sid

Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 94.

21]

Sultana.

Donnerstag den 16. Mai.

( Nachdruck berboten.J

1912

Vogelstimme, im übrigen aber nicht ohne Raison. Ein Ge ficht verschönt sich und strahlt beim Nahen der Liebe, und welft, wenn sie geht!".

Nun entstand ein Spektakel in dem Saale wie in einer

Ein arabisches Frauenschicksal von Emil Rasmussen. Pfauenvolière. 9.

In der nächsten Woche ward das Brautbad für Sultana bereitet.

P

Si Hamza war gezwungen worden, sich für ihre Hochzeit zu interessieren.i

Er saß da wie ein vom Thron gestoßener Monarch, ver­barg sich vor aller Welt und hing seinem Kummer nach, wenn er sich nicht seinen Betäubungsmitteln ergab.

Nebukadnezar , der auf den Feldern umhergeirrt und von Gras gelebt hatte wie ein Ochse, war ein glücklicher Mann im Vergleich mit ihm.

-

bo Metrub Robbit so stand es geschrieben als Wille des Allmächtigen war nun sein einziger Trost.

Wohl kam der Schlingel Amor ben Ahmed noch jeden Tag und ließ ihn in den Becher spucken und in die Büchse und gab ihm Hoffnung am Leben zu bleiben aber welch erbärmliches Leben war dies! Wofür hatte et im Grunde noch zu leben!

Er war ein eiserner Balken gewesen, aber ein gußeiserner, und nun war er geknickt. Mochte alles von nun an kommen, wie es wolltel Er legte die Zügel in Allahs Hände.

Aber es gab eine andere, die die Zügel nicht dort ruhen Laffen konnte: das war Nisja Selluf.

Abdallah drängte; er wollte heiraten, und zwar sogleich, um mit seinem Weibe nach Zäuia heimzukehren. Sollte nicht das ganze Geschäft zu Wasser werden, mußte sie nun das Kommando übernehmen. Sie kannte ihre Araber zur Ge­nüge, ihren feurig flammenden Mut und ihre rasche Ent­mutigung, wenn fie in der Klemme saßen. Handelte aber dann jemand für sie, so konnte ihnen nichts lieber sein.

So kam denn Risja täglich mehrmals und lieh Hamza von ihrer üppigen Lebenskraft.

Rundlich und fleischig, wie die meisten von ihnen waren, wadelten nach vorne und nach den Seiten wie Kinder, die rollten sie wie Boote im Kielwasser umber, wiegten sich und Kepfe stieg, um ihr bißchen Meinung be nehmbar zu machen. nech nicht gehen können und schrien, daß das Blut ihnen zu

clte Haremserfahrene, aber wie konnte dies auf Sultana Im allgemeinen waren sie ja derselben Ansicht wie die passen, die ja ihren Freier noch nicht einmal gesehen hatte?

der Liebe sei, die die junge Braut so angegriffen hatte. Man einigte sichy endlich, daß es die erregte Erwartung

Und wie komisch alle diese Frauen es fanden, daß man bedachte! Aber natürlich! Sie hatten das ja auch ein­fich darüber aufregen und bleich grämen fonnte! Wenn man -- mal gekannt. Damals!

einer langen Reihe mehr eingehender als geschmackvoller Diese Betrachtungen wurden wiederum die Einleitung zu Nedereien.

-

* Sultana errötete nicht, denn sie kannte längst durch Ma­mit Furcht noch mit Scham, da sie ja Allahs Wille und eine bruta alle Mysterien der Liebe, und sie erfüllten sie weder gute Gabe waren für die Menschenkinder aber sie fühlte mußte hart kämpfen, um sie zurückzuzwingen, damit niemand die verhaßten Tränen hinter den brennenden Augen und ihre Schwäche sehe.

Sie war bitter enttäuscht, ihre Matter nicht zu sehen, die Risja ja versprochen hatte, zum. Bade zu kommen. Sie fühlte sich gerade heute so ganz preisgegeben und vereinsamt.

Während die Damen sich mit allerhand gewürztem und parfümiertem Badwerk und Marmelade bewirten ließen, ent­kleidete Sultana fich in einem kleinen Räume. Die erste Berschönerung hatte die Hennena schon daheim ins Werk ge­sept, indem sie die kastanienbraunen Flechten der Braut in mit gestoßenen Nelken und pulverisierter Holzkohle gemischtem Antimon schwarz gefärbt hatte.

Sie nahm seine Cousine, Lalla Uarda, ins Haus, um doch einen normalen Menschen zu haben, mit dem sie sprechen fonnte. Sie verhandelte auch mit dem Notar wegen des Ehe­Kontrakts, in welchem die Kaufsumme Sultana zu freier Ver­fügung gestellt wurde und in welchem sich diese bedang, die einzige Gattin zu bleiben und jährlich zwei Wochen in ihrem Einige priesen ihren Palmenwuchs, aber die meisten

ab und lieferte alles selbst.

Als sie, bloß mit einer Fota um die Lenden, wieder durch den Saal kam, fladerte die Diskussion noch heftiger als zu­vor auf..

Das Haus wurde täglich von jüdischen Krämern über- Nur über eines waren alle einig: ihre Bruſt war unvergleich­laufen, die verlockende Angebote auf Bantoffeln, Kleider und lich schön. alle Art Ausstattung machten; Risja wies sie ohne Ausnahme Eine Baderin von Negerblut folgte ihr in den mehr als bescheiden ausgestatteten Heißluftraum, der bloß durch eine qualmende Ganglampe erhellt war. Sie streckte sich auf eine Holzbank, aber, durch Schlaflosigkeit und heftige Gemüts­crregungen geschwächt, war sie faum zehn Minuten hier drinnen, als es ihr zu schwindeln begann. Die Baderin mußte eiligst Wasser über ihren Kopf schütten und sie hinaus­führen, um einer Ohnmacht vorzubeugen.

Dazwischen fand sie Zeit, nach dem spannenden Geheimnis zu schnüffeln, das sie in Bleiras Schicksalen witterte. Aber alle waren stumm wie Mauern und ließen sie dieser Frage gegen­über gänzlich unaufgeklärt. Der Ring war zu dicht ge­schlossen. Es gab auch nicht die geringste Rize, durch die man seine Nase feilen konnte.

Als Sultana gegen Abend in dem maurischen Frauen­bade anlangte, das ganz und gar für das kleine Fest der Brautfeier gemietet worden, fand sie all die eingeladenen ver­heirateten Freundinnen des Hauses und viele von deren Dienerinnen auf den Fußbodenmatten eines großen Saales figen, der mit springenden Löwen , Dromedaren und anderen mehr oder weniger phantastischen Tieren in grellen roten und grinen Farben naib ausgeschmüdt war. Sie selbst befand fich in Begleitung Mabrufas und der Tante sowie einer Hennena, eines maurischen Weibes, dessen edle Aufgabe darin bestand, den Körper der Braut zu verschönern. 111 Alle waren enttäuscht von Sultanas Aussehen. Ihre ver­wachten Augen waren bon breiten schwarzblauen Ringen ein­gefaßt, und die blutlose Haut des Antliges war fahlgelb ge­worden.

Dafür war eine feelenvolle Tiefe, fast etwas Durch­geistigtes in ihren Blick gekommen.

-

Man erörterte laut und ohne Schonung geschweige denn Bartgefühl alle diese Phänomene.

2

An diesem Antlik ist die Liebe vorbeigegangen," äußerte fich die Welteste der Gesellschaft mit einer irritierend hohen

Noch schweißbedeckt und erhitzt, wurde sie auf eine Marmor­tafel gestreckt, und die Negerin knetete nun ihre Glieder, nach ihrer eigenen Naturmethode, ungefähr wie man Teig fnetet. Sierauf unterzog sie sie einer Behandlung, die den Zweck zu haben schien, alle Gelenke ihres Knochensystems zu brechen. Sie zog ihre Arme freuzweise gegeneinander vorne auf die Brust und legte sich selbst als totes Gewicht darauf, wohl in der Hoffnung, die Innenseiten ihrer Schultern zu gegen­feitiger Berührung zu bringen. Die Knie zog sie ihr unter das Kinn hinauf und legte sich wieder mit ihrem ganzen Ge­wicht über die Schienbeine. Der peinlichste Teil der Massage

denn dies war nämlich Massage- stand noch bevor. Nach­dem Sultana platt auf den Magen gelegt worden, stieg die Schwarze auf sie und begann langsam und bedächtig auf igrem Rücken hin und her zu promenieren.

Troß alledem war Sultana noch am Leben, und die Hennena, die nun hinzukam, konnte ihr Werk beginnen.

Sie hate einen Sad mit Tfel mitgebracht, einer Art marokkanischen Pfeifentons, der mit duftenden Blüten ge­Inetet und mit Organgenwasser geschlemmt war. Mit diesem schmierte sie den ganzen Körper ein und begann nun mit