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Mag sich vorbereiten, wer will!" antwortete man ihm spöltisch. die man der Menschenfresserei beschuldigt hatte. Das Bester Die ungludselige Gewissenhaftigkeit gestattete ihm nicht, so leicht Intelligenzblatt vom 4. September 1782 enthielt diesen Bericht finnig an die Sache zu gehen. Er verschaffte fich die nötigen Notizen und studierte nach Möglichkeit. Und nun ist die Prüfung gekommen. Er hört, wie seine Kameraden sich in den Antworten verwideln und schämt sich für sie, obwohl feiner von ihnen ihm nahe steht.
Als die Reihe an ihn kommt, leben die Professoren auf, ihre Gefichter drücken Erstaunen aus: Wie," scheinen ihre Augen zu fagen:„ dieser fann etwas? Er kann zwar nicht viel, aber man fieht immerhin, daß er sich mit dem Lehrstoff befaßt hat!"
Er hat einen folossalen Erfolg, bekommt die höchste Note und wird mit einer Auszeichnung aus dem Lyzeum entlassen.
Er ist der einzige Mensch im ganzen Lyzeum, der die hohe Meinung über seine Fähigkeiten nicht teilt; diese höchste Note und die Auszeichnungen machen ihn innerlich sehr verlegen. Er weiß, Saß Wajjia zugleich mit ihm seine Brüfungen an der Universität ablegt; er hat gesehen, wie Wassia Tag und Nacht studierte, und weiß, Saß Wassias Kopf von der Wissenschaft erfüllt ist. Wassia studiert Naturwissenschaften und bereitet sich zur Professur vor. Er vergöttert die Physiologie und hat schon ziemlich viel geleistet. Die legte Beit hat er kaum das Laboratorium berlaffen und sieht wie ein Schatten aus. Das Refultat bei ihm ist das gleiche wie bei Waldemar: die höchste Note und die Auszeichnung.
Waldemar schämt sich. Baisia in die Augen zu schauen. Nach der Prüfung begab sich Waldemar mit seiner Mutter ins Ausland. Sie tonnte fich an ihrem Sohn nicht satt sehen. Ihr Sohn hat seine Studien mit einer Auszeichnung beendet Es ist flar, er hat in hohem Maße den Verstand und die Talente seiner Borfahren geerbt!
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Es steht Dir eine glänzende Karriere bevor. Du mußt Dich vorbereiten. Gewiß, Du würdest auch so eine gute Karriere machen, denn die Verdienste Deines Vaters sind nicht vergessen und das Geschlecht der Nelidsky besitzt alle Rechte und Vorzüge. Aber Du haft noch außerdem das Lyzeum mit Auszeichnung absolviert und das gibt Dir das Recht, als Erster unter den Ersten zu sein. Schade, daß Du wegen der Unvorsichtigkeit, die Du gegen meinen Willen begangen hajt, nicht sofort Deinen Dienst beginnen fannst..." ( Schluß folgt.)
Zigeunerjagden.
Vor einigen Wochen wurden in der Rhön von Militär und Gendarmerie Zigeunerjagden veranstaltet; ein Förster war von einem Zigeuner getötet worden; er hatte auch noch andere Mordtaten verübt. Alljährlich erfolgen in Deutschland rund 300 Verurteilungen wegen Mord und Totschlag. Das Verbrechen aber, das ein Zigeuner berübt, regt den alten, nie ausgestorbenen ängst lichen Aberglauben gegen den ganzen Stamm der Zigeuner auf. Jm Reichstag wie in den Einzellandtagen wurden neue Maßnahmen gegen die Zigeuner gefordert und von den Regierungen in Aussicht gestellt. Besonders dringlich forderte das Zentrum zu energischem Vorgehen gegen die Zigeuner auf, Mitglieder der Kirche, die in die ganze Welt Missionare sendet, um Heiden zum Christentum zu befehren.
Es ist fast ein halbes Jahrtausend vergangen, seitdem Zigeuner zum erstenmal auf deutschem Boden erschienen. Und seitdem find diese fremden Gäste unablässig verfolgt und geheht, gemartert und gehängt worden und doch haben sie ihre Freiheit und ihr Wesen jich bewahrt. Der Strid und die Peitsche versagte bei ihnen ebenso wie die gewalttätigen Erziehungsversuche, die am am Ende des 18. Jahrhunderts namentlich in Spanien und den österreichischen Landen unternommen wurden. Und immer noch schweifen mitten durch unsere seßhafte Zivilisation ruhelos die dunkelhäutigen Horden, die immer nur Objekte der Polizei und der Boeten gewesen sind: in ihrem bunten und grellen Lumpenelend erhalten fie ein Stüd Bagantenromantik lebendig, die immer wieder in uns Stulturphilistern eine geheimnisvoll fragende Sehnsucht erwedt, ob denn unsere Zivilisation das rechte Menschenglüd fei.
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Zigeuner sind niemals und nirgends geduldet worden. Schon 1492 munden sie aus Spanien vertrieben. In Frankreich wurde 1561 den Obrigkeiten befohlen, alle Zigeuner mit Feuer und Schwert auszurotten. Die Schweiz jagte sie 1510 aus dem Land und verbot ihre Rüdfehr bei Strafe des Galgens. Nicht anders erging es ihnen in England, Dänemark , Schweden , in den Niederlanden und namentlich in Deutschland . Erging in Holland 1545 das Gesetz, jeden im Lande ertappten Zigeuner bis aufs Blut zu geifeln, seine Nase auf beiden Seiten aufzureißen. Bart und Haupthaar zu scheren, so berfiel in Preußen bis ins 19. Jahrhundert hinein jeder Zigeuner dem Galgen, der innerhalb der preußischen Grenzen sich bliden ließ.
Wir hören von Zigeunerinnen, die sich lebendig begraben ließen, um von der endlosen Hebe Ruhe zu finden. Von einem Zigeuner wird berichtet, daß er aus einer westfälischen Stadt ausgewiesen wurde, nachdem man ihn gestäupt; man bedeutete ihm, daß er bei seiner Rückkehr gehenkt werden würde. In einem zweiten und dritten Ort traf ihn das gleiche Schicksal der Stäubung und Ausweisung. Da ging er in den ersten Ont zurück und bat, daß man ihn durch den verheißenen Strick erlöse.
Zu den grauenvollsten Justizverbrechen der Geschichte gehört die Massenhinrichtung von Zigeunern in Ungarn im Jahre 1782,
Von einer in der Hondenser Gespannschaft entdeckten, und schon 25 Jahre zusammengerotteten Räuberbande, davon 173 ge fänglich eingezogen, meldet ein Schreiben von Czab folgendes: Wir sind hier stets in der größten Furcht, Tag und Nacht bleiben unsere Häuser verschlossen; denn eine Zigeunerbande, zu welcher sich verschiedene Bergräuber gesellt, ist eingezogen worden. Kaum würde ich es glauben, daß Europa solche Ungeheuer von Menschen gebähren könnte, wenn nicht ihr eigen Geständnis am Tage läge. Seit etlichen Jahren bekennen sie, daß sie über 28 Personen getötet, und teils gekocht, oder am Rauch gedörret, berzehrt zu haben. Den 22. v. M. wurden daher zu Kemenße von diesen Menschenfressern 1 geviertheilt, 2 von unten auf gerädert, 8 aufgehängt und 4 Weiber geföpft. Den 24. zu Baath 1 geviertheilt, 12 aufgehängt. Jn Czab den 26. 7 Weiber geföpft, 2 von unten auf gerädert und 4 gehängt. Mit diesen zu Czab wurde ihr Bischof, der immer großen Appetit nach Menschenfleisch gehabt, dieweil er 2 Weiber gegessen zu haben eingesteht, zum Biertheilen ausgeführt, doch wegen Confrontation von 41 noch nicht Verurteilter wieder zurüde gebracht, wird aber nächstens 91 seiner Pfarrfinder, welche schon fententionirt find, Gesellschaft leisten."
Ein hamburgisches Blatt wußte zu erzählen, daß sie, nach ihrer cigenen Aussage, einst zu ihrer Hochzeit zwei Menschen geschlachtet und mit ihren Gästen in Freuden und Jubel verzehrt haben. Die Gebeine hätten sie verbrannt, diese gäben, wie sie sagten, die besten Kohlen. Die weiteren 150 Zigeuner, die gefangen waren, entrannen dem entsetzlichen Mord. Joseph II. ließ sie in aller Stille frei, nachdem sich herausgestellt, daß die angeblich geschlachteten und gefressenen Menschen noch lebten. Man hatte die unglücklichen Zigeuner durch die Tortur zu dem Bekenntnis gezwungen, daß fie Personen, die man vermißte, gemordet hätten. Nun sollten sie an geben, wo die Gemordeten zu finden wären. Da sie niemanden umgebracht hatten, konnten sie den Ort natürlich nicht zeigen; und als man sie wiederum folterte, antwortete endlich einer mit grime migem Hohn:" Haben sie gefreffen." In der Tat zeigt das erhal tene Gerichtsurteil, daß sich die Verurteilung lediglich auf die er folterten Aussagen stüßt, ohne jeden anderen Beweis, ohne die Herbeischaffung eines einzigen corpus delicti!
Fast noch schlimmer als diese Verfolgungen waren die Bersuche, das Volk zu zähmen. Unter Maria Theresia nahm man ihnen gewaltsam ihre Kinder, an denen sie mit zärtlichster Liebe hängen, und gab sie Bauern zur Erziehung. Alles im Namen der Eittenverbesserung, in Wahrheit, um Arbeitskräfte zu gewinnen! Uebrigens verstand man es, selbst aus der Bettelarmut der Zigeuner noch Steuern herauszupressen.
Die Zigeunerhebe wird heute nach wie vor betrieben. Die ewigen Hilferufe kommen vom platten Bande, wo man teils bie geheimen Bauberkünfte der Zigeuner ehrfürchtig und gläubig be mubt, teils fich ausschweifender Angst vor ihren Missetaten hingibt. Die Fülle der Polizeiverordnungen ist unabsehbar und wächst ständig. Alle Zigeuner stehen unter Polizeiaufsicht. Ausländischen Zigeunern ist in Bayern der Eintritt in das Staatsgebiet auf jeden Fall zu verwehren. Auch deutsche Zigeuner, die sich nicht gehörig legitimieren fönnen, werden ausgewiefen und über die Grenge zurüdgetrieben. Die Internierung in Arbeitshäusern wird namentlich zur Sprengung von Banden den Behörden anemp= fohlen. Die Ausstellung von Wandergewerbescheinen wird auf alle Weise erschwert. Die Zigeuner tennen so vom Staate nichts anderes wie den Büttel, die Gewalt, die Rechtlosigkeit. Der frühere Münchener Polizeirat Dillmann hat in München eine Zigeunerzentrale eingerichtet und im Jahre 1905 ein Zigeunerbuch herausgegeben, in dem in mehr wie 3000 Nume mern einzeln und familienweise wandernde Zigeuner für Fahndungszwede inventarisiert sind. Dies Verzeichnis ist zwar nicht in dem lebendig anschaulichen, farbig träftigen Stil der alten Jaunerlisten" abgefaßt, aber auch in seiner dürren Altensprache, die durch eine größere Anzahl von Photographien illustriert ist, spiegeln sich die typischen Lebensschidjale dieser unitäten Kulture fremden. Da liest man z. B. unter der Nummer 2154:
Roché , auch Rosch, Georg Adam, fälschl. Röscht u. Roscher, Spißname:" Schui", fath., Zigeuner, Pferde- und Parfümeriehändler, Heimat u. Staatsangehörigt. unermittelt, a e b. auf der Durchreise der Eltern 28. 10. 1858 in Mundraching, B.-. Landsberg , Sohn des Optikers Johann Bapt. Roché , angebl. bon Oberhagersthal,...... hat sich am 22. 4. 1903 in Burgberg , D.-A. Heidenheim, Württ., verheir. mit Magdalena Dräßler, welche sich fälsch. Anna Magdalena Christ nennt( fath., geb. auf der Durchreise der Mutter 24.2. 1857 in Moos, B.-A. Bilshofen, ill. Tochter der led. Händlerin Kreszenz Dräßler von Burg berg , Q.-A. Heidenheim), befitt angebl. die nachbezeichn. Kinder: Joseph( fath., geb. auf der Durchreise der Mutter 28. 1. 1886 im Wohnwagen derselben zu Forstern , B.-A. Erding als ill. Sohn der ledigen Pferdehändlerstochter Magdalena Chrift von Burgberg ), Olga( fath.... geb. auf der Durchreije .) Kreszens... Anna(... geb. auf der Durcha reise... in einem Stalle) usw. usw. Dann heißt es: ist wegen Diebstahls, Vergehen gejen die öffentliche Ordnung, Unfugs, Nichtabhaltung der Kinder vom Betteln, seine Ehefrau wegen Dieb stahls im Rüdfall, Hehlerei, Betteln und Nichtabhaltung von Kindern vom Betteln, die Tochter Kreszenz wegen Diebstahls beim Imwechseln von Geld, Widerstands und falscher Namensangabe,
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