Skmberöelbe hat einmal die Genossenschaften die milchenden Kühe der sozialistrschen Partei Belgiens genannt. Die Gelrossen- Lchasten können das nach der belgischen Genossenschaftsgesetzgebung sein, und sie sind es in Wirklichkeit. Die Genossenschaften liefern der Arbeiterpartei, die in Belgien in den meisten Orten keine feste politische Bereinsorganisation hat, die Mittel für die Kleinagita- tion, die hier viel schwieriger ist als in Deutschland . Die armen Belgier haben 40 000 Nonnen und Mönche zu ernähren, aber keine Schulpflicht. Unter den Rekruten sind 11 Proz. Analphabeten. Kein Wunder, daß die Agitation mit farbigen Plakaten und Post- karten in Belgien weit mehr verbreitet ist als bei uns. Den in klerikaler Gcistesknechtschaft erzogenen Massen muß die Ungerechtig- keit der herrschenden Gesellschaftsordnung und die Verwerflichkeit des volksfeindlichen Dunkelmännerregiments bildlich drastisch vor Augen geführt werden. Das Tageblatt unserer flämischen Ge- nassen, das auch den NamenVoonüt" führt, kann nur denen nützen, die lesen können. Augenblicklich machen unsere belgischen Genossen die größten Anstrengungen, bei den kommenden Wahlen das klerikale Regiment zu stürzen, unter dem Belgien seit 1884 seufzt. Der 2. Juli soll die Entscheidung bringen. Die im Auslande vielfach verbreitete Meinung, als ob die bel- gische Arbeiterpartei weiter nichts sei, als ein großer Kon- sumvcrein, ist falsch. Die Geschichte des belgischen Sozialismus be- weist das Gegenteil. Entscheidend dafür ist nicht, daß die belgischen Arbeiter durch den Beitritt zur Genossenschaft statutengemäß das Programm der belgischen Arbeiterpartei anerkennen. Papier ist bekanntlich geduldig. Viel wichtiger ist, daß gerade in Belgien für die Partei bahnbrechende Gedanken zuerst geäußert und dann auch betätigt wurden. In Belgien wurde zuerst 1886 in einem Mani- feste der Partei auf den Streik zur Durchsetzung einer Wahlrechts- änderung hingewiesen und in Belgien wurde 1893 der erste p o l i- tische Massen st reik erfolgreich durchgeftihrt. In Belgien wurde ferner der Gedanke der sozialistischen Jugendorgani- s a t i o n zuerst in die Tat umgesetzt. Der Kampf mitVierpfund- Broten" ist also nur eine Teilerscheinung des Klassenkampfes, den das belgische Proletariat gegen seine Unterdrücker führt. Echter Kampfgeist beherrscht auch die Gewerkschaften. In den Ostertagen streikten in Gent Bauarbeiter und Hafenarbeiter. Es war kein erhebender Anblick, im Hafen schwedische und deutsche Streikbrecher an der Arbeit zu sehen! Deutsche freilich von jener Sorte, wie Hintze sie in Moabit gegen die wirklichen Arbeiter führte, umStreiks zu brechen". Es waren viel Worte nötig, um unseren belgischen Genossen klar zu machen, daß es in Deutschland unter den Enterbten auch noch solche Elemente gibt. Denn unsere Genossen haben die besten Vorstellungen von der deutschen Arbeiter- bewegung. Sie sehen in dein Erstarken der französischen und der deutschen Sozialdemokratie die beste und einzige Garantie für die Unabhängigkeit ihres Landes, das in vergangenen Jahrhunderten nur zu lange europäischen Leeren als Schlachtfeld dienen mußte. Arbeiten wir in diesen Tagen wilder imperialistischer Hetze un- ermüdlich für unsere Ideale, damit die Hoffnungen unserer bel- gischen Brüder keine Täuschung erfahren. Hermann Müller. kleines feiuüeron Reklame. Eine Art Jubiläum kann in diesem Jahre die Reklame" bei uns feiern. Denn vor 70 Jahren 1842 drang anscheinend zum erstenmal das WortReklame" in die deutsche Literatur ei». In einem Arnlel über den deutschen und französischen Buchhandel wurde in denGrenzboten" auch von Anzeigen von einer eigenen Art" gesprochen,denen man den ebenso sinn- als bedeutungslosen Namen Reklam(Lobhudelei oder Großsprechereis gibt". Das WortReklame" war also noch so unbekannt in Deutschland , daß der Verfasser sich gedrungen fühlte. es in Klammern zu erklären. Einen Attikel überReklamen" bringen dieGrenzboten" dann im Jahre 1846. Hier wird nach- gewiesen, daß der Begriff der Reklame in Deutschland längst zu Hause gewesen sei, und daß man nur den Ausdruck von den Frau- zofen geborgt babe. Zugleich wird auch erwähnt, daß sich die fran» zösifche Buchreklame als vom Verleger oder Autor bezahlterLob- hudel" bereits recht abgenützt habe und nicht so wirksam sei wie die versteckten Ankündigungen der Deutschen . In demselben Jahr entbrannte auch ein Streit um die beste Verdeutschung des entlehnten Ausdrucks. Gutzkow schlug in seinen Pariser Eindrücken" das WortEingesandt" vor. Es ging aber in diese» Hinsicht das in Erfüllung, was dieErenzbolen" prophe- zeiten: daß nämlich das ftanzöniche Wort beibehalten werden müsse, weil eS sich nicht treffend übersetzen lasse. Allerdings läßt sich Reklame" doch ganztreffend" übersetzen, aber ob die Geschäfts- lleute mit dieser korrekten Uebersetzung einverstanden wären, das ist eine andere Frage.' Du röolains, der Ausdruck, den man in Frank- reich siir den Begriff de« anpreisendenWaschzettels", der empfehlen- den Gcschästsanzeige anwenden lernte, ist nämlich nichts anderes als das alte Wort I e reolame. Damit ober bezeichnet der JägerLocker" undWildrnfe", also Töne, die entweder mit einer kleinen Pfeife, die darum selbst reolumo heißt, oder aus einem Buchenblait oder auch auf der Hand hervorgebracht werden, und die natürlich dazu bestimmt find, das Wild zu täuschen und in sein Verderben zu locken. Berantwortl. Redakteur: Albert Wachs, Berlin. Druck u. Verlags Auch der Spanier nennt den Lockvogel im LockbuscheReklamo" der Italiener ebenso: Richiamo l Eine allzu korrekte Verdeutschung derReklame" würde also schwerlich einen vertrauenerweckende« Klang haben. iilns dem Pflanzenreich. Wo wachsen unsere Eichen? Die Eiche hat immer als Charaklerbaum Deutichlands gegolten und die Zahl der Beispiele da- für in der Literatur und namentlich in den Dichtungen ist unzählig. Wenn die deutsche Geschichte heute erst begänne, wäre es zum wenigsten fraglich, ob man noch jetzt der Eiche diesen Rang ein- räumen würde. Dr. Ernst Krause aus Straßburg veröffentlicht in der ZeitschriftDeutsche Erde" eine interessante Karte über die Ver- breiiung der Eiche in Deutschland . Daraus geht hervor, daß in der Längserstreckmig des Deutschen Reiches von Südwesten nach Nordosten der Anteil der Eiche an den deutschen Wäldern fast stetig abnimmt. Am stärksten ist er in den an Frankreich grenzenden Gebieten, also im gesamten Lande westlich vom Rhein , soweit dieser deutschen Boden durchfließt. Hier hat die Eiche noch 10 12 Prozent der gesamten Landfläche in Besitz. Diese Eicken- Provinz dehnt sich am Rhein abwärts auch auf sein rechtes Ufer aus und greift in die Flußgebiete der Sieg und der Ruhr über. Die nächste Stufe schließt sich unmittelbar östlich an diese und be» greift ganz Baden und Württemberg . Hessen «nd das östliche Westfalen in sich. Hier sind noch 5 6 Proz. des Bodens mit Eichen bestanden. Dann folgt ein etwas größeres Gebiet mit 3 3'/z Proz. in demgesamten rechts- rheiniichen Bayern , ferner in der Provinz Sachsen , in Braunschweig und im südlichen Hannover . Die thüringischen Staaten gehören bereits zur nächsten Gruppe, wo die Eichen nur noch iVa-"2,'s Proz. des Bodens in Anspruch nehmen, und daran schließen sich nach Osten hin das Königreich Sachse » und Schlesien an. außerdem der Nordwesten links der Elbe, also das nördliche Hannover . Olden- bürg und das westliche Westfalen. Der gesamte übrige Osten und Norden des Deutschen Reiches hat noch viel weniger Eichen auf- zuweisen. Krause unterscheidet noch zwei weitere Stufen, Die eine davon umfaßt Schleswig-Holstein , Pommern und Posen, beide Mecklenburg , wenigstens mit 1 bis 1,3 Proz. der Fläche an Eichenwald. In den noch übrig bleibenden Provinzen Brandenburg , West- und Ost- Preußen sinkt die Verhältnisziffer auf 0,4 bis 0,7 Proz. Da in ganz Deutschland noch fast 30 Proz. der gesamten Fläche mit Wald bestanden sind, so läßt sich aus den angegebenen Ziffern leicht ersehen, einen, wie geringen Anteil am deutschen Wald die Eicken heute nur noch bedeuten. Mit einem echten Eichenwaid, dessen Bäume ein Aller von wenigstens 40 Jahren haben, sind heute in Deutschland nur 300 000 Hektar bestanden, und wenn man noch alle Wälder hinzurechnet, in denen hochstämmige Eichen überhaupt häufiger zu finden sind, so vermehrt sich die Fläche doch nur aus 900 000 Hektar, also etwa die Größe des Elsaß . Daß sich diese Verhältnisse seil dem Altertum sehr geändert haben, ist zweifellos.- Nicht nur belaß Deutschland überhaupt mehr Wald, sondern auch die Eiche spielte darin eine weit größere Rolle. Schon der alte PliniuS hat von den Eichenwäldern Germaniens geschrieben. Jedenfalls ist die Eiche während der letzten zwei Jahrtausende in Deutschland nicht unerheblich zurückgegangen. Geologisches. Die Gletschermassen der Eiszeit. Die Natur- Wissenschaft hat sich nur sehr schwer zu der Annahme bekehrt, daß in einer Zeit, die nach der geologischen Rechnung der jüngsten Ber« gangenheit angehört, große Teile der Erde namentlich auf der nördlichen Halbkugel unter ungeheueren Eismasicn begraben gewesen sind. Die Beobachtungen aber haben eine so überwältigende Be- stäligung dieser erst vor wenig mehr als 30 Jahren aufgestelltem Behauptung ergeben, daß heute nicht mehr der geringste Zwcisr! daran möglich ist. ES wird beute also als gewiß betrachtet, daß damals das ganze nördliche und mittlere Europa bis an den Nordfuß der deutschen Mittelgebirge und weil nach Nußland hinein, und ebenso das nördliche Nordamerika bis iveil über die Gegend der großen Ebene hinaus von zusammenhängenden Eismaffen über- Ichwemint gewesen ist. Es lohnt einen Versuch, sich von der Mäck- ligkett dieses Eislandes eine Borstellung zu bilden. Aus der nörd- lichen Halbkugel hat eS nach einer oberflächlichen Berechnung eine Ausdehnung von nahezu 20'/z Millionen Kilometer besessen. In Europa lag das Eis über dem Gebiet der heutigen, erst während dieser Zeit entstandenen Ostsee, rund 1 Kilometer hoch, und in Nordamerika hat es über weite Flächen hinweg gar eine Dicke von zwei Kilometer gehabt. Man würde danach den gesamten Raumgehalt dieses nordischen Inlandeises in beiden Erdtetlen auf etwa 30 Millionen Rnbikkilometer zu schätze» haben. Das bedeutet eine gewaltige Wasiermaffe, die auf diese Weise entweder der Atmosphäre oder dem Meer entzogen und auf dem Lande festgelegt war. Dazu kommt, daß große Vereisungen wahrscheinlich gleichzeitig auch in anderen Erdgebieten Platz griffen, namentlich in den Hochgebirgen von den Alpen bis zum Himalaja . Da ein Gletscher von nur 300 Meter Dicke schon einen Druck von rund 22ö Tonnen auf dem Quadratmeter des Bodens ausübl, so kann ma» sich denken, wie ungeheuer der Druck unter diesem Inlandeis gewesen sein mag, und daraus auch die Umgestaltung verstehen, die durch diese Eismaffen hervorgerufen wurde._ ksorwärtsBuchdruckerei u.Verlagsanjtalt Paul SingerölCo., Bern nLV..