einem ungeheuren Handschuh aus Bockfell, den sie immer wieder in heißes Wasser tauchte, die Haut zu reiben. Wie nun der Ton abgespült wurde, schälte sich unter dem Hin- und Herschrubben des Hantschuhs die Haut in ganzen Schich- ten, die zu langen Rollen in Griffeldicke wurden. Die Haut aber, die zurückblieb, war so dünn und fein wie Seidenpapier. Ihr Antlitz wurde sorgfältig mit Zitronensaft behandelt, um die Farben wieder zurückzurufen. Noch etwas sehr Wichtiges und Zeitraubendes blieb zu tun. Wieder wurde Sultans eingeschmiert, diesmal mit einer Mischung von SchwefÄ und Kalk, und die Hennena machte sich nun daran, sie von allem Körperhaarwuchs zu befreien. Denn eine mohammedanische Ehefrau mutz unbehaart sein wie ein neugeborenes Kind. Dies erfordert der ausgeprägte arabische Reinlichkeitssinn. Nachdem sie unter der kalten Dusche von den vielerlei Chemikalien reingespült worden war. graute es ihr vor einer neuerlichen Besichtigung von seiten der neugierigen Damen, die ihren Körper taxierten, wie man ein Pferd bewertet. Sie vergab jedoch alles, als ihre Mutter ihr entgegen- stürzte und sie unter einem Schauer von Küssen und Tränen an ihre Brust drückte. Während die Damen in der Mutter Gegenwart Suitanas Schönheit priesen denn das Bad hatte ihr das Blut in die Wangen getrieben und die Pupillen vergröbert, zogen die beiden sich in den Ankleideraum zurück, um Sultana ein wenig Zeit zur Erholung zu geben. Es wurde ein ergreifender Herzenserguß zwischen Mutter und Tochter, während nebenan die eingeladenen Damen lachten und schnatterten. Sie beide standen ja an einem entscheidenden Wendepunkt ihres Lebens, voll banger Ahnungen der Ereignisie, die die Zukunft im Schatze tragen mochte. (Fortsetzung folgt.) HUeö fiir'a Vaterland. Von August Strindberg . Im bürgerlichen Leben fordert man ja vom Individuum ein ehrenhaftes und aufrichtiges Betragen, anderenfalls tritt das Straf- gefetz in Wirksamkeit. Aber wenn Nationen und Staaten Streit- fragen zu erledigen haben, da ist alles an falschen Vorspiegelungen. gebrochenen Gelübden und unwahren Behauptungen zulässig, und das geht so weit, daß die Staatskunst zu lauter Winkelzügen ge» worden ist, und Diplomat sein soviel bedeutet, wie hinterlistig und heimtückisch sein. Wir haben neulich den russisch -japanischen Krieg erlebt, und als er ausbrach, wollte man die Ursache wissen, ehe man die Rich- tung seiner Sympathie bestimmte. Nach vielem Wenn und Aber kamen beide kriegführenden Parteien dahin, das menschenfreundliche Motiv: Koreas Integrität in den Vordergrund zu schieben. Das war ja ein schöner Zweck, den kleinen Mann zu verteidigen. Aber der Zar vergaß sein Reskript und seine Haager Konferenz, und die Japaner nahmen Port Arthur, das 18(30 von den Chinesen angelegt, 1894 von den Japanern erobert und durch die Russen von den Chinesen 1898 gepachtet worden war. Aber als die Streitenden in den Krieg zogen, da wurde ge- jungen und deklamiert von der Verteidigung des Vaterlandes. Wir Alten haben den französisch-deutschen Krieg miterlebt. Hier war die Kriegsursache etwas mehr verwickelt. Napoleon III. konnte natürlich" nicht gerade heraus sagen, daß er eifersüchtig war auf Preußen nach Sadowa, sondern mußte einen Vorwand finden, und dazu wurde die Hohcnzollernkandidatur, oder Spaniens Thron- angebot an einen preußischen Prinzen genommen. Der Prinz ver- zichtete aber, und nun mußte ja eigentlich die ZkriegSursache aus der Welt geschafft sein. Aber wie das Ganze nur Vorwand war, sollte ein neuer Vorwand gesunden werden, und daö wurde ein fo nichtswürdiger wie der, daß dem französischen Gesandten d,e Audienz beim König von Preußen verweigert worden war. Aber nun wurden alle Rücksichten beiseite geworfen, all« Masken fallen gelassen. Bismarck rediisierte die Emser Depesche nach seinem Kopf und veröffentlichte in denTimes" ein geheime? Dokument des überraschenden Inhalts, daß Napoleon (1867) nach Sadowa Preußens Suprematie anerkennen wollte, wenn Frankreich ungestört Luxem - bürg und Belgien an sich reißen durfte. Alle Ränke" wurden bloß. gelegt: persönlicher Neid, versetzte Eitelkeiten, unbefriedigter Ehr- geiz zeigten sich auf der Bühne, obwohl man doch eine Vorstellung vonAlles fürs Vaterland" engckündigt hatte. Aber wir Alten haben auch die Tragikomödie des Krimkrieges erlebt. Nachdem man 60 Jahre lang an die Kricgsursache:die Mißhandlung der Christen" in der Türkei , Rußlands AuSdehnungS- bestreben i» Europa (Donaumündung), geglaubt hatte, bekommt man nun zu lesen, daß die Alliierten: England, Frankreich und Sardinien , zu dem menschenfreundlichen Zweck auftraten, die Integrität der Türkei aufrechtzuerhalten. Das ist ja schön. So schön, daß keiner daran glauben will. Die.zivilifierteste" Nation Europas , Frankreich , und die religiöseste, England, verteidigen die Rechte und Freiheiten des Erbfeindes: des Türken. Tolstoi, der ja mit war in dem Getümmel bei Sebastopol, hat das Ganze auch als einen unbegreiflichen Mischmasch geschildert. Wenn man d«r- gleichen erlebt, und mehr noch, wie Dänemarks Amputierung» Griechenlands und Rußlands Kämpfe mit der Türkei , dann wird man mißtrauisch gegen die Vaterlandsfrrunde, die da meinen, daß die Erziehung der Menschheit in Kasernen und Kriegsheeren voll- zogen werden kann. Ehedem schickte man die schlechtesten Leute in den Krieg, Abenteurer und ihresgleichen, im Notfall leerte man die Gefängnisse, aber man bewahrte die beste Jugend des Landes davor» sich an Roheit und Unmenschlichkeit zu gewöhnen. Als in den 70er Jahren die Gesellschaft.Freunde der Wehr- Pflichtigen" ihre Tätigkeit entfaltete, wurde uns vorgeredet, daß die Offiziere nun die Nation in den Kasernen erziehen sollten, da die militärische Ausbildung als unzureichend anzusehen sei. DieS war aber nicht der Fall, denn in den Elementarlehranstalten(An- fangsschulen für die Kinder der Wohlhabenden) wurde daS Infant.. iesxerzieren in den 60er Jahren eingeführt, und die frei- willigen Schützenvereine stellten 40 000 Mann auf, während die Armee der Eingestellten nur 37 000 Mann zählte. Nun da das Exerzieren allgemein gemacht ist in allen Schulen, und da wir über 160 000 Schützen haben und dazu ungezählte Pfadfinder(Boy scouts ), besitzen wir ja schon eig Volk in Waffen. Die Wehrpflicht und die Kaserne erscheinen darum nur noch als ein Ueberbleibsel vergangener Zeit, als ein Vorwand. Die Erziehung der Kaserne, die keimen wir; sie ist die schlimmste von allen. In dem Menschenstall kann nicht Reinlichkeit herrschen. denn man wohnt zu eng beisammen. Gefühllosigkeit gegen die eigenen Leiden lernen, führt den Uebelstand mit sich, daß man gefühllos für anderer Leiden wird, und das nennt man erst Unbarmherzigkeit, später Grausamkeit. Lernt man Ungerechtigkeit schweigend ertragen, so wird man selbst ungerecht, und blind gehorchen, schafft Sklaven oder Tyrannen. Aufwarten und reinmachen lernen, ist die Hauptsache in der Kaserne; der Infanterist wird zum Kalfaktor ausgebildet. Vater- landsliebe braucht man nicht zu lernen; sie beruht auf dem an- ! geborenen, berechtigten Selbsterhaltungstrieb, und wenn es gilt» o zieht jeder Mann in? Feld. Die unempfindlichen Methoden der Schule find hinreichend, die Verweichlichung zu beseitigen. Aber die Kaserne ist die Hochschule. wo Verwilderung gelernt wird, die beruslichen Fähigkeiten ver- gessen werden, und alle sozialen Laster blühen und gedeihen. Am Anfang des neuen Jahrhunderts wurden 80 Millionen Kronen im Jahre für die Armee bewilligt(in Schweden ). Das macht in 12 Jahren fast eine Milliarde, und nun, da wir 1912 schreiben, wird mehr in Anschlag gebracht. Die.Jndelta", von den Landbesitzern zu stellende Truppen� bildeten nach der 1901 beseitigten Heeresordnung mit den Angewor- benen den Hauptstamm der Armee. ßorcbardts Vorgängen i. Die Ueberschrift führt irre. Es handelt fich nicht um Leute, die die Ordnung des Hauses nicht gestört und gleichwohl von Polizei- fänsten hinausgeschleift wurden. Auch nicht um Abgeordnete, die als wirkliche Unruhestifter beseitigt wurden. Sondern wir wollen an grobe Störungen der Verhandlungen des preußischen Abgeordneten- bauicS erinnern, an vorsätzliche und hartnäckige Widerstände gegen die Präsidialgewalt-- Fälle, die doch ganz ganz anders aus­gingen. In diesem Sinne ist BorchardtS Vorgänger der preußische Kriegsminister Roon. Ein halbes Jahrhundert zurück. Konfliktszeit. Im preußischen Abgeordnetenhaus find die Junker auf ein ohnmächtiges Grüppchen zusammengeschmolzen. Die Liberalen aller Spielarten be- herrschen das HauS, auch das Präsidium. Es ist am 11. Mai 1863. Der Kriegöminister wird hart an- gegriffen. Der Liberale v. S y b e l(derselbe, der später über- byzantinische GesckichtSbände klitterte und die ihm v. Bismarck kunstvoll sausgelei'enen geheimen Urkunden zur großen Belustigung des Spenders als Offenbarungen lauterer Wahrheit anbetete) Professor v. S y b e l aber hatte den Patriotismus RoonS bezweifelt. Der Kriegsminister wies SybelS«eußerung als eineunberechtigte Anmaßung" zurück. Der Vizepräsident v. Bockum-DolffS unterbrach den Minister, der sich diese Unterbrechungen herrisch verbat. Die Szene ging so fort: Der V i zep s i d e n t mit heftigem Schellen: Ich habe zu sprechen und unterbreche den Minister. Kriegs minister: Ich muß um Verzeihung bitten, ich habe das Wort und werde es nicht fortgeben.(Glocke des Präfidenten.) Ich habe das Wort, das steht mir nach der Verfassung zu, und keine Schelle und kein Winken und keine Unter- brechung----(Glocke des Präfidenten. Ruf: Zur Ordnung I und große Unruhe.)