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und er wußte selbst nicht recht warum; er hatte immer das Gefühl, Und Waldemar war verlegen, ganz emfach verlegen vor Waffia, als hätte er eine Semmel, die für Wassia bestimmt war, unabsicht­lich aufgegessen und Waisia ohne Semmel zurückgelassen.

Baters Zeiten. In einer Ede stand noch sein lektes unboll- fich Baffia, von dem Verbot angefeuert, ungemein in das Inner endetes Bild auf der florumwundenen Staffelei. Den Boden des Herrschaftlichen Hauses sehnte; es schien ihm, als wären dort deckte ein jahrhundertealter Teppich aus Keruan. An den echte Wunder aufgestapelt; denn wozu würde man sie sonst vor Wänden hingen kostbare Seidenvorhänge aus Ispahan, fast feinen Blicken hüten? verdeckt von den hinterlassenen Skizzen und Gemälden, die den Naum von der Decke bis zum Boden füllten. Das spär liche Mobiliar stand wie zufällig da und schien für seine Gegenwart um Entschuldigung zu bitten. Dort stand eine Aber dieses Gefühl der aufgegeffenen Semmel wurde noch wurmstichige Truhe, mit Nägeln beschlagen, deren Silber- stärker, als beide Knaben in die Schule eintraten. Waffia wurde Töpfe endlose, in phantastischen Arabesken verschlungene nach Tambow gefchidt, bei irgendeiner Zante einquartiert und in Schnüre bildeten. Einige eingelegte Mondlandschaften an die erste Gymnasialklasse eingeschrieben. Das geicah ganz ruhig, einem großen, schwarzpolierten Holzschrank, dessen zahllose ohne jedes Aufsehen. Waldemar wurde für das Lyzeum bestimmt, wo feine älteren Brüder studiert hatten, und dazu war eine Reihe Geheimfächer und Schubladen aus den heimlichsten Träumen ungemein komplizierter Vorgänge nötig: viele Gegenstände aus der eines Schulfnaben geboren schienen, berrieten die sammelnde Einrichtung, ohne die Waldemars Mutter nicht leben konnte, wurden Hand eines geduldigen und ungeheuer pedantischen Chinesen. eingepackt und nach Petersburg gefchickt; dann mußte der Verwalter, Niedere Tischchen mit Berlmutterkrusta verdankten ihr Da- Wassias Vater, in ganzen Kreise herumfahren und einen Käufer sein der regen syrischen Möbelkunst, die die Harems längs für das Getreide fuchen; außerdem mußte, da die Mittel für das der mittelländischen Küsten überschwemmt. Selbst die Wüste Leben in Petersburg nicht ausreichten, eine Hypothet auf einen war repräsentiert durch mehrere mehr schreckeinjagende als großen Wald aufgenommen werden. praktisch gefährliche Tuareg- Waffen. Ans Tunis selbst stamm ten nur die schönen filberdamaszierten Metallvasen, in deren Aushämmerung die eingeborenen Juden noch Meister sind, während die Araber selbst, ihre ursprünglichen Lehrer, diese Kunst vergessen haben.

Durreise besuchte er Waffia in Tambow , und als er in Peters­Waldemar beobachtete alles und wurde verlegen. Auf der burg die reinen großen Zimmer mit Wassias Kämmerlein ver­glich, ichien es ihm, als würde er an der für Wassia bestimmten emmel ersticken.

Er gewöhnte sich rasch an die Lyzealordnung, verstand es aber nicht, sich der dort herrschenden Stimmung anzupassen. Er war ein guter Kamerad, weich, gewissenhaft, tollegial; man konnte ihn zu affem überreden, da er keinen starken Willen hatte. Aber er tat vieles gegen feine eigene Ueberzeugung, und fühlte sich nicht wohl und verlegen dabei.

Der Aufenthalt in diesem Raume tat Marcel nicht nur wohl, weil jedes Ding darin von dem Kunstsinn eines Men­schen, sei es mun eines halbbarbarischen oder eines hochkulti­vierten, geprägt war. Er schien seit des Vaters Tode etwas von der kultischen Heiligkeit eines Tempels in sich zu bergen. Zum Beispiel bemühte er sich, nach Lyzealbrauch, die Gym­Und dabei war er gleichsam eine verförperlichte Ausstrahlung nastaiten auf der Straße verächtlich, von oben herab, anzuschauen, feines eigenen Inneren. Gun Barrière war fein einziger da die Gymnasiasten von den Lyzealschülern als minderwertig be­Freund auf Erden getresen. Bei ihm fand er die feine Ber - handelt wurden; er fonnte auch, besonders wenn einer seiner Kame­ständnisinnigkeit und Zärtlichkeit, die die Mutter entweder raden dabei war, so ein minderwertiges Geschöpf auf der Straße stoßen; nicht kannte oder nicht zu äußern wußte. Vater und Sohn aber er fühlte sich nicht wohl dabei, und ein unbewußtes Gefühl nannten fie felten, flagten nie über fie, aber erst wenn fie der Unzufriedenheit mit sich selbst nagte an feiner Seele. abwesend war, konnten sie ihr ganzes Wesen in glüdlicher Un- Bier Jahre nach dem Eintritt ins Lyzeum( im Sommer fuhr er befangenheit voreinander entfalten. Jeder Winkel hierdrinnen verschiedene Kurorte besuchen mußte) verbrachte er den Sommer auf sonst mit der Mutter immer ins Ausland, da sie leidend war und hatte seine Erinnerungen. Die meisten dieser Bilder hatte dem Gute. Hier traf er wieder mit Wassia zusammen, und dieses Marcel werden sehen; er fannte ihre Entstehungsgeschichte gufammentreffen verursachte ihm viele schwere Augenblide. von der Freude der ersten Inspiration über das Motiv ange- Um diese Zeit war er der Obhut der Mutter ziemlich entwachsen. fangen durch all die Erschlaffung, die Enttäuschung, die Es war ihm bereits flar geworden, daß sie ihn vergötterte, haupt­Kämpfe, fie so hervorzubringen, wie sie zuerst gefühlt und fächlich aber, daß ihr Wille noch schwächer als der seine war, und gedacht waren. Sie waren jeder für sich ein kleiner Aus- daß er mit ihr alles machen konnte, was er wollte. schnitt seines eigenen Lebens.

( Fortseßung folgt.)

Gewiffen.

Bon J. Potapento.

I

Es gibt merkwürdige Krankheiten: sie haben längst, bielleicht in Der Kindheit begonnen, aber niemand wußte davon. In der Jugend gab es hie und da einen Stich in der linken Seite, man schenkte dem feine Aufmerksamkeit. Später entwickelt sich ein fyftematischer Schmerz. Der Arzt untersucht, alles ist in Ordnung, und er er flärt: es ist nichts, ein Schmerz auf nervöser Grundlage Und mit vierzig Jahren stellt sich plöglich eine ernste, unheilbare Krankheit ein.

Relidsty hatte gar feine Krankheit, er hatte nie einen Stich in der Seite verspürt und war ferngefund. Es war etwas ganz anderes: als er ein ganz einer Lyzealjchüler war, empfand er von Zeit zu Zeit ein unbewußtes Gefühl von Verlegenheit.

Er war weder ein Graf, noch ein Fürst, aber seine Vorfahren hatten irgend welche unvergeßlichen Verdienste; was für Verdienste, das wußte weder er, noch seine Mutter oder sonst jemand. Sein Vater war Diplomat gewesen, er starb in irgend einer großen Stadt, als Nelideth noch ganz flein war. Vielleicht hatte er irgend welche Heldentaten in der Diplomatie verübt; da in der Diplomatie aber fich nur Eingeweihte auskennen, so hatte niemand etwas davon gehört.

Die Nelidsly besaßen ein schönes Gut im Tambower Gouvernement und verfügten über Mittel. Nach dem Tode des Waters kehrten sie nach Rußland zurück und lebten lange auf ihrem Gute, wo Waldemar heranwuchs und sich geistig stärkte, das heißt, fich mit Hilfe eines Hauslehrers für das Syzeum vorbereitete.

Hier hatte er einen Spielkameraden Waffia, den Sohn des Guts­berwalters, der, da er niederer Abkunft war, mit dem jungen Herrn nur im Garten, im Walde, überhaupt nur in der freien Natur spielen durfte. Manchmal gestattete man ihm, die Terrasse, auf der man Zee trant, zu betreten, aber in das Haus selbst, wo überall die Porträts der Ahnen hingen und jeder Einrichtungsgegenstand mit irgendeiner Erinnerung verbunden war, wurde er nicht eingelassen. Dieser Umstand war vielleicht der erste Stich, den Waldemar un bewußt an der unbestimmten Stelle feines Organismus, wo sich das Gewissen befindet, verspürte. Das war um fo unangenehmer, als

Es stellte sich plöglich heraus, daß Baffia fehr viel gelernt hatte. Außer den Gymnasialfächern, die er vorzüglich beherrschte, da er als erster Schüler in die fünfte Klasse aufgestiegen war, wußte er noch sehr viel anderes, da er während der vier Jahre viele Bücher gelesen hatte.

Beide waren fünfzehnjährig und saben bereits wie erwachsene junge Leute aus. Es fonnte feine Rede davon sein, daß Waldemar, ihn, einen Menschen mit so großen Vorzügen, seinen Jugendfreund, wie einen Minderwertigen behandelte. Er sah, daß Waisia ihm nicht nur ebenbürtig war, sondern ihn sogar übertraf. Aber die Wutter protestierte und stellte Hindernisse in den Weg. Sie fagte, daß er an den hohen diplomatischen Beruf feines Vaters denken und sich auf der Höhe halten müsse, auf die ihn das Gefchlecht der Nelidsty gestellt hätte. Sie sagte auch, daß fie an Waifia die natürliche Begabung und den Fleiß achte und daß ihm diese Qualitäten in seinen Kreisen zu einer bevorzugten Stellung ver­helfen, daß sie ihm aber durchaus nicht die Türen zu einem anderen, höheren Kreis öffnen würden.

Aber Waldemar war nicht damit einverstanden. Das heißt, theoretisch war er eigentlich einverstanden damit; im Geifte teilte er alle Borurteile seiner Mutter, aber eine innere Verlegenheit es war unmöglich, ihn mit Berachtung zu behandeln. Und Waldemar quälte ihn. Waffia mit all seinen Vorzügen stand über ihm und fränfte seine Mutter: Er bestand darauf, daß Wassia wie ein Gleich­berechtigter zu ihm ins Haus kommen und an seinem Tisch essen durfte. Das war die erste jugendliche Gewissensäußerung, die ihm später im Leben so viel schaden sollte.

II.

Als er in die letzte Lyzealflasie tam, war seine geistige Ent­wickelung ziemlich weit vorgeschritten. Hatte die Gesellschaft Waffias so auf ihn gewirkt oder kam es von selbst, aber seit dieser Zeit be faßte er sich viel mit Büchern. Seine Kollegen fanden folches über­flüssig und zogen es vor, das Ballett und Tanzunterhaltungen zu besuchen und bis zum Morgen im chambre separée zu fizen. Da für blieb Waldemar in den Lehrgegenständen zurüd; aber seine Kollegen wußten nicht mehr als er, machten sich aber nichts daraus. Wie werden wir in die Prüfungen gehen?" fragte Waldemar ante fezt. Wir werden schändlich durchfallen."

"

1

" Was, durchfallen?" lachten die Kollegen. Wir sind ja nicht auf der Universität. Wo bat man je gehört, daß man in unserem Lyzeum durchfallen könnte?"

Aber wir müssen uns doch vorbereiten, meine Herren... es ist eine Schande, so wenig zu wissen 1" erwiderte Waldemar.