generalanzeiger werden. Wenn da a das Ziel des Sprach unterrichts ist - dann Nun, er ist es nicht! Immer hin, die Fürchterlichkeiten der Schulsprache sind noch derartig, daß man nicht genug darauf hinweisen kann. Möchten die Eltern und Lehrer dock auf dieses Problem achten! Damit sie merken, daß die Sprache der Kinder schöner und wertvoller ist, als dies Deutsch , das sie lernen sollen. Auch auf die Sprache in den Jugendschriften sollte viel mehr geachtet werden. eigentlich in allererster Linie sich mit der Frage beschäftigen: Wie Jugendschriftenkritik sollte doch ist die Sprache des Buches? Ist es eine findertümliche Sprache? it's eine Sprache, die dem Kinde verständlich ist, und die nicht Klischeewendungen. Phrasendeutsch usw. enthält. die dem Sprach umfang des Kindes entspricht? Auf solche Fragen haben die vereinigten deutschen Prüfungsausschüsse bisher gar nicht genug geachtet. Dr. Otto zur Linde hat in einem seiner geistvollen Essays die Sprache von ein paar am meisten von den Ausschüssen gelobten Büchern gekennzeichnet. Er zitiert aus Krä­pelina Naturstudien": Wirklich, ein prächtiger Herbsttag heutek fagt Dr. Ehrhardt zu seinen Knaben, die ihn auf einem Spazier gange durch die Anlagen vor der Stadt begleiten. Ich freue mich doch, daß ich die schwierige Arbeit nun abgeschlossen habe, die mich lange Wochen an den Schreibtisch fesselte(!)."

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Aus allen diesen Stüden( ich könnte sie noch ins Endlose bermehren) wird man als eine der Hauptmerkmale den leichten Fluß der Erzählung erkennen. Dann die große Einfachheit der Darstellung, die gleichwohl nie an Anschaulichkeit einbüßt. Jch seze mun ein paar charakteristische Beispiele der Schulbuchsprache da­neben: Die Kartoffel. Eines der verbreitetsten Gewächse ist die Kartoffel. Sie ist nicht so hoch wie die Eiche( 1) und ihre Blüten find nicht so wohlriechend( 1) wie die Rosen, und dennoch wird sie von jedermann geschäßt. Woher kommt das? Die Kartoffel ist Die wohlfeilste Speise der Armen und liefert zugleich wohlschmeckende Gerichte für die Neichen. Sie gerät fast in jedem Boden und miß rät fast in feinem Jahr ganz. Sie braucht wenig Wartung und liefert doch reichlichen Ertrag." Das ist ein Pröbchen aus einem der besten neuesten Lesebücher". Und ist nicht etwa eine Ausnahme Schlechter Sprache. Man blättere einmal die Lesebücher durch, da ann man Wundersames entdecken. Vor allem fällt an solcher Sprache der große Mangel an Kinderpsychologie und Unkenntnis über den Sprachumfang des Kindes auf. Das sind eben Dinge, die noch viel zu wenig studiert wurden. Was der Vergleich von Kar­toffel und Eiche und Kartoffel und Rose hier zu tun hat, wird nicht nur einem Rinde, sondern jedem Erwachsenen unklar bleiben. Ab­strafta wie Wartung" und" Ertrag" tönnen ganz gut durch eine konkretere und ästhetisch wertvollere Darstellung ersetzt werden. ( Das Buch, aus dem ich zitierte, ist für das zweite Schuljahr ge­bacht.) Es ist ein großer Irrtum, etwa zu meinen, man müßte das Schuldeutsch und die schlechte Sprache so vieler Jugendschriften Beides war mir wichtig, auf die Kindersprache und auf die schriftdeutschen Wendungen so schnell als möglich in die Sprache hinzuweisen. Gins fann man durch das andere besser erkennen. des Kindes einführen. Dadurch gerade verliert es seine plastische Ge tommt darauf an, daß jeder einmal auf das Problem auf flare Darstellung.

In Paul Staudes Präparationen für den ersten Religions­unterricht"( also einem Buch für die Hand des Lehrers) heißt es u. a.: Hört nun, wie sie ins Trauerhaus famen. Da war schon alles zum Begräbnis bereit. Hier wurde also der Tote gleich an demselben Tage beerdigt bei uns findet das Begräb nis am dritten Tage statt. Wie geht es denn bei uns zu, wenn der Morgen des dritten Tages gefommen ist? Still und feierlich ist's vor dem Hause. Still und feierlich tragen die Leichendiener während des Gesanges den Sarg aus dem Haus in den Wagen, ber mit Kränzen und Palmzweigen geschmückt ist. Still und feier­ich febt sich ber Bug in Bewegung hinaus geht's zum Gottesader So also reden wirklich Schulmänner mit fechs- und siebenjährigen Kindern! Und das sollen sechs- und Siebenjährige Schulkinder verstehen? Berantwortl. Redakteur: Albert Wachs, Berlin .

Dr. zur Linde bemerkt dazu ganz richtig: Also Herr Dr. Ghr­hardt spricht zu seinen Kindern wie ein berschimmelter Privat­gelehrter mit dem Lotalreporter von Ribebüttel sprechen würde, den er siebenmal in der Woche beim Abendschoppen trifft. Und erst seine Jungens: Mutter meinte auch, sie sei froh, daß. Du wieder aufatmen könntest..." Und in den Tiergeschichten". die auch sehr start empfohlen werden, heißt es: Ein paar alte Veteranen des Hochwaldes waren noch stehen geblieben, die Gegend im Umkreis des Teiches war von der weidenbewachsenen, schilfigen Beschaffenheit, die Maßen und Pferde ber meiden, die jedoch das Rind aufsucht Nun, diese Proben müssen für sich selber reden, oder diese Arbeit ward zwecklos ge schrieben.

merksam wird und nun anfängt, darüber nachzudenken; und nicht bloß das: auch seine Ohren aufzutun, sein Sprachgefühl zu schär fen, damit ihm die Unschönheiten des phrasenhaften Deutsch fühl bar werden, und damit er die Sprache der Kinder( der unver bildeten!) in ihrem Wesenhaften erkennt.

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Ala Literatur möchte ich noch empfehlen Kindesmundart" bon Berthold Otto ( Verlag H. Ehbod). dann den Schulmeister von Schöbendorf" von Filo Schwerbb( Charonverlag), der ein wunder volles Material von Kindersprache beibringt und selbst auch in einer ganz urwüchfigen, erdhaften oder schönen Sprache geschrieben ist; und die Märchen für Kinder und Haus" von Verena zur Linde ( Charonverlag), die zwar nicht in einer Kindersprache, aber in einer ihr naheliegenden Sprechweise geschrieben sind. Auf die Kinder find die Märchen, nach den Erfahrungen vieler Lehrer, von geradezu frappanter Wirkung.

Druck u. Verlag: BorwärtsBuchdruckerei u. Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW